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D: Theologen gehen mit Kirche und Bischöfen ins Gericht

Deutliche Worte zu den Themen Macht in der Kirche, Zölibat und Sexualmoral haben deutschsprachige Theologen bei einem Studientag zur weiteren Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Rahmen der aktuellen Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz gefunden.

Es gehe bei Missbrauchsfällen nicht um „priesterliche Sünden gegen Keuschheit oder Zölibat“, sondern um „Gewalt und ihre Vertuschung im Raum und im Namen der Kirche“, betonte die Erfurter Theologin Julia Knop bei dem Studientag am Mittwoch. Eine Änderung der kirchlichen Sexualmoral forderte der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff vor den Bischöfen. Der an der Universität Salzburg lehrende Theologe Gregor Maria Hoff wiederum sieht die katholische Kirche angesichts ihrer Missbrauchsfälle in einer „Sakralisierungsfalle“.

Der Kirche als religiöser Institution und ihren Priestern als Repräsentanten Jesu Christi komme Sakral- und Glaubensmacht zu, sagte Hoff laut seinem von der Deutschen Bischofskonferenz im Anschluss an den Studientag veröffentlichten Redemanuskript. Die Macht basiere auch darauf, dass der Kirche und den Priestern Vertrauen entgegengebracht werde. Entsprechend wirke es „tödlich“ und „desaströs“, wenn das Vertrauen und die damit verbundene Macht enttäuscht würden, etwa durch Missbrauchstäter.

Ruf nach Gewaltenteilung und Machtkontrolle

Aus Sicht Hoffs geht es um ein Systemproblem. Dieses lasse sich nur durch kirchliche Gewaltenteilung und Machtkontrolle von innen und außen lösen. Dies seien Mittel gegen die „Verselbstständigung einer unheiligen Macht, die an ihre Heiligkeit noch glauben kann, wenn sie diese missbraucht“, sagte der Theologe. „Warum sonst fehlen Schuldeingeständnisse ausgerechnet ihrer höchsten Würdenträger wie zum Beispiel von Kardinal Groer, der sich bis zu seinem Lebensende seiner Schuld weder öffentlich noch gegenüber seinen Opfern stellte?“

Durch kirchliche Gewaltenteilung ließe sich „sakralisierte Macht verflüssigen“, sagte Hoff. Durch das Teilen der Macht nehme diese nicht ab, sondern gewinne Autorität. „Die Frage an Sie als Deutsche Bischofskonferenz ist dabei, ob Sie Macht nur delegieren wollen oder eine eigenständige Machtpartizipation im Volk Gottes wollen und dann auch nachvollziehbar ermöglichen“, so der Theologe. Er plädierte für transparente Verfahren und Entscheidungsprozesse. „Das wäre die Form einer souveränen Macht, die um ihre Gefahren weiß und diese so ausweist, dass sie institutionell bearbeitet werden können.“

„Systemische Defekte offenkundig“

Julia Knop begrüßte in ihrem Vortrag, dass die deutschen katholischen Bischöfe angesichts des Missbrauchsskandals über Zölibat, priesterliche Lebensform und Macht in der Kirche neu debattieren. Die 2018 veröffentlichte Missbrauchsstudie im Auftrag der katholischen Bischöfe habe „grauenhafte und widerwärtige Untaten von Klerikern in einem Ausmaß ans Licht gebracht, dass die katholische Kirche in Deutschland jeglichen Kredit verloren hat“, sagte die Dogmatikerin. Es gehe bei den in der Studie aufgelisteten Missbrauchsfällen nicht um „priesterliche Sünden gegen die Keuschheit oder den Zölibat“, sondern um „Gewalt und ihre Vertuschung im Raum und im Namen der Kirche“.

„Sexueller Missbrauch liegt nicht in der DNA der Kirche“ und habe vermutlich auch nicht ursächlich mit dem Zölibat zu tun, sagte Knop laut Redemanuskript. Sexueller Missbrauch habe auch nichts damit zu tun, dass homosexuelle Männer im katholischen Klerus weit überdurchschnittlich vertreten seien. Mit der DNA der Kirche zu tun habe aber eine religiöse Aufladung von Macht, eine Sakralisierung des Weiheamtes, eine Stilisierung von Gehorsam und Hingabe, eine Dämonisierung von Sexualität und „die Tabuisierung von Homosexualität“.

Die Bischöfe seien bei den Themen Zölibat, priesterliche Lebensform und Macht „nicht Beobachter, sondern Beteiligte“, führte die Theologin aus. Als zölibatspflichtige Kleriker seien sie mit einer enormen Machtfülle ausgestattet, die die kirchliche Glaubens- und Sittenlehre vertreten. „Sie repräsentieren eine Kirche, deren systemische Defekte offenkundig geworden sind“, so Knop.

Schockenhoff: Änderungen bei Sexualmoral

Eine erhebliche Änderung der kirchlichen Sexualmoral und eine positive Sicht auf die menschliche Sexualität empfahl der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff in seinem Grundsatzreferat vor den deutschen katholischen Bischöfen.

Unter anderem solle die Familienplanung auch mit künstlichen Verhütungsmitteln nicht länger als lebensfeindlicher Akt, sondern als Dienst am Leben anerkannt werden, forderte der Moraltheologe. Denn diese Gewissensentscheidung sei auf die gegenseitige Achtung der Partner und auf die Sorge um das Wohlergehen der Kinder gerichtet. Ferner solle die Kirche anerkennen, dass es legitime Sexualbeziehungen auch außerhalb der heterosexuellen Ehe gebe. Die lebenslange Ehe sei zwar der beste Rahmen für gelebte Sexualität, aber nicht der einzig mögliche.

Die Kirche soll nach den Worten Schockenhoffs an einem Eheverständnis festhalten, das die Ehe als eine ganzheitliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau versteht. Zugleich müsse sie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften vorbehaltlos anerkennen und darauf verzichten, „die in ihnen gelebte sexuelle Praxis moralisch zu disqualifizieren“. Promiskuität, offene Mehrfachbeziehungen und Untreue bezeichnete Schockenhoff hingegen als „moralisch fragwürdig“. Dies gelte unabhängig von der sexuellen Orientierung der Betroffenen.

„Vergiftete Sicht der Sexualität“

Schockenhoff stellte klar, dass der Glaubwürdigkeitsverlust der bisher geltenden katholischen Sexualmoral nicht durch die gegenwärtige Missbrauchskrise verursacht worden sei. Vielmehr habe die Kirche die Erkenntnisse der zeitgenössischen Wissenschaften nicht in ihre Sexualethik integriert und beziehe sich bis heute auf die „vergiftete Sicht der Sexualität“, die der Kirchenvater Augustinus (354-430) entworfen habe. Dieser habe die erotische Lust als eine Folge der Erbsünde des Menschen interpretiert.

Der Moraltheologe kritisierte auch die Sexuallehre des heiligen Johannes Paul II. (1978-2005). Dessen „Theologie des Leibes“ sei zwar ein „bedeutsamer Fortschritt gegenüber der erbsündentheologischen Sichtweise des Augustinus“. Dennoch bleibe in dieser Sexualmoral „die Warnung vorherrschend, die Ehepartner sollten sich nicht als Objekte ihres sexuellen Verlangens missbrauchen“.

„Amoris Laetitia ist ein Lichtblick“

Zugleich kritisierte Schockenhoff die Grundannahme von Johannes Paul II., dass die kirchliche Sexuallehre nicht von Menschen gemacht, sondern „von der Schöpferhand Gottes in die Natur der menschlichen Person eingeschrieben“ worden sei. Eine solche Annahme hindere die Kirche daran, sich die Abhängigkeit ihrer Sexuallehre von historischen Fehlentwicklungen einzugestehen.

Als „Lichtblick“ bezeichnete der Theologe die positive Sicht der Sexualität und der erotischen Dimension der Liebe, die Papst Franziskus in seinem Schreiben „Amoris laetitia“ von 2016 formuliert habe. Für die Zukunft empfahl Schockenhoff „inhaltliche Revisionsarbeiten am Gebäude der kirchlichen Sexualmoral“ und eine Kurskorrektur vorzunehmen. Ziel müsse sein, „die Bedeutungsfülle menschlicher Sexualität in ihren positiven Gestaltungsmöglichkeiten zu bejahen“. Dies erfordere „keineswegs einen vollständigen Bruch mit den Grundüberzeugungen der bisherigen kirchlichen Sexuallehre“. Es gehe vielmehr darum, ihre Einsichten an die gegenwärtigen Lebensverhältnisse und neuen Einsichten der Humanwissenschaften anzupassen.

(kap/kna – sk)
 

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14. März 2019, 11:04