Bischof Glettler: „100 Prozent hinhören, 100 Prozent verkündigen“
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Bischof Glettler, Sie sind gekommen, um mit Ministrantinnen und Ministranten aus Ihrem Bistum, die auf Wallfahrt hier in Rom sind, ein bisschen zu feiern. Was gefällt Ihnen im Umgang mit jungen Leuten?
Bischof Glettler: „Es ist immer inspirierend mit jungen Leuten. Sie sind ungeniert in ihren Fragen, das tut uns als Verantwortliche in der Kirche sehr gut, und sie sind begeisterungsfähig. Durch alle Müdigkeit hindurch, die sich auch einschleicht in eine jugendliche Lebensweise, fast wie eine Lähmung durch den Überkonsum, sind Jugendliche überraschend frisch, begeisterungsfähig und stellen Fragen - ob sie uns passen oder nicht“
Was brauchen junge Leute von einem Bischof heute? Die Figur des Bischofs verändert sich ja und heute, im dritten Jahrtausend, gibt es da Züge, die sich verändert haben und die man beachten muss im Umgang mit Kindern und Jugendlichen?
Bischof Glettler: „Genau weiß ich es nicht, aber ich vermute, dass es ein Aspekt von Väterlichkeit ist, den sie schätzen. In all dem Getriebensein heutiger Kommunikation und der vielen Einflüsse, denen sie ausgesetzt sind, herrscht ein Mangel an Orientierungsfiguren. Das wird besonders dann deutlich, wenn Familien fragmentiert sind und die realen Väter nicht oder zu wenig da sind. Eine Orientierungshilfe, oder Entscheidungshilfe zu geben, in dem vielen, was Jugendliche bedrängt, ohne dass man besserwisserisch oder schulmeisterlich auftritt, sondern väterlich, ist von Bedeutung. Und da wird man auch hoffentlich transparent auf Gott hin, der ja der Vater aller Menschen ist. Als junger Mensch baut man sich auf, entwickelt sich emotional und intellektuell, orientiert sich, wofür man sich im Leben einsetzen, wofür seine Lebensenergie investieren möchte. Wenn da in dieser Phase eine Vaterfigur ist, die aus dem Glauben heraus eine Spur vorzeichnet, dann ist das sehr, sehr kostbar.“
Auf einer größeren Ebene ist es genau das, was Papst Franziskus mit der Jugendbischofssynode anstrebt, die ab Oktober hier in Rom stattfinden wird. Franziskus hat eine Art, die Kirche zu leiten, die sehr aufs Hören setzt. Das sehen wir gerade bei den Synoden: bei der Familienbischofssynode – es waren zwei – und jetzt bei der Jugendsynode. Er hat Fragebögen ausgeschickt. Dieses ganz breite Wissen-Wollen von Jugendlichen ist eigentlich etwas Neues in der Kirche. Ist es nicht überraschend, dass die Kirche nicht schon früher auf die Idee gekommen ist, dass da ein Schatz ist, den man heben muss?
Bischof Glettler: „Das hat es wohl immer gegeben. Man könnte sehr viele Jugendseelsorgerinnen und –Seelsorger nennen, die sehr wohl sehr genau hingehört haben, was Kinder und Jugendliche ihnen sagen. Der Ansatz ist: Erzähl mir von Deinem Leben, damit ich weiß, was ich Dir zu sagen habe vom Schatz des Evangeliums. Dieses genaue Hinhören kann man nie genug forcieren und sich damit auch selbst infrage stellen und verletzen, herausfordern lassen – das ist sehr wichtig. Zugleich ist es aber ebenso wichtig, Jugendliche zu konfrontieren mit dem, was uns Jesus geschenkt hat, dem Evangelium – das läuft ja auch gegen den Strich. Es antwortet auf eine sehr tiefe Sehnsucht, das dürfen wir auch nicht hinter dem Berg halten.
Bei Jesus sieht man beides: Sein hundertprozentig sympathisches Verhalten, sein ganz bei den Menschen sein, aber auch den Verkünder eines Gotts, den sie so nicht gekannt haben und der Alternativen zu ihrem oft gesetztreu angelegten Glauben bietet, was ihnen sehr fremd war. Schön ist die paradoxe Formel: Hundertprozentig hinhören, hundertprozentig aber auch eine Botschaft geben. Und gemeinsam erringen, was eine erfrischend neue Spur ist für dieses dritte Jahrtausend. Die Kirche hat leider Generationen verloren. Wir können nicht genug nachlegen und sagen: Jetzt bitte, Jugendliche, macht Lärm in der Kirche, nehmt Euren Platz ein, helft uns, Euch zu verstehen und die richtigen Fragen zu stellen.“
Was erhoffen Sie sich von der Synode?
Bischof Glettler: „Eine Auffrischung unserer grundsätzlichen Berufung. Jungsein ist ja nicht eine biologische Marke, es gibt auch 80jährige die geistig und im Herzen unglaublich beweglich sind, aber es gibt auch 15- oder 20jährige, die unglaublich alt sind. Bei der Kirche ist das auch so: Es gibt Teile unserer Kirche, die sehr alt und starr geworden sind und andere, die sehr lebendig sind. Ich erwarte also einen jugendlichen Schub, eine neue Freude im Gemeinsamen. Das Wir ist größer als das Ich – das ist auch eine Botschaft, die wir unserer Welt zu sagen haben: Wir gehören zusammen, über Grenzen von Kontinenten hinweg, auch über soziale und Milieugrenzen hinweg gehören wir zusammen. Eine Stärkung dieses Wir-Gefühls, eine Verantwortung für eine Welt, die in eine Schieflage geraten ist. Ich glaube, viel Potenzial liegt bei jungen Leuten, die uns helfen können, die richtigen Antworten zu finden und ins Tun zu kommen.“
(Vatican News – gs)
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