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In Ostindien gab es Tote und Verletzte bei einem Zugunglück am Montag In Ostindien gab es Tote und Verletzte bei einem Zugunglück am Montag  (ANSA)

Indien: Interreligiöse Solidarität nach Zugunglück

Das tragische Zugunglück Anfang der Woche, das mindestens neun Todesopfer gefordert hat, ist ein Schock für die Menschen in Indien – doch in der Katastrophe hat sich auch echte Solidarität zwischen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen gezeigt. Das sagt der katholische Erzbischof Thomas D'Souza aus der ostindischen Stadt Kolkata (ehemals Kalkutta) im Interview mit Radio Vatikan.

Deborah Castellano Lubov und Christine Seuss - Vatikanstadt

Am Montag waren im indischen Westbengalen ein Güter- und ein Personenzug zusammengestoßen. Mindestens neun Menschen starben (die ursprünglich verbreitete Anzahl von 15 wurde durch die Behörden anschließend nach unten korrigiert); mehr als 50 wurden mit Verletzungen ärztlich behandelt. Die indische Regierung hat eine Untersuchung des Vorfalls angekündigt. 

Erzbischof Thomas D'Souza von Kolkata im gleichnamigen Distrikt sprach mit Vatican News über die Katastrophe und ihre Auswirkungen. Der Zug sei auf dem Weg nach Sealdah in Kolkata gewesen, berichtet der Geistliche, als es um 9 Uhr morgens zu dem Zusammenstoß kam: „Plötzlich spürten alle einen Ruck, wurden umhergeworfen und die Räder entgleisten. Ein Güterzug war von hinten auf den Personenzug aufgefahren. (…) Man sagt, es war menschliches Versagen. So steht es in den Zeitungen. Das ist die offizielle Version. Die Lokführer des Güterzuges waren unter den Toten, und ich glaube, auch der Zugbegleiter des Personenzuges. Auch unter den Bahnmitarbeitern gab es also mehrere Tote.“

Am Montag erklärte der zuständige Generaldirektor der Eisenbahngesellschaft, der Fahrer des Güterzuges, der unter den Toten war, habe ein Signal missachtet, was zum Zusammenstoß mit dem Kanchanjunga Express führte, der in der Nähe eines Bahnhofs im Distrikt Darjeeling angehalten hatte. An Bord des Zuges befanden sich nach Angaben eines Bahnsprechers 1.400 Menschen.

Muslimisches Gebet unterbrochen

Es habe sich um eine „schreckliche Tragödie“ gehandelt, die auch die Bewohner des anliegenden Dorfes sofort an den Unglücksort eilen ließ, berichtet uns Erzbischof D'Souza. Der Unfall ereignete sich während des muslimischen Bakrid-Festes, so dass die Gläubigen an dem Morgen  beim Namaz (islamisches Gebet) waren. „Als sie jedoch den Knall hörten und die Nachricht die Runde machte, verkürzten sie ihre Gebete und eilten zum Ort des Geschehens. Noch bevor die offiziellen Rettungskräfte der Bahn an der Unglücksstelle eintrafen, erfuhren wir, dass diese Dorfbewohner den Menschen halfen, sich aus den Überresten des Zuges zu befreien oder sogar Leichen zu bergen. Sie boten jede Hilfe an, die nötig war. Ein solches Chaos…“

Anschließend seien die professionellen Rettungsmaßnahmen angelaufen, auch hochrangige Politiker besuchten den Unglücksort und sprachen ihr Mitgefühl aus: „Das war wirklich eine Tragödie. Unsere Züge sind überfüllt, und wenn so etwas passiert, können viele verletzt werden“, meint der Erzbischof.

„Unsere Züge sind überfüllt, und wenn so etwas passiert, können viele verletzt werden“

Nicht das erste Zugunglück mit vielen Opfern

Bereits im Juni 2023 war es im östlichen Bundesstaat Odisha zu einem schrecklichen Unglück gekommen, bei dem fast 300 Menschen ums Leben kamen und mehr als 1.000 weitere verletzt wurden.

„Es ist natürlich beunruhigend, dass sich so etwas wiederholen könnte“, sagt der Erzbischof mit Blick auf die teils als unzureichend wahrgenommenen Maßnahmen der Regierung zur Verhinderung derartiger Unglücke. „Menschen bezahlen bei solchen Tragödien mit ihrem Leben. Ich war sehr traurig, als ich hörte, dass einer der getöteten Männer nach einem Kurzurlaub bis Sonntag gerade zum ersten Mal zum Dienst angetreten war. Es war sein erster Tag. Wenn man sich das vor Augen führt, kann man sich vorstellen, wie traurig das für ihn und seine Familie war. Leider gibt es viele Geschichten, die dieser ähneln, aber trotzdem zeigt sich die Güte der Menschen darin, dass sie sich gegenseitig helfen. Sie sind nicht auf ihren eigenen Vorteil oder ihre eigenen Schwierigkeiten bedacht, sondern stellen sich der Situation und helfen sich gegenseitig. Das ist die Schönheit der menschlichen Gesellschaft, wenn Menschen zusammenkommen, um sich gegenseitig zu helfen. Und das war vor allem am Ort des Zugunglücks deutlich zu sehen.“

Zahlreiche Menschen waren an den Unglücksort geeilt
Zahlreiche Menschen waren an den Unglücksort geeilt

„Schönheit der menschlichen Gesellschaft: Wenn Menschen zusammenkommen, um sich gegenseitig zu helfen.“

Menschlichkeit und Mitgefühl in der Katastrophe

Man bete nun für alle, die ums Leben gekommen seien, so der Erzbischof von Kolkata weiter. „Wir beten für all jene, die ihr Leben verloren haben. Wir bitten unseren himmlischen Vater, ihnen die ewige Ruhe, das ewige Leben und den ewigen Frieden zu schenken, das ist sein ewiges Geschenk an sie und an alle Verletzten. Wir wünschen allen eine baldige Genesung. Wir beten für die vielen betroffenen Familien und sprechen ihnen unser aufrichtiges Beileid aus. Wir beten dafür, dass sie so bald wie möglich wieder ein normales Leben führen können.“

„Wir beten für all jene, die ihr Leben verloren haben“

Medienberichten zufolge funktionierte ein automatisches Signalsystem seit Montagmorgen nicht mehr, so dass die Behörden die Zugführer aufforderten, langsamer als gewöhnlich zu fahren. Indiens Oppositionsführer hatten die die Eisenbahnsicherheit der Regierung von Premierminister Narendra Modi kritisiert und ihr Nachlässigkeit vorgeworfen. 

Kritik an der Staatlichen Eisenbahn

Die staatliche indische Eisenbahn, die für ihre Überfüllung berüchtigt ist, betreibt das viertgrößte Zugnetz der Welt und befördert täglich 13 Millionen Menschen und im Jahr 2022 fast 1,5 Milliarden Tonnen Fracht. Jaya Varma Sinha, die Vorsitzende der indischen Eisenbahnbehörde, rief am Montag vor den Medien dazu auf, menschliches Versagen zu reduzieren, und fügte hinzu, dass landesweit ein Antikollisionssystem eingerichtet werde.

Am Dienstag wurde der Verkehr auf den betroffenen Strecken teilweise wieder aufgenommen, wobei einige Züge umgeleitet wurden und andere langsamer als üblich fuhren, so die Bahnbeamten.

(vatican news/reuters)

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20. Juni 2024, 09:12