Israeli und Palästinenser: „Zukunft hängt von Respekt ab"
Benedetta Capelli und Stefanie Stahlhofen - Rimini/Vatikanstadt
Die Fotos der Töchter der beiden, Abir und Smadar, wurden diesen Sonntag auf die Bühne des Treffens in Rimini projiziert. Es sind kleine Mädchen, die sich in der Frische ihres Alters ähneln, beide haben ihr Haar zurückgebunden, ihr Blick ist tief. Smadar, 13, wurde von einem palästinensischen Selbstmordattentäter im Zentrum Jerusalems getötet; Abir, 10, wurde vor ihrer Schule von einem jungen israelischen Soldaten erschossen. Ein ähnliches Schicksal, tragisch, gewaltsam, sogar unerklärlich und leider auf den israelisch-palästinensischen Konflikt zurückzuführen. Ihre Familien haben, wie so viele andere, getrauert und gelitten - und sind heute Zeugen für Frieden und Versöhnung. Rami Elhanan und Bassam Aramin engagieren sich seit Jahren in der Vereinigung „The Parents Circle“, die 1995 auf Initiative von Isaac Frankenthal gegründet wurde, dessen Sohn Arik von der Hamas nahestehenden Terrorgruppen entführt und getötet worden war. Am Freitag (23. August) stellte Colum McCann, Autor des Romans „Apeirogon“ in Rimini sein Buch vor, in dem er vom gemeinsamen Schmerze und dem Engagement für eine andere Zukunft berichtet. Es ist eine der bewegendsten Begegnungen unter den 140 der einwöchigen Veranstaltung an der Adria. Der Auftritt steht für die Suche nach dem Wesentlichen, dem Thema und dem Kern so vieler Überlegungen, Gespräche und Begegnungen in Rimini.
Zwischen Hass und Vergebung
Bassam Aramin, Palästinenser, erzählt von dem Moment, in dem er seine Perspektive änderte. „Ich war im Gefängnis und wollte mir zur Unterhaltung einen Film über den Holocaust ansehen. Für mich war es eine Art Rache, ich wollte sehen, wie andere gefoltert und getötet werden, aber stattdessen fing ich an zu weinen. Ich verstand, dass es sich um unschuldige Menschen handelte: Dieser Film hat mich nach 25 Jahren dazu gebracht, eine Doktorarbeit über den Holocaust zu schreiben, um die Angst in der jüdischen Mentalität zu verstehen“. Seinen Feind zu kennen, bedeutet, ihn zu verstehen: Das ist der erste Schritt, sagt Bassam, sich zusammenzusetzen und zu reden. Es sei nicht einfach, Palästinenser zu sein, vor allem unter israelischer Besatzung, und man müsse dem ein Ende setzen, damit man sich nicht ständig selbst umbringe. „Die Hamas“, erklärt Aramin, „vertritt nicht das palästinensische Volk, sondern ist ein Teil der Palästinenser. Unterdrückung erzeugt Widerstand, und diese Situation hat sich seit Jahrzehnten nicht geändert, sie erzeugt nur mehr Leid, mehr Opfer, die israelische Regierung muss das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung anerkennen“.
Risse in der Mauer
Der Israeli Rami Elhanan setzt sich für Geschwisterlichkeit ein. „Um Liebe auszudrücken“, sagt er, „muss man keinen Kummer erleben, um zu verstehen, man muss nicht an unserer Stelle sein. Viele Eltern, die erlebt haben, was wir erlebt haben, wollen sich rächen. Es gibt wütende Menschen, die in einem Kreislauf der Gewalt gefangen sind, andere sterben allein, aber wir sind hier, wir sind real, wir sind ein konkretes Beispiel“. Rami berichtet von dem Erstaunen vieler israelischer und palästinensischer Kinder, wenn er und Bassam ihr Zeugnis der Freundschaft und des Respekts in die Schulen bringen. „Sie sehen uns mit weit aufgerissenen Augen an, es ist, als würde die Erde vibrieren und als würde man den Schlund eines aktiven Vulkans betreten: Ein Strom von Blut fließt zwischen unseren beiden Nationen und oft ändert sich alles, wenn sie hören, dass wir uns Brüder nennen, wenn ich ein paar Worte auf Arabisch sage und Bassam auf Hebräisch spricht. Es ist, als ob man sieht und hört, wie die Risse in einer Mauer zerbröckeln und das Licht hindurchkommt“.
Es braucht Respekt
Sowohl Rami als auch Bassam erinnern sich intensiv an ihr Treffen mit Papst Franziskus im Vatikan am 27. März 2024 und berichten von seiner Rührung beim Anblick der Fotos ihrer Mädchen. Zum Abschluss des Treffens sagt der Israeli Rami Elhanan, er habe keinen Grund, die Hamas zu lieben. „Die Hamas hat meine Tochter getötet“, sagt Rami, betont aber, dass die Ereignisse vom 7. Oktober die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wieder auf die israelisch-palästinensische Frage gelenkt haben. „Ich kenne die Lösung nicht, aber ich weiß, dass unsere gemeinsame Zukunft von einem Wort abhängt: Respekt!“. Respekt, der mit der Anerkennung des palästinensischen Staates einhergeht, sagt Rami. „Die Besatzung muss ein Ende haben und wir müssen ein neues Kapitel in unserer Geschichte aufschlagen.“
Das Rimini-Treffen
Das stark katholisch geprägte „Meeting von Rimini für die Freundschaft unter den Völkern“ wird seit Ende der siebziger Jahre in der Stadt an der Adria durchgeführt. Es bietet eine Woche lang wichtigen Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft ein Forum und erinnert entfernt an die Katholikentage, die in Deutschland seit 19. Jahrhundert durchgeführt werden.
(vatican news - sst)
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