Schweizer Architekt: „Kirchbau als Mittel gegen Konsum-Gesellschaft“
Vatican News: Herzlichen Glückwunsch für diesen Preis. Welche Bedeutung hat für Sie als Architekten dieser Preis?
Botta: Das bedeutet, dass die Architektur auch eine theologische Kraft in sich trägt. Die Architektur spricht vom Geist. Ich bin sehr gerührt, dass ich diesen Preis erhalten habe, denn damit wird die Architektur nicht nur auf eine technische Ebene reduziert. Die Architektur ist eine Sprache. Sie ist der Ausdruck ihrer Zeit, deshalb ist es auch richtig, dass die zeitgenössische Architektur auch die Probleme der Gegenwart mitberücksichtigt. Sie muss auch die großen Gegensätze der Kultur und Gesellschaft der Gegenwart ansprechen.
Vatican News: Welchen Stellenwert messen Sie dem Theologen und Kirchenmann Joseph Ratzinger zu? Was kann er der Architektur mitgeben?
Botta: Die Verbindung dieses Preises mit dem Namen ,Joseph Ratzinger´ finde ich persönlich sehr schön, denn meine kulturelle und künstlerische Bildung ist stark mit Namen wie Romano Guardini und Rudolf Schwarz verbunden. Sie haben eine zeitgenössische Sprache legitimiert innerhalb von religiösen Räumen. Die Kirchen von Rudolf Schwarz und von Romano Guardini sind Ausdrucksformen der Moderne, die heute noch sehr aktuell ist. Nach der künstlerischen Avantgarde wie Duchamps oder Picasso, die unseren ästhetischen und ethischen Sinn verändert haben, haben Guardini als Theologe und Schwarz als Architekten den Gotteshäusern eine Legitimation verliehen.
Vatican News: Welche Verbindung sehen Sie denn im heutigen Sinne für die Verbindung zwischen Ästhetik und dem Wort, also der Grundlage der Theologie?
Botta: Die Architektur spricht durch Räume und Räumlichkeit. Das bedeutet anders ausgedrückt, sie spricht durch Licht und durch die physische Bezugnahme. Die Architektur hat aber auch mit Erinnerung zu tun. Gerade Kirchen tragen in sich, wie beispielsweise auch die Räumlichkeiten wie die Sala Clementina, in der die Preisverleihung stattfand, das Zeugnis der westlichen-christlichen Tradition. Das ist eine zweitausendjährige Geschichte und ein Erbe, das man nicht verdrängen und vergessen kann. Es ist auch schwierig, sich der Anziehungskraft eines ,Ortes der Erinnerung´, wie es eben Kirchen auch sind, zu entziehen.
Deshalb glaube ich, es ist heute mehr denn je für einen Architekten wichtig, über den ,Ort der Erinnerung´ als jenes Gebiet nachzudenken, um die Gegensätze, Paradoxien und Ambiguitäten und auch die Verrücktheiten hervorzuheben. Die Kultur der Moderne hat zwar viele positive Früchte hervorgebracht, gerade wenn wir an die Errungenschaften der Wissenschaft wie Medizin und Biologie denken, doch bei der Organisation der Lebensräume gab es große Versäumnisse. Da wird obsoleten Modellen nachgeeifert, die sich zu stark baulichen Spekulationen zum Opfer fallen. Deshalb sind meiner Meinung nach die Kirchen, als Orte der Freiheit für Besinnung und Einkehr, ein Gegenmittel gegen die Konsum-Gesellschaft.
Das Gespräch führte Mario Galgano.
Der aus dem Südschweizer Kanton Tessin stammende Architekt Botta (75) wurde für die theologische Dimension seiner Ästhetik geehrt, wie der vatikanische Beauftragte für Kultur, Kardinal Gianfranco Ravasi hervorhob. Botta habe rund 20 Sakralbauten entworfen, darunter auch die Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv und eine Moschee in China. In seiner Architektur erweise sich Religiosität als „Stachel im Fleisch“ einer säkularen Kultur, so der Kardinal.
Zu den bekanntesten Sakralbauten Bottas gehört die Kirche „Johannes der Täufer“ in Mogno im Tessin. Im Februar 2013 wurde Botta von Papst Benedikt XVI. in die Päpstliche Akademie der schönen Künste berufen. Nach Ravasis Worten kamen das Stiftungskomitee und Benedikt XVI. unabhängig voneinander auf die Idee, Botta für den Ratzinger-Preis zu nominieren.
(vatican news)
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