Bischof zu Bandengewalt in Haiti: Lage wie im Kriegsgebiet
Myriam Sandouno und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Nach dem gewalttätigen Angriff von Banden in der Stadt Mirebalais Ende März, etwa 60 Kilometer von der Hauptstadt Port-au-Prince entfernt, bei dem mehrere Menschen, darunter zwei Ordensfrauen, getötet wurden, hat die haitianische Bischofskonferenz ihre Trauer, aber auch ihre Empörung geäußert und alle daran erinnert, dass nichts ein solches Blutvergießen rechtfertigt. Im Interview mit Radio Vatikan beschreibt Jean Désinord, Bischof von Hinche in Haiti, die Lage im Land.
„Wenn die Banden kommen, greifen sie hilflose, unbewaffnete Leute an. Die Ordensfrauen zum Beispiel, sie sind wehrlos. Auch Kinder werden Opfer dieser Gewalt - diese Bilder, ein Kind, das die Hand seines Vaters hält und versucht, den Kugeln auf der Straße auszuweichen - Was heißt das, in einer solchen Atmosphäre aufzuwachsen? Das ist wirklich nicht auszuhalten", bringt der Bischof im Gespräch mit Radio Vatikan seine Fassungslosigkeit zum Ausdruck.
Polizei hat Probleme, Kontrolle zu erlangen
Die Banden seien in Mirebalais clever vorgegangen, weshalb die Polizei Probleme habe, die Lage in den Griff zu bekommen, erklärt der Bischof: „Es ist sehr schwierig, weil die Gangs diesmal eine neue Strategie angewendet haben: Sie sind unauffällig in die Stadt gekommen, schon Wochen zuvor hatten sie sich in der Stadt ausgebreitet, und konnten so die Stadt auch von innen angreifen, während die Verstärkung der Gangs über die Hauptstraße eintraf. Es war ein massiver Angriff auf die Stadt Mirebalais. Die Verstärkung von Seiten der Polizei kam sehr spät und hat Schwierigkeiten, die Gangs in Schach zu halten, die bereits in Häuser eingedrungen sind und die Stadt kontrollieren. Sie haben sicherlich einen Vorteil gegenüber der Polizei. Das stellt die Effektivität der multinationalen Streitkräfte in Frage, denn die multinationalen Streitkräfte sollten die Banden eindämmen. Wenn es ihnen schon nicht gelingt, sie unter Kontrolle zu bringen, so sollten sie sie doch zumindest daran hindern, weiter voranzukommen. "
Kirchen aus Sicherheitsgründen nur eingeschränkt aktiv
„Der Erzbischof in der Hauptstadt Port-au-Prince, Max Leroy Mésidor, hat mir eine lange Liste der Pfarreien aufgezählt, die geschlossen sind, weil die Bevölkerung diese Räume verlassen musste. Es sind 27 Pfarreien, also eine Menge. In Port-au-Prince ist jeder, wirklich jeder, dieser Welle blinder Gewalt ausgesetzt. Was gerade hier passiert, ist das Gleiche wie in Gaza. Es ist das Gleiche wie in der Ukraine: Im Land sterben jeden Tag Dutzende von Menschen. Sie werden ermordet, abgeschlachtet - und die Welt schaut zu! Natürlich hat sie auch andere Probleme, aber auch Haiti ist ein Teil der Welt und das Land erlebt gerade extrem schwierige, wirklich extrem schwierige Stunden. Und die Zeit verrint, während die internationale Gemeinschaft die Arme verschränkt und nicht hinschaut. Das heißt, wir werden weiter mit Toten übersät werden", prangert der Kirchenmann an.
Wie die katholische Kirche in dieser Lage die Karwoche und Ostern begeht? Das ist aktuell unklar: „Wir machen uns gerade Gedanken über die Karwoche. Wir wissen nicht, wie sich das alles entwickeln wird. Aber wir überlegen, wie wir die Gläubigen während der Karwoche und während der Osterfeiertage betreuen können. Man muss abwarten", sagt uns Jean Désinord, Bischof von Hinche in Haiti.
(vatican news - sst)
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