Syrien: Menschen in Aleppo ohne Versorgung
Das in Linz ansässige Hilfswerk „Initiative Christlicher Orient" (ICO) hat unterdessen vom Arzt und Mitbegründer des syrischen Hilfswerks „Blaue Maristen", Nabil Antaki, einen Lagebericht aus Aleppo bekommen. Die Bevölkerung ist demnach zutiefst verängstigt und sich selbst überlassen.
Nabaki berichtete von einer ersten Ausgangssperre von Freitag, 23 Uhr, bis Samstag 8 Uhr morgens. „Als wir am Samstagmorgen aufwachten, waren an allen Kreuzungen der Stadt Soldaten postiert." Vor 11 Uhr habe sich niemand in die Stadt gewagt, „dann war in Aleppo ein wenig Aktivität zu spüren".
Laut Aussagen der Einwohner von Aleppo würden die dschihadistischen Kräfte hauptsächlich aus Saudis, Tschetschenen, Pakistanern und russischen Muslimen bestehen. Bislang seien keine Übergriffe gegen Zivilisten, auch nicht gegen Christen, bekannt. Aber die Christen hätten nichtsdestotrotz große Angst. Antaki: „Wir haben gesehen, was sie den Christen in Idlib angetan haben."
Laut Aussagen anderer Bewohner Aleppos, mit denen die ICO in Kontakt ist, würden die Milizen gezielt nach Angehörigen des syrischen Militärs, der Geheimdienste, aber auch nach versprengten Hisbollah-Leuten suchen. Es seien allerdings verschiedene Milizen ohne gemeinsame Kommandostrukturen in der Stadt. Die Lage sei unübersichtlich.
Angst und Unsicherheit - Sonntagsmessen abgesagt
Die Bischöfe der Stadt kommunizierten über soziale Netzwerke und versuchten, die Ängste der Gläubigen zu beruhigen, indem sie sie auffordern, „sich zu beruhigen und nicht in Panik zu geraten". Wie Nabil Antaki berichtete, sei am Samstag um 17 Uhr eine 24-stündige Ausgangssperre in Kraft getreten. Die Sonntagsmessen mussten abgesagt werden. Restaurants und Geschäfte seien geschlossen. Nur wenige Lebensmittelgeschäfte hatten am Samstag tagsüber geöffnet, sodass die Menschen in Aleppo Vorräte anlegen konnten.
Kaum Vorräte, Lebensmittel und Strom
Bewohner ohne Informationen
Der syrisch-orthodoxe Erzbischof von Aleppo, Butros Kassis, hat unterdessen am Samstag über das Portal „SyriacPress" mitgeteilt, dass er und weitere Geistliche in der Stadt bleiben werden. Die Syrisch-orthodoxe Kirche in anderen Teilen Syriens bereite sich auf jene vor, die flüchten wollen.
Der maronitische Erzbischof von Aleppo, Joseph Tobji, sagte am Sonntag gegenüber dem Nachrichtendienst „Fides", dass die Lage derzeit ruhig sei: „Nach den Kämpfen gibt es im Moment Gott sei Dank kein Blutvergießen." Die Stadt sei in den Händen der Milizen. Die örtliche Bevölkerung habe keinerlei Informationen, wie es nun weitergeht.
Die bewaffneten Gruppen, die Syriens zweitgrößte Stadt übernommen haben - so der maronitische Erzbischof - haben Videos und Fotos in sozialen Netzwerken verbreitet, um zu dokumentieren, wie in nur wenigen Tagen ganz Aleppo in ihre Hände gefallen ist. „Im Moment sind wir ruhig, aber wir wissen nicht, was passieren wird. Es ist, als ob die ganze Stadt in der Schwebe lebt. Die Leute wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen, und sie haben sich nicht mit Vorräten eingedeckt. Niemand hat uns gewarnt", so der Erzbischof.
(kap - sst)
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