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Bei einem Angriff im Libanon wurden am 13. Oktober auch Rotkreuz-Helfer verletzt  Bei einem Angriff im Libanon wurden am 13. Oktober auch Rotkreuz-Helfer verletzt   (ANSA)

Libanon: Christen bleiben an der Seite Notleidender

Die von den Schwestern vom Guten Hirten geleitete Krankenstation Saint Antoine im östlichen Beiruter Viertel Jdeideh hat wegen der ständigen Bombardierungen auf Notfallhilfe umstellen müssen. Die Hilfsbedürftigen und Mitarbeiter, die hierher kommen, riskieren dafür ihr Leben, berichtet uns Sr. Hanan Youssef, die Leiterin der Einrichtung.

Marco Guerra und Christine Seuss - Vatikanstadt

Auch im Libanon wird die Lage der durch die Bombardierungen vertriebenen Menschen und der Zivilbevölkerung im Allgemeinen immer dramatischer. Hinzu kommen Flüchtlinge aus anderen Ländern, die im Libanon vor Terror und Krieg in ihrer eigenen Heimat Schutz gesucht hatten. Unter dem Krieg leidet auch die von christlichen Organisationen geleistete medizinische und soziale Hilfe, die immer komplizierter wird. Vor allem in der Hauptstadt Beirut kommen zu den Tausenden von syrischen Flüchtlingen, die seit Jahren im Land Zuflucht suchen, noch die Obdachlosen hinzu.

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Sr. Youssef: Wir riskieren jeden Tag unser Leben

Einen Einblick in diese schwierige soziale Situation bietet das Zeugnis der Schwestern der Kongregation Unserer Lieben Frau von der Liebe vom Guten Hirten („Schwestern vom Guten Hirten“), die die Krankenstation St. Antoine im Stadtteil Roueisset-Jjdeideh in Beirut betreiben. Mit dem Beginn der Bombardierung sei die Versorgung der Bevölkerung völlig zusammengebrochen, sagt uns Schwester Hanan Youssef, die Leiterin der Krankenstation: „Wir befinden uns in einem Gebiet mit einer schiitischen Mehrheit, der Gemeinschaft, die von den Bombardierungen betroffen ist, und das beunruhigt uns sehr, es gibt viele Spannungen“, so die Ordenfrau. Das Gesundheitspersonal wie auch die Ärzte riskierten „jeden Tag ihr Leben“, um zur Arbeit zu kommen, doch auch die Patienten, die aus der ganzen Stadt in das kleine Gesundheitszentrum kommen müssen, „weil es kein anderes Zentrum gibt, das ihnen Medikamente geben oder Notfalluntersuchungen durchführen kann“, berichtet Sr. Youssef. Sie betont, dass nur noch Notfälle und die Verteilung von dringenden Arzneimitteln abgewickelt werden können, andere Gesundheitsleistungen, wie beispielsweise Kinderimpfungen, seien im Moment nicht möglich: „Wir werden von Menschen überschwemmt, die um Notfallbesuche und Medikamente bitten. Das ist Überleben, nicht Leben!“, bricht es aus ihr heraus.

Beirut ist wie gelähmt...

In diesen Tagen wächst auch der Bedarf an psychologischer Unterstützung für die Kinder und Frauen, denn, so erklärt die Leiterin der Krankenstation, „sie leben in großen Räumen, wo sie alle zusammen schlafen. Ihr Leben hat sich völlig verändert, und obwohl sie aus den betroffenen Gebieten geflohen sind, haben sie schreckliche Angst, bombardiert zu werden“.

Es fehle an allem, bis hin zu Produkten für die Körperpflege, eine Situation, die mittlerweile Alltag für die Bewohner in Beirut sei: „Die libanesische Hauptstadt erlebt etwas, was es noch nie gegeben hat. Es gibt viele syrische Flüchtlinge, die nirgendwo hingehen können und deshalb auf der Straße leben. Das Klima ist sehr angespannt, es gibt Konflikte zwischen Libanesen und Syrern, zwischen Syrern und der Polizei. Die Menschen schlafen auf den Bürgersteigen, überall liegt Müll herum. Es handelt sich um eine ,gelähmte‘ Stadt, in der die Menschen aus Angst vor Luftangriffen nur in Notfällen auf die Straße gehen.“

Der Einsatz der christlichen Gemeinschaften

Für die Christen vor Ort sei es selbstverständlich, an vorderster Front bei der Aufnahme mitzuhelfen, um das soziale Gefüge des Libanon zusammenzuhalten, meint die Leiterin von St. Antoine. Sie berichtet, dass die schiitische Gemeinschaft zunehmend in christlichen Gebieten Zuflucht sucht, da sie sich dort vor dem Beschuss sicherer fühle. „In der Krankenstation gibt es zum Beispiel einen Arzt, der von einem anderen Arzt aufgenommen wurde, weil er sein Haus seinem schiitischen muslimischen Freund und dessen ganzer Familie überlassen hat. Es gibt eine schöne Solidarität zwischen den beiden Gemeinschaften. All das erhält die soziale Einheit aufrecht, die Christen sind immer eine Gemeinschaft, die viel gibt, sie sind ein Beispiel für Solidarität“, meint Sr. Youssef stolz. Sie berichtet auch von den christlichen Dörfern im Südlibanon, die von den Bombardierungen betroffen sind und in denen viele Familien - wie die Ordensfrau es ausdrückt - „die Erfahrung eines ständigen Konflikts mit Israel“ gemacht hätten. Doch gerade dort habe die libanesische Kirche „nicht aufgegeben“: „Es gibt immer eine kleine christliche Gemeinschaft, die weiterhin eine christliche Präsenz in dem Gebiet garantiert, in dem der Konflikt am stärksten ist.“

Eine Botschaft der Hoffnung

Und das, obwohl natürlich viele Familien aus Angst vor den Bombenangriffen das Land verlassen hätten: „Aber es gibt auch diejenigen, die immer in ihren Häusern geblieben sind und beschlossen haben, nicht zu gehen, vor allem die Leute von der Kirche, die Priester, Ordensmänner und -frauen, sie haben beschlossen zu bleiben, in Solidarität mit den Menschen, die dort sind und bleiben.“ Damit wollten sie vor allem „eine Botschaft des Friedens und der Hoffnung“ darauf hinterlassen, „dass ein neuer Tag kommen wird, dass eines Tages Frieden und die Fähigkeit zum Zusammenleben in dieses Heilige Land zurückkehren werden“, schließt Sr. Youssef.

(vatican news)

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16. Oktober 2024, 13:04