Bischof Kräutler: „Wir haben nur diese Welt und keinen Plan B“
Für „Amazonas-Bischof“ Erwin Kräutler ist es Zeit zur Kenntnis zu nehmen, „dass wir nur diese Welt haben und es keinen 'Plan B' gibt“. Der 85-jährige Menschenrechtsaktivist betont im Interview mit dem „Rupertusblatt“ (aktuelle Ausgabe) die Dringlichkeit des Umweltschutzes und die Anerkennung der Rechte indigener Völker. Als dringend notwendig erachtete der emeritierte Bischof von Altamira-Xingu eine „Liebe zu unserer Mit-Welt“. Dazu gehöre auch, dass ältere Generationen die Anliegen der Jugend ernst nehmen „und ihre Demonstrationen nicht beschimpfen, sondern unterstützen“.
Kräutler, der am 12. Juli seinen 85. Geburtstag beging, zeigte Verständnis für die Ängste jüngerer Menschen: „Welche Perspektiven haben sie, wie sieht ihre Zukunft tatsächlich aus? Ich denke, diese ungewisse Realität muss uns 'ältere' Menschen doch ermuntern, die Anliegen der Jugend ernst zu nehmen (...)“.
Kampf für die Indigenen Völker
Seit 1965 lebt Kräutler in Brasilien, wo er sich für die Rechte der indigenen Völker und den Umweltschutz einsetzt und weshalb er für diesen Einsatz im Jahr 2010 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Beides, Umweltschutz und Rechte Indigener, gehöre zusammen, da Indios der westlichen Welt haushoch überlegen seien, „in der Art und Weise, wie sie mit der Natur umgehen“. „Dom Erwin“, wie Kräutler in seiner Wahlheimat Brasilien genannt wird, war u.a. 17 Jahre lang Vorsitzender des bischöflichen Rates für Indigene Völker.
Als eines seiner größten Erfolgserlebnisse bezeichnete er die Verankerung der Indigenen-Rechte in der Verfassung im Jahr 1988. Der Schritt von den Verfassungsparagrafen in die konkrete Wirklichkeit sei jedoch nicht vollends geschehen, meinte Kräutler. Als Grund nannte er die „mehrheitlich anti-indigenen Abgeordnete und Senatoren“ im Kongress. Doch auch eine der schönsten Begegnungen hatte er in seinem Kampf für die Indigenen so berichtet er: „aus der Zeit, als ich aufgrund meines Einsatzes für die immer wieder missachteten Menschenrechte der Indios und der armen Bevölkerung unmissverständliche Drohungen erhielt. Hier in Porto de Moz, wo ich in diesen Tagen wieder bin, kam vor dem Schlusssegen der Messe plötzlich eine Frau zum Altar, nahm mir das Mikrofon aus der Hand und sagte: ´Dom Erwin, wir wissen, wie es dir geht, aber lass dich nicht einschüchtern. Du weißt, dass wir dich lieben. Du gehörst uns!´. Und es gab Tränen und tosenden Applaus.“
Mahnung zu Reformen in der Kirche
An seiner schon seit Jahrzehnten geäußerten Kritik am streng hierarchisch gegliederten System der katholischen Kirche hielt der aus Vorarlberg stammende Ordensmann der Missionare vom Kostbaren Blut weiter fest. Die aktuell laufende Welt-Synode über Synodalität nannte Kräutler wörtlich eine „Mammut-Synode“, die aber den Impuls für ein ganz neues Verständnis von Kirche geben könnte. Aktuell sei es aber schwer, „eine Kirche als synodale Gemeinschaft mit synodaler Teilhabe aller Christenmenschen und mit einer synodalen Sendung aller in die Welt von heute zu verstehen und zu etablieren“.
Veränderungen benötige die Kirche auch in ihrem Verhältnis zum Reizwort „Geschlechtergerechtigkeit“, so Kräutler. Solange Frauen, die mehr als die Hälfte aller katholischen Gläubigen ausmachen, „aufgrund ihres 'Frau-seins' von der Weihe ausgeschlossen sind, wird es nie echte Synodalität geben“, zeigte sich der Geistliche überzeugt.
Beziehungen zur österreichischen Heimat
Der aus Vorarlberg stammende Ordensmann der Missionare vom Kostbaren Blut war von 1981 bis 2015 Bischof von Altamira-Xingu, der mit 350.000 Quadratkilometern damals flächenmäßig größten Diözese Brasilien. Trotz seiner 59 Jahre im Ausland sei er mit Vorarlberg und auch Salzburg eng verbunden geblieben, betonte Kräutler. Konkret nannte er seine enge Verbindung zum Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher, aber auch den aktuellen Erzbischof Franz Lackner kenne er, und seine Studienjahre in der Landeshauptstadt.
In Salzburg ist auch eine Auszeichnung nach ihm benannt, der „Erwin-Kräutler-Preis für kontextuelle Theologie, interreligiösen Dialog und befreiungstheologische Forschung“. Die Vergabe des Preises, die erstmals im Jahr 2011 erfolgte, resultiert aus der Verleihung des Ehrendoktorats der Universität Salzburg an Erwin Kräutler im Jahr 2009. Der Preis wird seither alle zwei Jahre vom „Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen“ der Universität Salzburg vergeben. Er ist mit 3.000 Euro dotiert. Im Jahr 2023 hat die brasilianische Theologin und Franziskanerin Ivoneide Viana de Queiroz den Preis bekommen. Sie hat als eine der Ersten in ihrer Dissertation die außerordentlich bedeutende Rolle der Frauen in der Kirche im brasilianischen Amazonasgebiet sichtbar gemacht. Für diese Pionierarbeit wurde sie ausgezeichnet.
(kap/ruprechtblatt - schw)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.