Wie schwer wiegt der Hunger eines Kindes?
von Ibrahim Faltas *
Der Tod ist eine der wenigen Gewissheiten des Lebens. Er ist entweder sein natürliches Ende oder tritt aus anderen, oft tragischen Gründen ein: Katastrophen, Unfälle und Krankheiten. Jeder Tod, der nicht das natürliche Ende des Lebens ist, erschüttert; und erschütternd sind auch der Schmerz und die Hilflosigkeit darüber, ihn nicht vermeiden zu können. Kriege kann man nicht rechtfertigen; das Leid und den Schmerz eines Menschen kann man nicht messen – egal welchen Alters, welcher Ethnie, welcher Nationalität, und das gilt für jeden Menschen, der in irgendeiner historischen Epoche gelebt hat. Der Krieg, der das Heilige Land und den Nahen Osten heimgesucht hat, ist nicht mehr oder weniger verheerend als jeder andere, aber er ist schockierend wegen der hohen Zahl von Kindern, die getötet oder verwundet wurden, für immer behindert bleiben.
Dieser und alle anderen Kriege in der heutigen Welt schockieren, weil wir sie sehen und spüren, ohne dabei zu sein. Sie schockieren durch die Technologie, weil wir so in Echtzeit vom Leid der Kinder und so vieler Menschen erfahren und nichts dagegen tun können. Wir können nicht loslaufen und versuchen, die Verletzten unter den Trümmern auszugraben; wir können die leblosen kleinen Körper unschuldiger Opfer nicht in Leichentücher hüllen und begraben. Wir können nicht mit Nahrung und Wasser helfen, wir können nicht die Wunden an Körper und Seele heilen, wir können nicht ein Lächeln, ein Spielzeug oder eine Süßigkeit schenken, wir können uns nicht neben ein Kind setzen und ihm ein Märchen vorlesen.
Es ist diese Hilflosigkeit, die erschüttert und zermürbt! Die Geschichte hat uns Nachrichten, Daten und Zahlen von Massakern, Ausrottung und Völkermorden überliefert: Welchen anderen Namen wir diesen Brutalitäten auch immer geben, er wird niemals die Tragödie des Bösen begründen und rechtfertigen. Aber diese Zahlen und Grausamkeiten konnten nicht verhindert werden, denn sie wurden erst nach ihrer Ausführung bekannt. Jetzt sehen, hören und erfahren wir das Böse in Echtzeit, und doch können wir die Waffen nicht aufhalten, die Herzen nicht ändern!
Ein Schriftsteller und Pädagoge hat einmal geschrieben: „Wie schwer wiegt die Träne eines Kindes? Die Träne eines trotzigen Kindes wiegt weniger als der Wind, die eines hungrigen Kindes wiegt mehr als die ganze Erde“. Jeden Tag sehen wir Fotos und Videos von leidenden Kindern, jeden Tag sehen wir Tränen, die wir nicht wegwischen können. Wie sehr lastet das Leid eines Kindes auf unserem Gewissen? Welchen Preis wird die Menschheit bezahlen, wenn sie die Mörder nicht stoppt? In den letzten Tagen wurde ein Video veröffentlicht, in dem Frauen in Gaza zu sehen sind, die einen in ein Tuch gehüllten Leichnam tragen.
Sie laufen, um einem Angriff zu entgehen und wollen doch auch einen geliebten Menschen bestatten; sie trotzen der Gefahr, um dem Leben auch im Tod Würde zu verleihen. In diesen Bildern habe ich den Tod und das Leben gesehen, den Wettlauf um die Rettung und die Stille derer, die sich nicht mehr selbst retten können. Ich habe Liebe und Solidarität gesehen, die Grundwerte, von denen sich jeder Mensch inspirieren lassen sollte. Dieselben Werte, auf die sich die Männer und Frauen, die das Schicksal der Welt in Händen halten, stützen müssen, indem sie das Streben nach Vorherrschaft, Macht und Autoritarismus beiseiteschieben, ja ihm vollkommen entsagen. Es ist notwendig – jetzt, sofort – den Frieden als den einzig möglichen Weg zu betrachten, um die Wahrheit und die Gerechtigkeit zu bekräftigen, die diese Welt braucht. Wenn wir alle in der Lage sind, diese grundlegenden Prinzipien miteinander zu teilen, werden wir auch in der Lage sein, den Schmerz der anderen zu verstehen, ihn zu unserem eigenen zu machen – und dann werden wir auch in der Lage sein, gute Dinge zu tun, ja sogar Kriege zu besiegen.
*Ibrahim Faltas (59): ägyptischer Franziskaner und zweiter Mann der Kustodie von Jerusalem
(vatican news - skr)
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