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Aug in Aug mit Bewohnern des Amazonas-Gebietes: Franziskus Aug in Aug mit Bewohnern des Amazonas-Gebietes: Franziskus 

Besuch in Amazonien: Gemeinsam gegen die „Verwüstungen des Lebens“

Lösungen für die Probleme Amazoniens sind nur gemeinsam mit den Bewohnern möglich, nicht über deren Köpfe hinweg: Papst Franziskus traf die auchtochtonen Völker Amazoniens in Puerto Maldonado, am ersten Tag seiner Reise in Peru.

Bernd Hagenkord SJ und Anne Preckel - Vatikanstadt

Der Gesang des heiligen Franziskus steige in ihm auf, begann Papst Franziskus seine Ansprache vor etwa 4.000 Zuhörern, die sich in dem mit Blättern und Blumen geschmückten Theater versammelt hatten. Damit war der Bezugspunkt gesetzt: die Enzyklika Laudato Si‘ von 2015. Dort hatte der Papst ausdrücklich Bezug auf das Amazonasgebiet genommen. Während der Begegnung im Freilufttheater Madre de Dios übergab der Papst in die Sprachen der Völker übersetzte Ausgaben seiner Schrift.

Er begrüßte die verschiedenen auchtochtonen Völker Amazoniens, deren Vertreter zur Begegnung gekommen waren: „Harakbut, Esse-ejas, Matsiguenkas, Yines, Shipibos, Asháninkas, Yaneshas, Kakintes, Nahuas, Yaminahuas, Juni Kuin, Madijá, Manchineris, Kukamas, Kandozi, Quichuas, Huitotos, Shawis, Achuar, Boras, Awajún, Wampís, unter anderen“. Die Indigenen-Vertreter hatten vor der Papstansprache Franziskus ihre Sorgen vorgetragen und traditionelle Tänze aufgeführt, denen der Papst von einer flachen Bühne aus aufmerksam folgte.

 

Auf die Weisheit und das Wissen hören

 

Er habe sich auf die Begegnung gefreut, sagte der Papst. „Wir, die wir nicht in diesen Gebieten leben, brauchen eure Weisheit und euer Wissen“, nur so könne man das Gebiet nutzen ohne es zu zerstören. Franziskus kritisierte die Ausbeutung der Region und eine maßlose und rücksichtslose Lebensweise, der nicht Maßgaben der Nachhaltigkeit folgt: „Wenn auch einige euch als Hindernis oder ,Störenfried' betrachten, möchte ich euch sagen, dass ihr in Wahrheit in die Gewissen derer schreit, die einem Lebensstil folgen, der es nicht schafft, die eigenen Kosten zu bemessen. Ihr seid lebendige Erinnerung an die Sendung, die Gott uns allen anvertraut hat: das ,gemeinsame Haus' zu bewahren."

Und damit war der Papst gleich beim Thema: der Lobgesang der Schöpfung komme ins Stocken, wenn man die Wunden sehe, welche die Region und ihre Bewohner tragen. „Viele haben über euch geschrieben und geredet. Es ist gut, dass ihr selbst nun diejenigen seid, die sich selbst beschreiben und uns ihre Identität zeigen. Wir haben es nötig, auf euch zu hören“, so der Papst, der insbesondere Anstrengungen indigener Vertreter würdigte, die eigene Tradition und Kultur zu bewahren, wertzuschätzen und sie mitzuteilen. 

„Wahrscheinlich waren die autochthonen Völker Amazoniens in ihren Territorien nie derart bedroht, wie sie es heute sind“

Die Anerkennung der indigenen Völker „erinnert uns daran, dass wir nicht die absoluten Herren der Schöpfung sind. Es ist dringend notwendig, den wesentlichen Beitrag anzunehmen, den sie der ganzen Gesellschaft anbieten, und nicht ihre Kulturen zu einer Idealisierung eines Naturzustandes oder zu einer Art Museum eines Lebensstils von ehemals zu machen.“

 

„Wahrscheinlich waren die autochthonen Völker Amazoniens in ihren Territorien nie derart bedroht, wie sie es heute sind. Die Amazonasregion ist ein von verschiedenen Fronten aus umstrittenes Gebiet: auf der einen Seite der Neo-Extraktivismus und der starke Druck durch große ökonomische Interessen, die ihre Gier auf Erdöl, Gas, Holz, Gold und industrielle landwirtschaftliche Monokulturen richten. Auf der anderen Seite kommt die Bedrohung für eure Gebiete auch durch die Perversion gewisser politischer Richtungen, die die „Bewahrung“ der Natur fördern, ohne das menschliche Wesen und konkret euch Brüder und Schwestern Amazoniens zu berücksichtigen, die ihr in diesen Gebieten wohnt.“ Migration und Armut seien die Folge, so der Papst.

 

Migration und Armut

 

Und er wiederholte, Lösungen seien nur mit den Bewohnern gemeinsam zu erreichen: „Wir müssen mit dem historischen Paradigma brechen, welches das Amazonasgebiet als ein unerschöpfliches Vorratslager der Staaten betrachtet, ohne seine Bewohner zu berücksichtigen.“

„Verwüstungen des Lebens“ nannte der Papst die Vergiftung der Flüsse und das Abholzen der Wälder, den Menschenhandel, die Sklavenarbeit und den sexuellen Missbrauch, die mit der Ausbeutung einher gingen. „Die Gewalt gegenüber Jugendlichen und gegenüber Frauen ist ein Klageschrei, der zum Himmel steigt (...) Tun wir nicht, als sei alles in Ordnung! Es gibt viele Arten von Mittäterschaft. Die Frage geht alle an!“, zitierte er eine andere Schrift, Evangelii Gaudium.

„[Tun wir nicht, als sei alles in Ordnung! Es gibt viele Arten von Mittäterschaft. Die Frage geht alle an! ]“

Aufgabe der Kirche sei es, für die Ausgeschlossenen und Leidenden die Stimme zu erheben, der Papst lobte ausdrücklich den bestehenden Einsatz durch Bildung und Dialog. „Die Kirche bleibt nicht unbeteiligt gegenüber eurer Problematik und eurem Leben“, so der Papst. Auf dem Papstprogramm für Puerto Maldonado stehen deswegen auch zwei weitere Besuche, einer in einer Fachhochschule und eines in einem Kinderhort. Die Kirche „will eurer Lebensweise und Organisationsform nicht fern sein. Es ist wichtig für uns, dass die autochthonen Völker die Ortskirchen Amazoniens kulturell gestalten.“ In diesem Sinne wolle er auch die für 2019 einberufene Bischofssynode verstanden wissen.

„Ich vertraue auf die Widerstandsfähigkeit der Völker und ihre Fähigkeit, auf die schwierigen Zeiten zu reagieren, in denen sie leben müssen“, schloss der Papst seine Ansprache. Und mit Blick auf die Synode grüßte er mit „Tinkunakama.“ (In Quechua: Bis zur nächsten Begegnung.)

 

Aus der Wüste in die grünen Tropen

 

Vor der Papstrede hatten Indigenen-Vertreter dem Papst all jene Probleme aufgezählt, mit denen sie in der Region zu kämpfen haben: illegaler Rohstoffabbau und Zerstörung ihres Lebensraumes, die Verunreinigung und Vergiftung der Gewässer und Natur durch die Industrie und ihre daraus folgende Verarmung, Erkrankung und Vertreibung. ,Wir werden sterben, wenn diese Dinge nicht aufhören', brachten die Volksvertreter ihre Misslage auf den Punkt und wandten sich so mit einem direkten Hilferuf an den Papst. 

Ihre Geschichten trugen die Volksvertreter einerseits in Form von traditionellen Rundtänzen vor, die sie teils Barfuß darboten. Auch erhielt der Papst in Kurzvorträgen Einblick in die traditionellen Lebensweisen der lokalen Bevölkerung, die Hoffnungen und Probleme der jungen Generation sowie die Beeinträchtigung der Natur über die Jahrzehnte hinweg. Dabei scheuten sich die Indigenen-Sprecher nicht, ihren Hoffnungen, Bitten und Wünschen konkret Ausdruck zu verleihen. ,Alle Menschen auf der Welt müssen unsere Natur respektieren und sich darum sorgen', so ihr Appell.

Am Vortag hatte der Papst noch im nordchilenischen Wüstengebiet unter strahlendem Himmel eine große Freiluftmesse mit Indigenen gefeiert. Aus dem trockenen Wüstengebiet ging es für ihn dann wenige Stunden später per Flugzeug ins feucht-tropische Amazonasgebiet des Nachbarlandes Peru. Zahlreiche Gläubige winkten entlang der palmengesäumten Straßen des kleinen Städtchens Puerto Maldonado Franziskus zu, der im schwarzen Kleinwagen mit offenem Fenster Richtung Freilufttheater fuhr. 

Knapp 150.000 Menschen leben in dem Apostolischen Vikariat; Puerto Maldonado ist kein Bistum, auch wenn es von einem Bischof im Auftrag des Papstes geleitet wird. Acht Pfarreien gibt es dort, insgesamt 29 Priester und Ordensleute wirken in diesem über 85 Tausend Quadratkilometer großen Amazonasgebiet. Insgesamt leben in Perus Amazonasgebiet 332.975 Indigene; es gibt 22 verschiedene indigene Völker, die 171 Gemeinschaften bilden.

 

Zum Nachhören
Das Video - Papst trifft Völker Amazoniens

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19. Januar 2018, 16:05