D: Berliner Erzbischof besorgt über Populismus und Pauschalisierungen
„Solch eine fehlende Lernbereitschaft hatten wir in der deutschen Geschichte öfters. Gerade in diesen Tagen erinnern wir uns auch an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, wo auch zu wenige bereit waren, zu analysieren, Schuld zu bekennen und Konsequenzen zu ziehen. Und ich bin der Meinung, dass wir miteinander lernen müssen - auch mit denen, die zu uns kommen - also Flüchtlingen und Migranten.“
Unser Horizont ist begrenzt, wir brauchen die anderen
Damit steuert der Erzbischof zielsicher auf den Punkt zu, den Innenminister Horst Seehofer (CSU) vor kurzem „die Mutter aller Probleme“ in Deutschland genannt hat. Koch ist besorgt über immer wieder aufbrechende populistische Sprüche in der deutschen Gesellschaft.
„Zunächst einmal müssen wir wahrnehmen, dass wir einen begrenzten Horizont haben. Wir brauchen die anderen! Viele totalitäre, pauschale und populistische Äußerungen sind nach meinem Empfinden darin begründet, dass sie davon überzeugt sind, die richtige Erkenntnis zu haben. ‚Ich brauche den andern nicht. Ich weiß, was los ist.‘ Da scheint mir eine Grundgefahr unserer Gesellschaft zu sein.“
Nicht Bedrohung, sondern Bereicherung
Und die zweite Grundgefahr? Die ist das Einschließen vieler Menschen in einer Blase von Gleichgesinnten. „Denen klopfen wir auf die Schultern. Mit denen haben wir die gleiche Sprachkultur. Aber was ist mit denen, die ganz andere Denk- und Lebensweisen haben, die andere Geschichten, andere Verletzungen, andere Wahrnehmungen erlebt haben? Sollten wir uns denen gegenüber nicht öffnen? Wir sollten sie nicht nur als Bedrohung wahrnehmen, sondern als Bereicherung!“
Wir sollten mehr mit Flüchtlingen und Migranten sprechen, schlägt Erzbischof Koch vor. „Und auch mit denen, die am Rande der Gesellschaft sind, den sogenannten Armen! Sie gehören zu uns, und von ihnen können wir auch viel lernen. Das weiß ich in Berlin aus eigener Erfahrung.“
Das gilt übrigens auch innerkirchlich...
Um Gesprächsbereitschaft wirbt Koch, um Lernbereitschaft. Um „Demut, sich selbst zu relativieren“. „Das gilt übrigens auch innerkirchlich. Auch bei uns gibt es Überzeugungen, dass wir wissen, wie es geht… Auch da müssen wir lernen, gerade auch derzeit in Bezug auf den Umgang mit Missbrauchsfällen. Wir können von den Opfern lernen. Auch von denen, die uns vielleicht sehr kritisch sehen oder uns sogar ablehnend gegenüberstehen.“
(domradio – sk)
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