Kardinal Christoph Schönborn Kardinal Christoph Schönborn 

Österreich: Schönborn erwägt Rückkehr ins Kloster

Kardinal Christoph Schönborn überlegt, nach seiner voraussichtlich 2020 anstehenden Emeritierung als Erzbischof von Wien wieder zurück ins Kloster zu gehen.

Das erklärte der 74-jährige Erzbischof von Wien in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“. Er habe ja eine „Absteige“ im Dominikanerkloster Retz, verbringe schon jetzt öfters die Montage dort und wolle dies in seiner Pension - Bischöfe reichen mit 75 ihren Rücktritt ein - noch häufiger tun. In Wien plane er sich im Umfeld des Dominikanerklosters niederzulassen – „denn ich bleibe ja beides: Bischof und Dominikaner - und hoffe das auch noch einige Jahre leben zu können“.

Zu seiner Erkrankung - bei ihm wurde vor wenigen Wochen Prostatakrebs diagnostiziert, die Operation ist für Mai angesetzt - erklärte Schönborn, er „lebe damit, dass ich einen Mitbewohner habe, der mir nicht freundlich gesonnen ist“. Sein Tumor sei nicht aggressiv und er habe laut den Ärzten gute Chancen auf Heilung - welche „wunderbar“ wäre, wie der Erzbischof betonte, um jedoch hinzuzufügen: „Werde ich nicht geheilt, ist das so tragisch? Darf ich mich nicht aufs Heimgehen freuen?“

„Irgendwann kommt der Moment, wo ich den Hobel hinlegen muss“

Jedenfalls sei ihm bewusst, dass die ihm verbleibende Zeitspanne kurz sei und die Jahre im Nu vergingen. „Irgendwann kommt der Moment, wo ich den Hobel hinlegen muss“, so Schönborn. Ihm sei es „absolut wichtig“, beim Sterben nicht alleine zu sein, sondern begleitet zu werden – „obwohl man wahrscheinlich sehr alleine ist“. Eine große Hilfe sei dabei auch der Glaube, dabei zu jemandem unterwegs zu sein.

Er sei auch „neugierig, wie es da drüben ist“, betonte der Kardinal. Eine genaue Vorstellung, „wie es ist nicht mehr in Raum und Zeit zu sein“, habe er nicht. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ist, wenn man mit Milliarden Menschen zusammen ist beim lieben Gott. Ich kann mir auch Gott nicht vorstellen, aber es gibt so etwas, wie eine Freude darauf.“ Hilfreich seien für ihm dabei die „sehr einfachen Worte“ von Jesus: „Ich gehe euch eine Wohnung bereiten. Wenn ich sie euch bereitet habe, werde ich kommen und euch holen.“

Dies wecke Erinnerungen an seine Kindheit, als seine Mutter ihn und die Geschwister am Karfreitag 1951 von Attersee nach Schruns holte, wo sie für die Familie eine Wohnung eingerichtet hatte. Dies sei „nicht tragisch“ gewesen, so der Kardinal.

Flüchtlingsschicksal ohne Geborgenheit

Seine Familie sei bis dahin eine „typische Flüchtlingsfamilie, die immer nur im Gaststatus war“, gewesen, berichtete Schönborn rückblickend auf seine ersten sechs Lebensjahre. Die Familie habe keine eigene Bleibe besessen, sondern sei ständig bei Bekannten und Verwandten einquartiert gewesen, „Geborgenheit war das wirklich nicht“, so der Kardinal. Dennoch habe er keine schlechte Erinnerungen an diese Zeit.

Auch sei die Ehe seiner Eltern nicht glücklich gewesen, erklärte der Wiener Erzbischof, der 1958 - als 13-jähriger - zum Scheidungskind wurde. Seine Eltern hatten im Zweiten Weltkrieg nach nur dreitägiger effektiver Bekanntschaft vor der Hochzeit geheiratet, dann habe sein Vater desertiert, sei zu den Engländern übergelaufen und mit diesen erst nach dem Krieg nach Österreich zurückgekommen - krank an Lungentuberkulose, weshalb er viel Zeit in der Schweiz verbringen musste. Das Sterben seines Vaters mit 62 Jahren habe er später an dessen Seite als „intensives und friedliches Erlebnis“ miterlebt. Schönborn: „Er hat losgelassen und ist bewusst hinübergegangen.“

Über seine Beziehung zu seiner heute 99-jährigen Mutter Eleonore gab Schönborn an, dieses sei in seiner Kindheit „nicht gefühlsbetont, aber herzlich“ gewesen. Er sei von ihr nie in den Arm genommen worden, da dies ihren Angaben zufolge nicht üblich gewesen sei, was sie sich später vorgeworfen habe und bedauere. Besonders in der Zeit der Trennung sei für ihn die Großfamilie wichtig gewesen, erklärte der Kardinal.

„Geschwister frömmer als ich“

Auch wenn die Kirche für seinen Vater gar keine Rolle gespielt habe und die Mutter sonntags deshalb zum Gottesdienst gegangen sei, „weil das dazugehört hat“, habe er mit elf Jahren „sehr explizit den Wunsch verspürt, Priester zu werden“, berichtete Schönborn. Beeindruckt habe ihn das Vorbild eines Priesters und Religionslehrers, zudem habe er auch eine „ganz persönliche Glaubenserfahrung“ gemacht. Seine Geschwister hätten mit 14 Jahren mit dem Kirchgehen aufgehört, heute aber „sind sie frömmer als ich“, so der Kardinal. Seinem Empfinden nach seien sie ihm in Sachen Glaubenshaltung „in vielerlei Hinsicht voraus“.

Sehr bewusst habe er sich dann mit dem Ordenseintritt „nicht für die Familie, aber für das Gemeinschaftsleben entschieden“. Er habe bei den Dominikanern Gemeinschaft gefunden, in sehr wertvollen Freundschaften gelebt und nie das Gefühl einer drückenden Einsamkeit empfunden, erklärte Schönborn. Auch habe er die Ehelosigkeit „nie primär als Defizit erlebt“, wenngleich ihm eine Partnerschaft mit einer Frau abgegangen sei - was jedoch „ganz normal“ sei. „Ich habe das in meinem Leben mehrmals als eine Entscheidung erlebt, die immer wieder zu treffen ist“, so der Erzbischof. Das Fehlen der Kinder sei erst später, beim Erleben der Neffen und Nichten, dazugekommen. „Gleichzeitig habe ich als Kind erfahren, welch wunderbare Anlaufstellen unverheiratete, kinderlose Tanten und Onkeln für die ganze Familie waren.“

Nach 28 Jahren Kloster mit täglichem Austausch mit den Mitbrüdern habe für ihn dann vor ebenfalls 28 Jahren der Ruf, Bischof zu werden, eine „riesige Umstellung“ bedeutet. „Die ersten Jahre fühlte ich mich wie aus dem Nest gefallen“, bekannte der Kardinal. Mittlerweile habe er sich damit abgefunden und wisse Zeiten des Alleinseins zu schätzen, „weil meine Tage randvoll mit Begegnungen sind“.

(kap – sk)
 

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23. April 2019, 11:05