Pax Christi: Schweizer Ukraine-Friedenskonferenz „ein Anfang“
Gerold König: Pax Christi hat sehr positiv auf die Initiative der Schweiz geblickt, wird doch dadurch deutlich, dass es eben nicht nur eine kriegerische Lösung dieses Konfliktes gibt, sondern dass auch auf dem Konferenzweg Lösungen erarbeitet werden können. Wir sagen zwar auch, dass der Begriff Friedenskonferenz andere Erwartungen geweckt hat, weil es letztendlich um einen Koordinierungsgipfel der 93 teilnehmenden Länder geht, in dem Fragen nach Sicherheit des Atomkraftwerks Saporischschja, der humanitären Unterstützung und der Auswirkungen auf den globalen Süden gingen. Aber es ist ein Anfang gemacht.
Ja, die Schweiz als neutraler Vermittler: ist die Idee der Friedenskonferenz mit dem Ziel, Friedensgespräche jetzt zwischen Russland und der Ukraine auf den Weg zu bringen, also letztendlich aufgegangen?
Gerold König: Wie gesagt, es ist ein Anfang gemacht, die Friedensforschung zeigt, das haben Institute wie zum Beispiel Inclusive Peace erarbeitet, dass die meisten zwischenstaatlichen Konflikte auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden und nicht durch kriegerische Siege oder Niederlagen. Damit das aber gelingen kann, sind umfassende Vorbereitung und Vertrauensaufbau notwendig. Zu diesem gegenseitigen internationalen Vertrauensaufbau hat die Schweiz eingeladen. Gut ist, dass Länder des globalen Südens mit dabei sind und gut ist vor allem, dass endlich gesprochen wird, wenn auch noch zunächst über andere Themen. Es liegt nun an Russland, sich am nächsten oder übernächsten Schritt in die Gespräche konstruktiv einzubringen.
Und dass Russland als Aggressor jetzt in der Schweiz nicht eingeladen war und China auch vorher seine Absage erteilt hat, das hat den Gesprächen letztendlich nicht geschadet?
Gerold König: Nein, auf keinen Fall. Eher im Gegenteil. Russland hat ja auf die Gespräche reagiert und Forderungen aufgestellt, deren Erfüllung utopisch ist. Russland ist noch nicht bereit, den Krieg zu beenden. Statt zu fordern, dass die Ukraine Gebiete, die derzeit noch nicht einmal durch Russland besetzt sind, aufgibt, könnte Russland den Krieg durch Rückzug auf sein eigenes Territorium doch sofort beenden und den Weg für Lösungen schon freimachen. Dadurch, dass Russland - auch wenn mit utopischen Forderungen - reagiert hat, zeigt sich doch, dass die Gespräche in der Schweiz wahrgenommen werden.
Pax Christi ist Mitglied des Bündnisses Stoppt das Töten in der Ukraine. Bereits Ende Mai hat dieses Bündnis gefordert, dass Russland in die Gespräche mit eingebunden wird. Russland hat die Einbindung zunächst abgelehnt. Aber das heißt doch nicht, dass das in Folgekonferenzen so bleiben wird. Am 23. Mai haben China und Brasilien aufgefordert, Prinzipien der Deeskalation einzuhalten und einen direkten Dialog zu führen sowie eine Friedenskonferenz abzuhalten, an der alle Parteien gleichberechtigt teilnehmen. Für alle künftigen Formate ist auch die Teilnahme von China aus unserer Sicht maßgeblich.
Die Friedensformel, die Präsident Selenskyj bereits auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos formuliert hatte, mit seinem Zehn-Punkte-Plan, war ja auch ein wichtiger Ausgangspunkt für die Konferenz jetzt im Bürgenstock. Das Abschlussdokument, unter anderem mit Anerkennung der territorialen Integrität der Ukraine, wurde schließlich von 80 der teilnehmenden Staaten unterschrieben. Lassen sich also auf dieser Basis weitere Friedensverhandlungen womöglich dann auch in Saudiarabien oder der Türkei anknüpfen?
Gerold König: Ja, auf jeden Fall. Eine andere Lösung sehe ich auch gar nicht. Völkerrechtlich ist es doch so, dass Russland aggressiv die Grenzen zur Ukraine überschritten und Territorium besetzt hat. Es wäre ein völlig falsches Signal, wenn die Ukraine ihre territoriale Integrität aufgeben würde. Das kann nicht die Friedenslösung sein. Die zehn Punkte, die Selenskyj benannt hat, sind wichtig, dass jetzt in der Schweiz eben nur vier Punkte abgearbeitet werden oder worden sind, ist das Signal, dass es weitergehen muss. Schritt für Schritt.
Je schneller es zu einem Waffenstillstand kommt und wirkliche Friedensverhandlungen eingeleitet werden, je weniger Menschen werden getötet und je weniger Infrastruktur wird zerstört. Andererseits ist die ukrainische Friedensformel nachvollziehbar und völkerrechtlich natürlich auch angemessen. Es ist wichtig, dass ein Friedensprozess eine Verhandlungslösung zum Ziel hat und nicht allein die vollständige Durchsetzung der Interessen der Ukraine. Pax Christi setzt sich mit allen Bündnispartnern dafür ein, dass dieser Krieg beendet wird und diplomatische Lösungen die Sicherheit und die Integrität der Ukraine wiederherstellen. Welche Zugeständnisse dazu notwendig sind, ist größtenteils auch Sache und Entscheidung der Ukraine. Sie wurde überfallen und besetzt, nicht Russland.
(Radio Horeb – gs)
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