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Ökumene: „Treffen in Bari hätte vor allem spirituelle Dimension“

An diesem Mittwochvormittag hat eine Delegation unter der Leitung des russisch-orthodoxen Metropoliten Hilarion Alfejew den Papst im Vatikan getroffen. Derweil wird spekuliert, dass der Papst im Juli Patriarch Kyrill in Bari, der Nikolaus-Stadt in Süditalien, treffen könnte. Wir haben den Russland- und Ökumene-Fachmann Thomas Bremer von der Universität Münster dazu interviewt.
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Vatican News: Wie sieht der derzeitige Dialog zwischen der katholischen Kirche und dem russisch-orthodoxen Patriarchat aus?

Bremer: Um die derzeitige Lage im Dialog zwischen diesen beiden Kirchen zu beurteilen, muss man auch die innerorthodoxe Situation insgesamt beachten. Zum einen hat es ja vor zwei Jahren das panorthodoxe Konzil auf Kreta gegeben, an dem die russische Kirche nicht teilgenommen hat. Der russische Patriarch hat sich allerdings einige Wochen zuvor mit dem Papst in Havanna getroffen. Man kann darin und auch in den aktuellen Ereignissen, die sich jetzt in kirchlicher Hinsicht in Bezug auf die Ukraine entwickeln, sehen, dass es eine gewisse Spannung zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau gibt. Ich glaube, dass es ein bisschen auch eine taktische Absicht des Moskauer Patriarchats ist, jetzt die Beziehungen zum Vatikan zu pflegen, weil dies auch für die innerorthodoxe Situation nützlich sein kann.

VN: Heißt das zugespitzt, dass sich das Patriachat von Moskau einen Verbündeten sucht und dieser Verbündete die katholische Kirche ist?

Bremer: Das ist sehr zugespitzt, weil die römische Kirche auch gute Beziehungen zu Konstantinopel hat. Ich glaube auch, dass keine orthodoxe Kirche die katholische Kirche jetzt als „Verbündeten“ oder Hebel gegen andere orthodoxe Kirchen zu benutzen versuchen würde. Aber man muss eben sehen, dass in der innerorthodoxen Situation, die gerade sehr schwierig ist, die russische Kirche in der kanonischen Ordnung den fünften Rang einnimmt, obwohl sie bei weitem die größte orthodoxe Kirche nach der Zahl ihrer Mitglieder ist. Es gibt dann auch noch eine Diskussion um die Kirche in der Ukraine, die kanonisch zu Moskau gehört. Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko hat vor einigen Wochen einen Brief an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. geschickt, in dem Poroschenko um die Verleihung der Autokephalie für die ukrainische Kirche erbittet. Ich glaube nicht, dass Bartholomaios das machen wird, aber man sieht auch, dass es innerhalb der kanonischen Kirche in der Ukraine eine sehr starke Bewegung hin zur Autokephalie oder zumindest zu einer größeren Unabhängigkeit von Moskau gibt. Das hängt auch mit der politischen Situation und dem Krieg zusammen - das ist sozusagen der Kontext, in dem man die Begegnung an diesem Mittwoch im Vatikan sehen muss.

VN: Welche Hindernisse und Stolpersteine liegen noch auf dem ökumenischen Weg?

Bremer: Im katholisch-orthodoxen Dialog, der ja seit einigen Jahren wieder in Bewegung war jetzt aber wieder ein bisschen stilltsteht, ist es vor allem die Frage nach dem Papsttum und damit verbunden und die Frage nach der Kirchenstruktur, also welche Rolle der Bischof von Rom in einer Gesamtstruktur einer vereinten Kirche einnehmen würde. Da haben wir die Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils, die im Weg stehen und mit denen man umgehen muss. Diese Frage, die man in den ökumenischen Gremien diskutiert, wird dann etwa in Form der Frage der Rolle der römischen Bischöfe im ersten Jahrtausend angegangen. Dazu gehört dann auch die Frage nach den griechisch-katholischen Kirchen, die vor allem von orthodoxer Seite als Argument vorgebracht wird. Das sind natürlich alles Fragen, die nicht einfach zwischen Rom und Moskau entschieden werden können – und Moskau oder die katholische Kirche versuchen das auch gar nicht –, sondern das sind Fragen, die von der Gesamtorthodoxie und von der katholischen Kirche gemeinsam gelöst werden müssen.

 

Mögliche Begegnung in Bari hätte vor allem spirituelle Dimension

 

VN: Welche Bedeutung hätte denn ein Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen in einer Stadt wie Bari, in der ein Heiliger verehrt wird, der von beiden Kirchen große Achtung genießt? Hätte das vor allem eine spirituelle Bedeutung?

Bremer: Ich glaube, das hätte vor allem eine spirituelle Bedeutung. Man soll die auch nicht unterschätzen. Wie Sie es gesagt haben: Der heilige Nikolaus wird von beiden Kirchen sehr geschätzt. Es ist ganz interessant, dass zum Beispiel in der russischen-orthodoxen Kirche der Feiertag der Übertragung der Gebeine des heiligen Nikolaus nach Bari eingeführt wurde, und zwar nach dem Jahr 1054, als offiziell die Trennung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche zumindest formal schon vollzogen war. Es gibt also ein gewisses verbindendes Element, das über das formelle Datum des Schismas hinausgeht. Diese spirituelle Dimension ist ohne Zweifel zugegen und man darf sie nicht unterschätzen.

VN: Die andere Dimension ist ja die politische und geopolitische Ebene: Welche Rolle spielt die internationale Politik bei diesem ökumenischen Dialog? Wie könnten Ihrer Meinung nach beide Kirchen zu Frieden in Syrien, in der Ukraine und auch weltweit beitragen?

Bremer: Aus verschiedenen Gründen ist das für beide Kirchen ein wichtiges Anliegen. Papst Franziskus ist ja einer, der sich sehr stark und sehr symbolträchtig für den Frieden in der Welt einsetzt und jemand, der auch den Eindruck erweckt, dass er bereit ist, ungewöhnliche Dinge für den Frieden zu tun. Man kann dies auch daran sehen, dass das Treffen in Havanna mit dem Patriarchen in diese Richtung gegangen ist, weil sie sich relativ spontan und auf dem Flughafen getroffen haben. Das passt in dem Kontext der Friedensbemühungen des jetzigen Papstes.

In der russischen Kirche ist es so, dass es nach diesem Treffen viele offizielle Verlautbarungen gegeben hat, wonach sich zum Beispiel die Fortschritte in Syrien als indirektes Resultat dieses Treffens in Kuba zurückführen lassen. Das heißt, die russische Kirche sieht die Ereignisse in Syrien im Prinzip so wie auch der russische Staat. Die russische Kirche begrüßt die Intervention Russlands in Syrien und glaubt, dass der Westen und die US-Amerikaner dort fehl am Platz sind und viele Fehler machen. Dabei ist für die russische Kirche der Schutz der Christen in Syrien besonders wichtig und wird immer in den Vordergrund gestellt. Da steckt auch die Idee dahinter, dass zum Beispiel der Metropolit Hilarion, der jetzt eben in Rom gewesen ist und den Papst getroffen hat, sagt: man komme ja sowieso nicht weiter im ökumenischen Dialog, dann sollte man zumindest auf jenen Feldern zusammenarbeiten, die nicht religiös sondern dann eben eher politisch sind.

Man könnte das fast als eine „alternative Ebene“ bezeichnen, auf der die Kirchen nach Meinung des Metropoliten gemeinsam agieren können, weil sie es eben auf theologischer Ebene nicht schaffen.

Das Gespräch führte Mario Galgano

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30. Mai 2018, 12:55