Hospitalorden: Im Dienst der Menschlichkeit
Patricia Ynestroza und Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Der Welttag der seelischen Gesundheit 2024 steht unter dem Motto: „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“. Im Interview mit Radio Vatikan berichtet Sr. Idília Carneiro über die Erfahrung, die die Schwestern des Hospitalordens im Dienst an seelisch Kranken machen.
Sr. Idília Carneiro ist die Generalobere der Hospitaliterinnen, einer Ordensgemeinschaft, die sich der Versorgung von Kranken und Notleidenden widmet. Nach dem Generalkapitel im vergangenen Mai steht der Hospitalorden vor der Herausforderung, seine Identität und Präsenz im Gesundheitswesen zu bewahren, indem er sich mit den komplexen Problemen auseinandersetzt, die psychische Erkrankungen und psychisches Leid mit sich bringen.
Von psychisch Kranken lernen
Wie die Generalobere betont, zeigen gerade psychisch Kranke oft eine große Sensibilität. So könne man von ihnen beispielsweise lernen, aufmerksamer zu sein für die Bedürfnisse anderer: „Und das kann ein sehr bereicherndes Zeichen für die Gesellschaft sein, in der wir leben, in der der Individualismus überall immer mehr Raum einnimmt: Die Kranken helfen uns, menschlicher zu sein - Menschen zu sein, die das Leben so leben, wie es ist, und sich darauf verstehen, die kleinen Dinge des Alltags zu schätzen.“
Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
Das diesjährige Motto „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ beleuchte eine große Sorge unserer Zeit, so Sr. Idília: nämlich die, dass die Arbeit mit dem Stress und den Anforderungen, die sie mit sich bringt, zu einer „Dekonstruktion“ des Menschen führe und weiteren Stress erzeuge.
Für die Ordensfrau besteht die größte Herausforderung darin, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen der Arbeit, die auch eine Dimension der Persönlichkeitsentfaltung und der Sinnfindung habe. Die größte Herausforderung in Sachen psychischer Gesundheit liegt laut der Generaloberen darin, „dass uns der Lebensrhythmus über die Arbeit hinaus hilft, uns als Personen zu fühlen und nicht umgekehrt. Ich würde sagen, dass es nicht nur um die Arbeit und die geistige Gesundheit geht, sondern darum, wie uns alles, was wir erleben, dabei hilft, unsere ganzheitliche Gesundheit zu kultivieren.“
Im Namen der Solidarität
Die in den Krankenhäusern tätigen Schwestern helfen Menschen, die unter Depressionen leiden - was in schwierigeren Fällen auch eine ambulante Behandlung erforderlich machen kann –, und unterstützen junge Menschen mit Persönlichkeitsstörungen oder Abhängigkeiten wie Computer- und Internetsucht. Die Kongregation befasst sich auch mit Hirnverletzungen und -schäden, einschließlich der Behandlung von Tumoren neurologischen Ursprungs, sowie mit allen Aspekten des Rehabilitationsprozesses, einem Bereich, dem große Bedeutung zukommt. Im Bereich psychische Gesundheit wird immer mehr Hilfe benötigt: das geht über die Behandlung von Angstzuständen und die Betreuung im Falle von Selbstmordversuchen, bis hin zur Unterstützung von jungen und alten Menschen, die das Gefühl haben, dass ihr Leben keinen Sinn mehr hat.
Die Kongregation ist auch im Bereich der Palliativpflege tätig; begleitet Patienten und ihre Familien, damit sie auch in dieser schmerzhaften Zeit des Lebens nicht die Hoffnung verlieren. Die Arbeit des Hospitalordens umfasst auch Sensibilisierung, Ausbildung und Prävention in den Bereichen Rehabilitation und Wiedereingliederung, um eine integrativere Kultur und Gesellschaft für Menschen zu schaffen, die zwar von Verletzlichkeit gezeichnet sind, aber dennoch mit ihrer Menschlichkeit und Sensibilität einen großen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten können.
Das Treffen mit Papst Franziskus
Im vergangenen Mai haben die Hospitaliterinnen im Rahmen ihres Generalkapitels auch Papst Franziskus getroffen. Wie sich Sr. Idília erinnert, habe sie der Papst aufgefordert, den „heiligen Wahnsinn der Liebe“, der ihre Kongregation schon seit ihren Anfängen ausgezeichnet habe, weiter zu leben. Franziskus riet ihnen auch, die „Kühnheit des Dienstes und der Liebe zu den Kranken zu kultivieren, und sich dabei stets von Freude und Hoffnung leiten zu lassen.“
Eine Umarmung, die heilt und Gemeinschaft schafft
Das Programm der Kongregation, der Sr. Idília Carneiro seit Mai dieses Jahres als Generalobere vorsteht, steht ganz im Zeichen der Barmherzigkeit, „einer Umarmung, die heilt und Gemeinschaft schafft“. Angesichts der Universalität der Kongregation muss die Barmherzigkeit als grenzenlose Liebe verstanden werden. Die Schwestern des Hospitalorden verfügen über Einrichtungen in 25 Ländern, ihre Präsenz ist also universell und heterogen: eine Mission, die das samaritanische Gesicht der Kirche sichtbar macht. Und das ist auch das Modell, das sich die Kongregation bei der Betreuung von Menschen mit psychischen Leiden zu Herzen nimmt.
Den Menschen in all seinen Dimensionen sehen...
Es ginge darum – so die Generalobere – „den Menschen in all seinen Dimensionen zu sehen, ihm in besonderer Weise beizustehen und seine Würde als Kind Gottes anzuerkennen: eine Würde, die uns verpflichtet, psychisch Kranken zu helfen, damit sie sich als Personen anerkannt fühlen. Für uns ist der kranke Mensch der theologische Ort, an dem Gott uns befragt und an dem wir mit ihm sprechen“.
Die evangelisierende Kraft der Barmherzigkeit
Gerade in einer so individualistischen Welt wie der unseren ist es wichtig, die Barmherzigkeit zu pflegen, diese „evangelisierende Kraft“, die die Sendung des Hospitalordens beseelt. Eine Sendung, die von den knapp 3.000 Schwestern, Mitarbeitern und Laien auf der ganzen Welt, auch weiter vorangetrieben wird.
(vaticannews – skr)
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