Singapur: „Wir sind die Glücklichen“
Anne Preckel – Singapur
Der chinesisch aussehende Taxifahrer fährt zügig an den Wolkenkratzern von Marina Bay vorbei, ist redselig und fängt an zu plaudern. „Der Papst ist eine der wichtigen Figuren in der Welt, er ist gesegnet. Viele Leute kommen her, um einmal in ihrem Leben den Papst zu sehen!“, kommentiert er die Ankunft des Gastes aus Rom. „Wir haben hier Katholiken, Buddhisten, Muslime, Hindus, alle Religionen. Aber wir leben friedlich zusammen. Und wissen Sie auch warum? Weil wir unseren Kindern in der Schule beibringen, wie man sich gegenseitig respektiert, egal, welche Hautfarbe oder Religion du hast“, sagt er und verrät, dass er selber Katholik sei. Leute aus aller Welt lebten in Singapur, aus Südamerika, Asien und Europa. Nur aus Afrika und dem Mittleren Osten sei kaum jemand da, er wisse nicht so recht warum.
Diskretion der Religionen
Hohe Löhne und niedrige Steuersätze lockten viele Ausländer nach Singapur, erzählt er weiter. Darunter sind Unternehmer, aber auch viele Migranten, die in der „Löwenstadt“ ihr Glück suchen. Er selbst sei Nachfahre chinesischer Einwanderer in dritter Generation. Mit Blick auf den Papstbesuch, der an diesem Mittwoch in Singapur gestartet ist, seien viele Leute angereist, etwa aus Malaysia und Thailand. In Singapur gebe es tausende von Bethäusern, erzählt er stolz, überall sind Moscheen, Hindutempel, Buddhistentempel wie auch Kirchen zu sehen.
„Wir predigen den Leuten: An deinem heiligen Ort kannst du alles sagen, aber wenn du rauskommst, sprich‘ nicht drüber. Am wichtigsten: sprich nicht über andere Religionen, sag niemals, mein Gott ist besser, sonst kriegt man eine Menge Probleme“, sagt er und lacht. „Wissen Sie, im westlichen Kontext reden die Leute viel von Redefreiheit. Ich frage dann: Rede von was? Wenn sie mir sagen: Reden über Religion, sag ich nein. Wenn du Leuten da Freiheit gibst, reden sie schlecht über die Religion anderer. Und das kostet am Ende Leben.“
Was ist das Geheimnis?
Ist Diskretion das Geheimnis des interreligiösen Friedens in Singapur, das sich als säkularer Staat versteht? Viele kritisierten den Stadtstaat oft als „striktes Land“, wirft der Taxifahrer ein. Er selbst sehe das anders. „Solange du eine normale Person bist und das Gesetz nicht brichst, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Nur für den Fall, dass Leute bösen Absichten haben, dann müssen wir sie bestrafen“, wird seine Stimme lauter. „Wenn man aber ein guter Mensch ist, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Das strenge Gesetz schützt mich!“
Ein sicheres Terrain
Es schützt, und es bestraft auch, bisweilen mit dem Tod. Zur Todesstrafe, die in Singapur in diesem Jahr schon mehrmals vollstreckt wurde, hat der Mann auch klare Ansichten. Es sei bekannt, dass in Singapur bestimmte Vergehen hart bestraft würden, etwa der Handel mit Drogen. „Die Regierung hat da eine Null-Toleranz-Politik, das weiß man. Wenn Leute Drogen haben und wir diese Leute kriegen, ist das Spiel vorbei.“ Seine Stimme ist wieder laut. „Drogen sind die Mutter aller Übel. Wenn Sie reich sind, können Sie die vielleicht nehmen, dann ist Geld nicht das Problem. Beim meisten Drogenmissbrauch ist das aber nicht der Fall“, ist er überzeugt. „Wenn die nicht arbeiten, wie sollen sie da Geld verdienen? Wissen Sie, ich bin mit unseren Gesetzen hier zufrieden.“
Er holt dann etwas aus, um zu erklären, warum die Gesetze so streng sind. Als der Gründervater der Republik Singapur Lee Kuan Yew 1965 erster Premier wurde, habe er Investoren angelockt und das Land sicher gemacht. Davor sei die Lage anders gewesen: „Als mein Großvater nach Singapur kam, war Singapur noch ein Dschungel, ein Fischerdorf. Es hat ja keinerlei natürliche Ressourcen“, berichtet sein Enkel über die ehemalige britische Kolonie. Diese war nach Ende der japanischen Besatzung kurzzeitig Teil der Föderation Malaya (1963-1965), von der es sich 1965 löste und als Republik Singapur hervorging, die mit dem Commonwealth verbunden war.
Staatsgründung
„Die Briten erlaubten Lee Kuan Yew und seiner Partei, Singapur zu regieren. Als wir aus Malaya ausschieden, hat er im Fernsehen geweint. Und warum? Weil wir nicht überleben würden, denn wir haben keine Ressourcen. Die Briten unterstützen in Singapur ja 40 Prozent der Wirtschaft, und die Queen entschied, die Truppen zurückzuziehen. Warum also ist unser Gesetz so streng? Lee Kuan Yew ist in der ganzen Welt herumgeflogen und hat mit reichen, erfolgreichen Businessleuten gesprochen, die er einlud, in Singapur zu investieren. Neben Steuerfreiheit hat er ihnen Sicherheit versprochen – das ist der Grund für die strengen Gesetze.“
Singapur gilt als eines der sichersten Reiseziele der Welt. „Sie sind eine Frau, und es ist kein Problem, hier nachts alleine rumzulaufen“, wendet er sich an mich. „Welches Land in Europa erlaubt es Frauen und sogar Kindern, nachts alleine auf der Straße herumzulaufen? Das ist die Freiheit, nach der wir alle suchen. Und schauen Sie mal, hier überall sind Kameras. Da sagen einige Leute, meine Privacy wird verletzt. Ich sage ihnen: die Sicherheitsleute werden dich nur ansehen, wenn hier was passiert. Wenn hier jemand was anstellt, wird er innerhalb eines Tages festgenommen.“
Und wie war das noch mit den Kaugummis? Als er klein war, seien diese noch erlaubt gewesen, berichtet der Taxifahrer. Aber irgendwann sei jemand auf die Idee gekommen, Kaugummis an die U-Bahntüren zu kleben, schimpft er: „Zwei Mal in einer Woche ist das passiert. Zwei Mal!“ Die Leute wüssten nicht, was sie da tun. Das habe der Regierung nicht gefallen, die ein „sauberes Land“ wünscht, und prompt gab es ein Verbot. „Singapur ist eines der saubersten Länder der Welt“, so der Fahrer stolz. Premierminister in Sigapur ist heute Lawrence Wong, der auf Lee Hsien Loong, den Sohn des Staatsgründers folgte.
Urbanisierung und ökologische Wende
Religionsfrieden, Sicherheit, öffentliche Ordnung und Sauberkeit. Ist Singapur ein Traum? „Ich sage immer: wir sind die Glücklichen, wir sind wirklich die Glücklichen“, schwärmt der Taxifahrer. „Unser Premier war ein großer Mann, wie in Südafrika Nelson Mandela. Denn die Politiker der Welt sorgen sich nicht um die Menschen. Leute aus unseren Nachbarländern in Südostasien sagen mir alle, ihr habt so ein Glück. Singapur war das Baby von Lee Kuan Yew, wissen Sie. Im Übrigen, diese Straße hier, die war vor 40, 50 Jahren noch Meer“, erklärt er nebenbei und biegt ab.
Das Loblied hat noch kein Ende. Kürzlich sei der indische Premier im Land gewesen. Narendra Modi habe zwei Dinge wissen wollen: „Wie unser Halbleiterindustrie funktioniert. Denn Sie wissen ja, viele Komponenten brauchen heute Halbleiter, Chips. Und die zweite Sache, die er wissen wollte: Müllentsorgung. Viele Städte haben ja ein Müllproblem, die wissen nicht, was sie damit machen sollen. Hier wir der recycelte Müll genutzt, um Land aufzufüllen“, informiert der Taxifahrer. Bis 2030 will Singapur seinen Recyclinganteil auf 70 Prozent hochfahren und zu einer „Zero Waste Nation“ werden, ist zu hören. Auch die radikale ökologische Wende strebt der asiatische Stadtstaat an, einfach vorbildlich, scheint es.
Die Sache mit dem Kaugummi hat dem Taxifahrer keine Ruhe gelassen. „Ich muss Sie korrigieren“, sagt er mir später noch: „Medizinische Kaugummis sind in Singapur erlaubt, auf Rezept vom Arzt.“
(vatican news – pr)
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