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Ein gesamter Berghang hat Freitagnacht mehrere Dörfer unter sich begraben Ein gesamter Berghang hat Freitagnacht mehrere Dörfer unter sich begraben  (ANSA)

Erdrutsch in Papua-Neuguinea: „Eine Folge des Klimawandels“

2.000 Tote nach dem Erdrutsch und 8.000 Wohnungslose: Die Not ist groß in Papua-Neuguinea. Verschüttete jetzt noch lebend zu finden, ist eher unwahrscheinlich, die Evakuierung der Überlebenden gestaltet sich schwierig, und es drohen neue Erdrutsche, hieß es. Wir sprachen mit Johannes Seibel vom katholischen Hilfswerk missio über die Lage in dem Land, das Papst Franziskus im September besuchen will.

Radio Vatikan: Herr Seibel, was haben Ihre Partner Ihnen von der aktuellen Situation in Papua-Neuguinea berichtet?

Johannes Seibel (Pressesprecher Hilfswerk missio Aachen): Unsere Partner aus dem Hochland, in der Provinz Enga, sind sehr besorgt. Die Regenzeit bringt diesmal besonders heftige Niederschläge. Es drohen weitere Abrutsche. Und insbesondere sind sie besorgt darüber, dass nicht nur wie in früheren Jahren Lehm oder Sand, sondern auch sehr viele Gesteinsbrocken abgerutscht sind, was die Bergung möglicher Überlebender noch weiter erschwert.“

Radio Vatikan: Besteht denn überhaupt die Chance, da noch Überlebende zu finden?

Johannes Seibel: „Die Chancen sind da, Überlebende zu finden. Es wird auch alles darangesetzt, noch Überlebende zu finden. Das kann man in solchen Katastrophen, glaube ich, auch nicht voraussagen. Aber wir sind ja Christen, und wir glauben auch an Wunder….“

Die Verzweiflung der Überlebenden
Die Verzweiflung der Überlebenden
Hier das ganze Interview zum Nachhören

Radio Vatikan: Die Vereinten Nationen haben gewarnt vor dem Risiko eines zweiten Erdrutsches und auch vor Epidemien, die sich jetzt ausbreiten können. Was wird denn da unternommen?

Johannes Seibel: „Ich war im vergangenen September selbst im Hochland in Papua-Neuguinea mit einer Delegation von missio. Man muss sich vorstellen, dass dort relativ kleine Dörfer zu finden sind, in entlegenen Gegenden mit schlechten Straßen. Jetzt ist auch noch Regenzeit. Das alles erschwert die Rettungsarbeiten. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass sich durch die nahe gelegenen Minen auch sehr viele Menschen aus anderen Regionen Papua-Neuguineas als Arbeiter dort aufhalten, weshalb sich möglicherweise auch die hohen Opferzahlen erklären, weil die Dörfer an sich klein sind. So habe ich das gesehen damals. Aber hier kommt noch dieser Faktor mit ins Spiel, dass durch die Arbeitsplätze in den Minen – dort ist beispielsweise eine Goldmine, die der Staat betreibt - sehr viele Menschen sind, mehr als eigentlich gewöhnlich, und dass durch die ungewöhnlich starken Regenfälle weitere Erdrutsche möglich sind. Wir sehen das auch als Folge des Klimawandels und genau dieses Thema, auch wie die lokale Kirche damit umgeht, wird auch ein Thema sein für den Monat der Weltmission, zu dem wir ja im Oktober die Kirche aus Papua-Neuguinea nach Deutschland eingeladen haben.“

Bergungsarbeiten unter schwierigen Bedingungen
Bergungsarbeiten unter schwierigen Bedingungen

Radio Vatikan: Die Vereinten Nationen sprechen von mindestens 2000 Toten und die Räumungsarbeiten finden, wie Sie angedeutet haben, unter erschwerten Bedingungen statt. Wieso ist das so?

Johannes Seibel: „Es ist ein unzugängliches Gebiet mit schwierigen geografischen Lagen. Das heißt, der Einsatz von schwerem Gerät ist schwieriger und auch die Anreise der Rettungshelfer ist schwieriger. Also einfach die geografische Lage, der schwere Regen und auch die Tatsache, dass nicht so stark schweres Räumungsgerät eingesetzt werden kann, wie möglicherweise in anderen Regionen, wo solche Katastrophen stattfinden. Das erschwert die Rettung.“

Radio Vatikan: Inwiefern bringt denn jetzt auch der angekündigte Besuch von Papst Franziskus in diese Katastrophe etwas Hoffnung?

Johannes Seibel: „Die Kirche in Papua-Neuguinea freut sich außerordentlich auf den Besuch. Das Land hat wirklich viele Probleme. Die Kirche ist dort sozial sehr stark engagiert in der Frauenarbeit. Die Kirche dort ist auch engagiert bei der Milderung der Folgen des Klimawandels. Und ich denke, das ist auch ein Ansatzpunkt auch für den Papstbesuch.

Man sieht hier jetzt aktuell den Erdrutsch, den außerordentlich schweren Regen, und in einzelnen Inselregionen sind schon Inseln überschwemmt durch den steigenden Meeresspiegel. Die Kirche hilft den Menschen, dort neue Heimat zu finden, etwas gegen die Folgen zu tun. Und da glaube ich, dass die katholische Kirche in Papua-Neuguinea von Papst Franziskus Impulse erwartet, auch was den Lebensstil des Westens betrifft. Und ich denke, Laudato si ist eine Enzyklika, die absolut exakt auf die Lage in Papua-Neuguinea passt.“

Luftaufnahme vom Ort des Erdrutsches
Luftaufnahme vom Ort des Erdrutsches

Frauen fördern

Radio Vatikan: Papua-Neuguinea ist Partnerland und Beispielland für die missio-Kampagne im Monat der Weltmission. Warum haben Sie Papua Neuguinea ausgesucht?

Johannes Seibel: „Da ist zum einen Mal das Thema Klimawandel, man muss das ja auch ein bisschen durchbuchstabieren, damit es nicht so abstrakt bleibt. Und die katholische Kirche in Papua-Neuguinea kämpft schon sehr stark mit den Folgen des Klimawandels. Inseln sind schon verschwunden, Menschen müssen umgesiedelt werden, es gibt die ersten Klimaflüchtlinge weltweit. Und wir haben zum Beispiel Helene Hakena eingeladen und Ursula Rakova. Das sind zwei Frauen-Aktivistinnen, katholische Laiinnen, die auch auf UN-Ebenen über diese Dinge berichten, die den Menschen dort helfen und sehr aktiv sind im Umweltschutz.

Der zweite Grund ist, Papua-Neuguinea ist - wie mir ein Partner einmal gesagt hat - gleichsam von der Steinzeit unter Auslassung des Buchdrucks ins Internetzeitalter geschossen worden durch die Entwicklung. Und das Land hat Probleme mit Gewalt, unter der vor allem Frauen leiden: und gerade die Frauen organisieren sich in Papua-Neuguinea sehr, sehr stark. Und das ist für uns auch ein Punkt, den wir in Deutschland bekannt machen wollen.

Und vielleicht noch ein letztes kurzes Beispiel, warum wir Papua-Neuguinea ausgewählt haben: Ich habe eine Ordensschwester kennengelernt, eine Sozialarbeiterin, die gegen das (weit verbreitete, Anm.) Phänomen des Hexenwahns kämpft und den Menschen hilft. Sie wurde aber in der Kirche nicht ernst genommen. Wir haben ihr dann eine Ausbildung in Pastoraltheologie finanziert. Was sich für uns einfach anhört, ist für sie aber ein Quantensprung, weil sie mit diesem Diplom in der Hand plötzlich von den Priestern, vom Bischof, von den männlichen Angehörigen der Kirche ernst genommen wird und ganz anders als vorher für Frauen und mit Frauen die Verhältnisse verbessern kann.

Suche nach Überlebenden
Suche nach Überlebenden

Ausbildung, um Strukturen gegen Gewalt aufzubauen

Radio Vatikan: Können Sie uns noch weitere Beispiele nennen, wie Sie mit Ihren Partnern arbeiten?

Johannes Seibel: „Ja, zum Beispiel, wenn wir im Hochland sind, wo ja diese Katastrophe passiert ist. Dort gibt es eine Vereinigung der katholischen Frauen im Hochland. Das sind ja mehrere Regionen. Das gibt es diese Frauen, die ungefähr 50.000 Frauen aus fünf Hochland-Diözesen vertreten. Und hier finanzieren wir Weiterbildung, Fortbildung, Leiterinnen für Frauenverbände in den Dörfern werden qualifiziert, damit sie dort die Verhältnisse verbessern können. Ein großes Problem in der Region sind auch sogenannte Stammesfehden. Ich finde den Begriff zwar unglücklich, aber so wird es oft benannt. Das heißt, zwischen verschiedenen Familien, Ethnien, brechen immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen aus. Für die Frauen bedeutet das dann oft wochenlang, dass sie zu Hause sind, für die Kinder, dass sie nicht zur Schule gehen können. Eine Frau hat mir einmal gesagt: ,Unsere Männer sind dann verrückt, wir können da nichts mehr tun, wir können nur warten.‘

Und mit der Ausbildung von missio versuchen sie Strukturen aufzubauen, um zum Beispiel stärker noch eingreifen zu können, damit solche Konflikte erst gar nicht stattfinden. Das ist ein Beispiel. Ein zweites Beispiel ist dann in den Küstenregionen, wo die Folgen des Klimawandels drohen, ganze Landstriche unter Wasser zu setzen und die Menschen zu vertreiben. Dort hat beispielsweise die katholische Diözese von Bougainville den Flüchtlingen katholisches Land zur Verfügung gestellt. Oder Aktivistinnen wie Helena Hakena oder Ursula Rakova pflanzen auf dem verbliebenen Land mit Jugendverbänden zum Beispiel Mangroven, um den Landabtrag zu verlangsamen. Das sind Projekte, die wir unterstützen. Es handelt sich also um Ausbildungsprojekte, konkrete Projekte im Umweltschutz, und Projekte, um vor allen Dingen Frauen zu helfen, sich gegen die Gewalt im Land zu wehren.“

Radio Vatikan: Papst Franziskus hat ja auf verschiedene Weise auch seine Nähe und seine Solidarität mit Papua-Neuguinea gerade jetzt nach dieser Katastrophe zum Ausdruck gebracht. Wie wurden die Papstworte denn aufgenommen von der Kirche und von den Menschen des Landes?

Johannes Seibel: „Die Menschen sind einfach froh. Die Menschen sind stolz und die Menschen freuen sich ungemein auf den Papstbesuch und vor allen Dingen, dass der Papst für die Menschen an den Rändern eintritt. Das ist für sie etwas, was ihnen Hoffnung gibt, was ihnen Mut gibt. Die Kirche freut sich außerordentlich, wenn der Papst kommt und die Menschen vor allen Dingen.“

Vielen Dank, Herr Seibel.

Vielen Dank.

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28. Mai 2024, 11:02