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Indonesien feiert den Unabhängigkeitstag in der neuen Hauptstadt von Nusantara Indonesien feiert den Unabhängigkeitstag in der neuen Hauptstadt von Nusantara  (ANSA)

Mega-Projekt: Indonesien verlegt Hauptstadt in den Dschungel

Die Verwaltungshauptstadt des Landes wird von Jakarta, einer der dichtbevölkertsten und am stärksten verschmutzten Städte der Welt, in den Dschungel von Borneo verlagert. Indonesiens Regierung will mit der neuen Hauptstadt Nusantara nicht nur Entlastung für die überforderte Metropole schaffen, sondern auch ein Zeichen für Nachhaltigkeit und Innovation setzen. Bald wird der Papst Indonesien besuchen.


Delphine Allaire - Vatikanstadt

Indonesien wagt den Schritt: Die Regierung hat beschlossen, ihre Verwaltungshauptstadt von Jakarta auf der Insel Java nach Nusantara auf Borneo zu verlegen. Das Projekt, das ein Drittel der Größe von Berlin umfasst, wird nicht nur als notwendige Antwort auf die Überbevölkerung und die Umweltprobleme Jakartas gesehen, sondern auch als symbolischer Schritt in die Zukunft des Landes. Die Einweihung der neuen Hauptstadt, geplant für den 17. August 2045, wird der Auftakt zu einem langjährigen Vorhaben sein, das mit einem Budget von 32 Milliarden US-Dollar ausgestattet ist.

Zum Nachhören - was in Indonesien geplant ist

Es sei ein starkes Zeichen für den Archipel mit 17.000 Inseln, den der Papst vom 3. bis 6. September besuchen wird, und zwar auf dreierlei Weise: wirtschaftlich, technologisch und ökologisch. Manuelle Franck, Spezialistin für städtische und regionale Geographie Südostasiens und Präsidentin des Inalco bis 2019, entschlüsselt die Situation. Wir führten ein Gespräch mit ihr.

„Die Insel Borneo ist dünn besiedelt...“

Sie sagt uns: „Der ausgewählte Ort gehört zur östlichen Provinz Kalimantan, dem Teil von Borneo, der zu Indonesien gehört, während der andere Teil Malaysia und das Sultanat Brunei umfasst. Die Region ist sehr reich an natürlichen Ressourcen - Erdöl, Kohle, Mineralien, Holz - und hat industrielle Plantagenaktivitäten für Zellstoff und Eukalyptus entwickelt. Die Insel Borneo ist dünn besiedelt und zählt nur 3,7 Millionen Einwohner, was weniger als 1,5 Prozent der indonesischen Bevölkerung entspricht. Sie verfügt über viel Platz und Grundbesitz.“

Dennoch sei die Insel Borneo demografisch recht dynamisch, weil sie eine Bevölkerung anziehe, die zur Arbeit auf den Plantagen und in den Minen kommt. Daher weist es einen positiven Wanderungssaldo auf: ein Plus von 1 Million Menschen zwischen 2010 und 2020. Eine Million Binnenmigranten in Indonesien sei bei einer Gesamtbevölkerung von 3,7 Millionen eine ziemlich große Zahl, so Franck:

„In Wirklichkeit ist der Wald dort zweitrangig...“

„Das Bild der Insel Borneo ist das eines tropischen Regenwaldes, einer der grünen Lungen Indonesiens. In Wirklichkeit ist der Wald dort zweitrangig, viel besteht aus industriellen Plantagen, aber die Insel profitiert trotzdem von mehreren internationalen Programmen, insbesondere zum Schutz der Artenvielfalt. Auf dem Gelände, auf dem die neue Hauptstadt gebaut werden soll, gibt es noch erhebliche Flächen geschützter Primärwälder und Mangrovenwälder, die sich entlang von Wasserläufen entwickeln. Diese Gebiete sind von der Zerstörung bedroht.“

Die Notwendigkeit eines Umzugs: Jakarta am Rande des Kollapses

Jakarta, eine Megastadt mit 12 Millionen Einwohnern, leidet unter chronischer Überlastung. Verkehrsinfarkte, ständige Überschwemmungen und eine bedrückende Luftverschmutzung gehören zu den größten Herausforderungen. In der Regenzeit verwandeln sich viele Teile der Stadt in eine sumpfige Ebene, die durch das ständige Absinken des Bodens zusätzlich belastet wird. Diese Bedingungen machen Jakarta zunehmend unbewohnbar und führen zu extremen urbanen Stressfaktoren.

Die Bodenabsenkung, verursacht durch den exzessiven Bau von Hochhäusern und die übermäßige Nutzung von Grundwasser, trägt dazu bei, dass Teile der Stadt bis zu 20 Zentimeter pro Jahr absinken. Diese alarmierende Entwicklung, gepaart mit den Klimabedingungen und der geologischen Lage Jakartas, machen die Verlagerung der Hauptstadt zu einem notwendigen Schritt.

Ein Zeichen der Entlastung und des Wachstums

Java, die am dichtesten besiedelte Insel Indonesiens, beherbergt 56 Prozent der Landesbevölkerung auf nur 7 Prozent der Landesfläche. Mit der Verlegung der Hauptstadt auf die vergleichsweise dünn besiedelte Insel Borneo soll nicht nur das Bevölkerungswachstum Javas entlastet, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung in den östlichen Landesteilen vorangetrieben werden. Nusantara wird im Zentrum von Indonesien liegen und so als Brücke zwischen dem wirtschaftlich dynamischen Westen und dem ärmeren, weniger entwickelten Osten des Landes dienen.

Nusantara: Eine Hauptstadt der Zukunft

Nusantara soll eine Stadt im Einklang mit der Natur werden. Der Masterplan des Projekts sieht vor, dass 75 Prozent der Stadt aus Grünflächen bestehen. Nusantara wird als „grüne Hauptstadt der Zukunft“ bezeichnet, die ökologische Nachhaltigkeit mit technologischer Innovation verbindet. Es handelt sich um eine „Regenwaldstadt“, die die neuesten digitalen Technologien nutzt, um eine emissionsarme, energieeffiziente und umweltfreundliche Umgebung zu schaffen. Die Stadt wird nicht nur in den Dschungel integriert, sondern soll auch dazu beitragen, den umliegenden Regenwald zu schützen und zu revitalisieren.

Doch die Realisierung dieses ehrgeizigen Vorhabens ist nicht ohne Herausforderungen. Die Abholzung von Primärwäldern und Mangroven zur Errichtung der neuen Hauptstadt hat bereits Bedenken von Umweltschützern hervorgerufen. Der Bau von Infrastrukturen wie Straßen und Bahnlinien könnte empfindliche Ökosysteme beeinträchtigen und das Habitat von endemischen Tierarten gefährden.

Herausforderungen und Widerstände

Neben den ökologischen Bedenken gibt es auch soziale Herausforderungen. Die Verlegung der Hauptstadt hat Landrechtskonflikte hervorgerufen, da die Landenteignung für den Bau der Stadt einige indigene Gemeinschaften betrifft, die in der Region seit Generationen leben. Viele dieser Gemeinden besitzen keine offiziellen Landtitel, was sie besonders anfällig für Enteignungen macht.

Darüber hinaus stellt der Bau einer komplett neuen Stadt inmitten des Dschungels auch logistische Herausforderungen dar. Bis zu 13.000 Arbeiter, viele von ihnen aus Java, sind bereits auf der Baustelle tätig und arbeiten unter oft schwierigen Bedingungen. Der Bau umfasst neben Regierungsgebäuden auch Wohnanlagen für die künftigen Beamten, die in den kommenden Jahren nach Nusantara umziehen werden.

Ein Blick in die Zukunft

Indonesien geht mit der Verlegung seiner Hauptstadt ein einzigartiges und gigantisches Wagnis ein. Nusantara steht für einen neuen, nachhaltigen Urbanismus, der die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden versucht. Ob diese Vision Realität wird, hängt jedoch von der Fähigkeit der Regierung ab, die ökologischen und sozialen Herausforderungen zu meistern, die mit einem solch epischen Projekt einhergehen.

Die Welt schaut gespannt auf Indonesien, während das Land seinen Weg in eine grünere, technologisch fortschrittlichere Zukunft beschreitet. Der Erfolg von Nusantara könnte nicht nur für Indonesien, sondern auch für andere Länder ein Modell sein, wie Städte der Zukunft gebaut und entwickelt werden können.

(vatican news - mg)

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20. August 2024, 10:54