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Hilarionkloster im Gazastreifen Hilarionkloster im Gazastreifen  (AFP or licensors)

Gazastreifen: Gefährdetes Kloster wird Weltkulturerbe

In der Frühzeit des Christentums war das Hilarionkloster eines der größten Klöster im Nahen Osten und ein Pilgerort, welcher seit der Wiederfindung 1997 erforscht und ausgegraben wird. Nun hat die UNESCO es in einem Eilverfahren zum Welterbe erhoben - und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass es durch den derzeitig tobenden Krieg schwer gefährdet sei.

Das Komitee der UNESCO hat am Freitag in Neu-Delhi entschieden, das Kloster auf die Liste des Weltkulturerbes zu stellen. Mit der zeitgleichen Aufnahme auf die Liste des gefährdeten Weltkulturerbes wolle man „sowohl den Wert der Stätte als auch die Notwendigkeit, sie vor Gefahren zu schützen" anerkennen, erklärte das Komitee der UN-Kulturorganisation am Freitag.

Der Entscheid bei deren Jahrestreffen fiel angesichts der Bedrohungslage im anhaltenden Gazakrieg in einem Dringlichkeitsverfahren. Die 195 Vertragsstaaten kamen überein, zum Schutz der Stätte beizutragen und Schritte zu unterlassen, die es direkt oder indirekt schädigen könnten, wie die UNESCO mitteilte. Die Überreste des Hilarionklosters, auch als „Tell Umm-el-Amr" bezeichnet, wurden 1997 bei Bauarbeiten südlich von Gaza-Stadt entdeckt. Gefunden wurden Reste von drei aufeinanderfolgenden Kirchen, die über einen Zeitraum von mehr als 400 Jahren um das Grab des heiligen Hilarion von Gaza errichtet wurden. Die Krypta ist in ihrer Größe und Ausstattung ohne Vergleich in der Levante. Zu den Funden gehören Mosaik- und Marmorböden sowie vier Baptisterien. Die Anlage aus dem 4. bis 9. Jahrhundert erstreckt sich über eine Fläche von 14.500 Quadratmetern.

Konflikt könnte zu Zerstörung führen

Im Januar warnten die Spezialisten, die im Auftrag der „EBAF", der von Dominikanern gegründeten „französischen biblischen und archäologischen Schule Jerusalem", mit den Ausgrabungen betraut sind, vor einem Schaden für die Stätte in Gaza. Die Ergebnisse von 28 Jahren Forschungsarbeit seien in Gefahr. Hintergrund war unter anderem ein später gelöschtes Video des Direktors der israelischen Antikenbehörde, Eli Escusido, auf der Plattform X. Es zeigte israelische Soldaten in dem Lagerhaus, in dem die französischen Archäologen ihre Funde archiviert und gelagert hatten. Die gelöschte Version endete laut Bericht der französischsprachigen franziskanischen Zeitschrift „La Terre Sainte" mit einem Foto und dem Kommentar „Ein kleiner Schaukasten wurde in der Knesset aufgestellt", was später dementiert wurde. Eine Beschlagnahmung von Artefakten wäre nach dem internationalen Haager Abkommen von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten verboten.

Das Hilarionkloster lag im 5. und 6. Jahrhundert an einer wichtigen Kreuzung der wichtigsten Handelsrouten. Anordnung und Ausbau der Stätte deuten laut dem verantwortlichen französischen Archäologen Rene Elter auf eine starke Zunahme von Taufen sowie einen christlichen Pilgertourismus hin. Mit der arabischen Invasion im 7. Jahrhundert wurden die Routen unsicher und der Ort verlor an Bedeutung. Obendrein zerstört ein Erdbeben die Anlage teilweise. Münzfunde aus islamischer Zeit deuten laut Elter daraufhin, dass Teile des Komplexes von Muslimen genutzt wurden. Grabfunde verweisen ferner darauf, dass es über einen gewissen Zeitraum ein Zusammenleben von Christen und Muslimen gegeben haben muss. Spätere Bewohner der Gegend verwerteten die Steine der Klosteranlage als Baumaterial weiter.

Hilarion von Gaza

Der Namensgeber des Klosters, Hilarion von Gaza, gilt als Begründer des einsiedlerischen Mönchtums in Syrien und Palästina. Nach der Überlieferung des heiligen Hieronymus, der 392 die Lebensgeschichte Hilarions verfasste, wurde dieser 291 in Tabatha bei Gaza geboren. Er studierte in Alexandria, ließ sich taufen und lebte zunächst in Ägypten und dann in der Wüste in der Nähe des heutigen Hafens von Gaza als Einsiedler. Schon zu seinen Lebzeiten entstand dort eine Mönchssiedlung.360 floh Hilarion vor der Verfolgung unter Kaiser Julian Apostata. Über Ägypten, Sizilien und Dalmatien kam er nach Zypern, wo er 371 starb. Ein Schüler brachte den Leichnam zurück in die Mönchssiedlung in Gaza. Im Zuge der Kreuzzüge sollen seine Gebeine in die südfranzösische Gemeinde Duravel gebracht worden sein. Dort wurde Hilarion als Mann Gottes und Wundertäter verehrt. 

Auch Weltkulturerbe in Deutschland

Zuvor hatte das Welterbekomitee bekannt gegeben, dass auch die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine in Deutschland, Großbritannien und den USA in die Welterbeliste aufgenommen worden sind. Gemeinsam mit dem bereits 2015 ausgezeichneten Christiansfeld in Dänemark sind die Bauwerke der evangelischen Glaubensgemeinschaft damit nun Teil des Menschheitserbes. Deutschland zählt damit 53 Welterbestätten.

Die frisch gekürte Welterbestätte erinnere daran, dass Bildung, Solidarität und Inklusion „für unsere Gesellschaften eine besondere Verpflichtung bleiben“, sagte Deutschlands Botschafterin bei der UNESCO, Kerstin Pürschel. Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Maria Böhmer, betonte, die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine stünden für den kulturellen und geistigen Austausch über Ländergrenzen und Kontinente hinweg. „Sie sind in Vielfalt vereint und damit ein Sinnbild für die Welterbeidee." Dass sich vier Staaten gemeinsam für diese Auszeichnung eingesetzt haben, sei ein starkes Zeichen.

Regionale Besonderheiten

Die Siedlungen der Herrnhuter wurden überall nach denselben Grundsätzen geplant und zeichnen sich nach den Worten der UNESCO dennoch durch regionale Besonderheiten aus. „Im einheitlichen Städtebau und der schlichten Architektur spiegeln sich die Ideale der Religionsgemeinschaft und ihre gemeinschaftsorientierte Lebensweise wider. Zur nun gekürten transnationalen Welterbestätte gehören die charakteristischen Siedlungen Christiansfeld in Jütland, Bethlehem in Pennsylvania, Gracehill in Nordirland und Herrnhut in Sachsen, wo die Siedlungsgeschichte im 18. Jahrhundert ihren Anfang nahm“.

Die evangelische Freikirche der Herrnhuter Brüdergemeine geht zurück auf Graf Nikolaus Ludwig Zinzendorf, der als sächsischer Hof- und Justizrat um mehr religiöse Toleranz warb und 1722 protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Mähren auf seinem Gut Berthelsdorf, rund 70 Kilometer von Dresden entfernt, Schutz bot. Der Zufluchtsort „unter des Herrn Hut“ in der Oberlausitz wurde so zur Keimzelle der Brüdergemeine.

Türen passen überall

Die dort entwickelten Prinzipien prägten die Siedlungen bis heute weltweit, so die UNESCO. „Viele Gotteshäuser der Gemeinschaft sind dem Herrnhuter Kirchensaal nachempfunden: Ohne Kanzel, ohne Altar, ganz in Weiß gehalten. Gepredigt wird nicht von oben herab.“ Auf dem Gottesacker, dem Friedhof der Stadt, symbolisierten einfache, flach auf dem Boden liegende Grabsteine die Gleichheit der Menschen vor Gott. Der Herrnhuter Barock habe einen betont schlichten Baustil hervorgebracht, der auch eine eigene Maßeinheit hervorbrachte, die die Brüdergemeine weltweit miteinander verbinde: „So passen Türen aus dem Berthelsdorfer Schloss problemlos in die Gebäude der Herrnhuter in den USA oder Dänemark.“

Residenzensemble Schwerin und Via Appia Antica ausgezeichnet

Ebenfalls zum Weltkulturerbe erhoben wurde das Residenzensemble Schwerin. Das gab das zuständige Komitee am Samstag in Neu-Delhi bekannt. Die Anlage, die das Schweriner Schloss und über 30 weitere historische Gebäude und Gärten umfasst, zeuge von der letzten Blüte höfischer Kultur und Schlossbaukunst im Europa des 19. Jahrhunderts, hieß es seitens der UNESCO. Das Ensemble ist die 54. Welterbestätte in Deutschland.

Mit der Via Appia Antica hingegen hat Italien seine 60. Welterbestätte erhalten. Das teilte die UNESCO am Samstag mit. Damit ist das Land Spitzenreiter unter den Ländern mit Welterbestätten.  

(kna/pm - schw)

Letzte Aktualisierung: Samstag, 27. Juli 2024, 14.00 Uhr

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27. Juli 2024, 11:35