Radegundis Radegundis 

Wer waren die Diakoninnen in der frühen Kirche?

Sollen Frauen in der katholischen Kirche als Diakoninnen wirken dürfen? Die Frage wird in den Weiten der Weltkirche mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen diskutiert...

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

In manchen Ortskirchen – wie jenen im deutschen Sprachraum – besteht grundsätzlich Offenheit für das Anliegen, Diakoninnen einzusetzen, auch bei einigen Bischöfen. Papst Franziskus richtete im August 2016 auf Anregung katholischer Ordensoberinnen eine Studienkommission ein, die derzeit untersucht, welche Aufgaben die Diakoninnen der frühen Kirche hatten.

Fest steht: den Frauendiakonat gab es nachweislich in der frühen Kirche, nicht wenige Aufzeichnungen dazu sind überliefert. Auch in unseren Tagen wirken Diakoninnen wieder in verschiedenen christlichen Traditionen, wenngleich nicht in der katholischen Kirche. Bei einem ökumenischen Kongress über Frauen in kirchlichen Ämtern, der im Dezember 2017 in Osnabrück stattfand, sprach Gudrun Sailer mit Theresia Hainthaler, sie ist emeritierte Honorarprofessorin für Christologie der Alten Kirche und Theologie des christlichen Ostens an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt und wirkt im Auftrag des Heiligen Stuhls als Mitglied der internationalen orthodox-katholischen Dialogkommission und der assyrisch-katholischen Dialogkommission.

„Wir haben insbesondere im 4. Jahrhundert viele Zeugnisse von Diakoninnen, die wir mit Namen kennen.“

Die erste Station des Frauendiakonats ist schon früh anzusetzen, sagt Theresia Hainthaler. „Wir haben Anzeichen dafür, dass es auch in neutestamentlicher Zeit Diakoninnen gab, wenngleich das nicht zwingend ist, aber es gibt sehr starke Anzeichen dafür. Ab dem 3. Jahrhundert dann bezeugen verschiedene Kirchenordnungen Diakoninnen, und wir haben insbesondere im 4. Jahrhundert viele Zeugnisse von Diakoninnen, die wir mit Namen kennen. Eine besondere Fülle an Diakoninnen gab es in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, die vor allem in Konstantinopel, aber auch in Antiochien und Kappadokien zu finden sind. Wir finden Belege in den verschiedensten literarischen Genera; das heißt, das bezeugt Literatur, die nicht auf Diakoninnen fixiert ist, sondern die es als selbstverständliches Amt erwähnt.“

Aus dem 5. und 6. Jahrhundert sind Diakoninnen auch in syrischen Kirchen bezeugt, in Kirchen anti-chalcedonischer Richtung, später in der armenischen Kirche, fährt Hainthaler fort. Sogar der lateinische Westen hatte seine Diakoninnen. Ein Beispiel: die heilige Radegundis aus Erfurt, die Mitte und Ende des 6. Jahrhunderts in Gallien wirkte und später sogar Nationalheilige Frankreichs wurde, lange vor Johanna von Orléans.

„Radegundis lebte mit großer Hingabe für die Armen und Kranken“

„Radegundis, in Erfurt vermutlich 520 geboren, war Tochter des Königs von Thüringen, der in Bruderkämpfen ermordet wurde. Danach gelangte sie praktisch als Kriegsgefangene für den Merowinger-König Chlothar nach Frankreich, wo sie am Königshof erzogen und ausgebildet wurde. Chlothar heiratete sie, aber er war ein schwieriger Charakter und hat schließlich ihren Bruder ermorden lassen. Radegundis floh nach Noyon, suchte Schutz bei Bischof Medard von Noyon, und hat dann in einer ziemlich dramatischen Aktion, von der uns Venantius Fortunatus in seinem ,Leben´ über sie berichtet, darum gebeten, dass Medard sie zur Diakona weiht - was er schließlich getan hat.“

Radegundis muss als außerordentlich couragierte Frau gedacht werden. Im kompromisslos patriarchalischen Frühmittelalter wagte diese Königin und Diakonin als eine der ersten Christinnen, nach ihren eigenen Überzeugungen zu leben und widersetzte sich mutig Standes- und politischen Zwängen.

„Als Diakona ist Radegundis weitergezogen, zum Grab von Martin von Tours, und lebte dann ein Leben, das uns ganz verblüffend an Elisabeth von Thüringen erinnert, mit einer großen Hingabe für die Armen und Kranken. Danach ging sie ins Kloster in Poitiers, das von großer Bedeutung für das monastische Leben wurde: Radegundis holte die Nonnenregel von Caesarius und erbat Kreuzesreliquien aus Konstantinopel.“

Das Kloster der Radegundis wurde für Jahrzehnte das bedeutendste Frauenkloster des Frankenreichs. Allein in Frankreich sind dieser Diakonin des 6. Jahrhunderts heute an die 150 Kirchen geweiht.

„Liturgische Funktionen waren sicherlich involviert, wenn eine Diakonin in einem Kloster war, und das war öfter der Fall, wo sie bestimmte Funktionen hatten, aber auch Leitungsfunktionen“

In der Debatte über Diakoninnen heute ergeben sich mit Blick auf die Tradition zwei Kernfragen: Welche Aufgaben hatten Diakoninnen in der frühen Kirche – und: wurden sie geweiht oder gesegnet? An Einsatzfeldern der frühen Diakoninnen nennt Theresia Hainthaler: Taufassistenz, liturgische Funktionen, Nächstenliebe, und im Einzelfall auch kirchenpolitische Aufgaben.

„Bekundet ist, dass sie für die Taufassistenz zuständig sind, wenn Frauen getauft werden; das finden wir in Kirchenordnungen und der kaiserlichen Gesetzgebung. Andererseits ist es so, dass in den uns bekannten Beispielen von Diakoninnen das eigentlich ganz selten bezeugt ist. Es scheint so gewesen zu sein, dass liturgische Aufgaben dabei waren, darauf deutet die Bestimmung im ,Codex Iustinianus´ hin, dass an der Hagia Sophia und an großen Kirchen eine gewisse Anzahl, in diesem Fall 40, Diakoninnen zu sein haben, das ist 536 etwa, Mitte des 6. Jahrhunderts. Liturgische Funktionen waren sicherlich involviert, wenn eine Diakonin in einem Kloster war, und das war öfter der Fall, wo sie bestimmte Funktionen hatten, aber auch Leitungsfunktionen.“

Bekannt ist von vielen der frühen Diakoninnen, dass sie – wie Radegundis – stark karitativ wirkten, auch durch Bautätigkeit und die Gründung von Institutionen. Doch damit nicht genug.

„Es gibt theologisch hochgebildete Frauen, die im Auftrag von Bischöfen kirchlich oder sogar kirchenpolitisch tätig werden, davon haben wir einige Zeugnisse, und auch dass sie theologisch und exegetisch gebildet waren, wie aus einigen erhaltenen Briefen hervorgeht. Meines Erachtens haben wir aus diesen Zeugnissen eine relative Vielfalt von Aufgaben, die erkennbar sind, und die abhängig sind von der jeweiligen Situation, wo also die Diakonin tätig war – in der Regel sollte sie fest zugeordnet sein, einer Kirche oder einem Kloster, und daraus ergeben sich dann bestimmte Funktionen.“

 

Weihe oder Segen? Eine jahrhundertealte Streitfrage

 

Die vielleicht heikelste Frage, die sich aus katholischer Sicht an den Frauendiakonat knüpft, ist die, ob die Diakoninnen der frühen Kirche zu ihrem Dienst gesegnet oder geweiht wurden. Die Weihe nämlich ist nach katholischer Auffassung Männern vorbehalten. Das gilt nicht nur für die Weihe zum Priester und zum Bischof, sondern auch bereits für die Weihe zum Diakonat als erster der drei Stufen.

Weihe oder Segen also für die Diakoninnen der ersten Jahrhunderte – was sagen die Dokumente? Leicht zu klären ist das nicht, wie Theresias Hainthaler einräumt.

„Da spiegelt sich ein Konflikt der Auffassungen wider, schon in den Quellen. Wir haben einerseits in Kirchenordnungen die Tendenz, das Amt ein bisschen zurückzudrängen, andererseits haben wir vom liturgischen Weiheformular – wie vor allem orthodoxe Theologen herausgearbeitet haben - die Elemente einer Weihe, die dem des Diakons sehr gleicht und parallel gestaltet ist, und die eindeutig Zeichen einer sakramentalen Weihe beinhalten, die sich deutlich unterscheiden von der Weihe zum Beispiel eines Subdiakons: die Weihe wird dort vollzogen nach der Anaphora [dem Hochgebet], vor dem Allerheiligsten, es wird ein Orarium, eine Stola überreicht -  das sind Elemente, die man einer Weihe zuordnet und nicht einer bloßen Segnung. Dass es zu einer Segnung zurückgedrängt werden soll, das kann man Bestimmungen der gallischen Synoden entnehmen, die von einer Segnung sprechen und versuchen, die Frage auf die Weise herunterzuregeln.“

Was die Spezialistin für die frühe Kirche Theresia Hainthaler beeindruckt, seit sie sich mit den Diakoninnen des ersten Jahrtausends beschäftigt, ist, wie viele dieser Frauen der Forschung heute namentlich bekannt sind. Sie sieht darin einen Beleg für die etablierte Stellung der Diakonin in dieser Zeit.

„Es sind sicherlich 40 oder mehr, die man namentlich kennt und die klar bezeugt sind in verschiedenen Räumen. Noch mehr werden es, wenn man die epigrafischen Zeugnisse miteinbezieht, also was etwa auf Grabmälern steht: dann ist die Zahl von 50 namentlich bekannten Diakoninnen nicht zu hoch gegriffen in einem Zeitraum vom 4. bis zum 6., 7. Jahrhundert.“

Diese und andere Befunde werden nun im Vatikan zusammengetragen; die Internationale Theologische Kommission hatte zur Frage der Diakoninnen bereits wertvolle Vorarbeit geleistet. Die Schlüsse, zu denen die vom Papst eingerichtete Diakonatskommission kommt, könnten die Grundlage weiterreichender Entscheidungen sein. In Kürze zu erwarten sind sie freilich nicht.

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02. Januar 2018, 10:43