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Papst segnet Tiroler Engelsskulptur für Menschen mit Behinderung

Einen großen, leuchtenden Engel mit nur einem Flügel hat Papst Franziskus an diesem Mittwoch am Rand der Generalaudienz gesegnet. Die gut zwei Meter große Skulptur gehört zu der österreichischen Behinderten-Organisation „RollOn Austria“ und ist „ein Symbol für das nicht perfekte Leben“, sagte uns Obfrau Marianne Hengl. Sie hat auch ein paar Anregungen, was die katholische Kirche noch deutlich verbessern kann im Umgang mit behinderten Menschen.

Marianne Hengl: „Dieser Engel ist das erste Denkmal für das behinderte Leben weltweit. Und zwar ist das ein 2,30 Meter großer Engel. Er hat nur einen Flügel. Der andere ist abgebrochen. Das ist ein Symbol für das nicht perfekte Leben. Es lohnt sich, hinter die Fassade zu schauen, hinter diesen Engel zu schauen. Wie bei Menschen mit Behinderungen. Weil einfach jeder Mensch kostbar ist. Wenn man sich die Zeit nicht nimmt, Menschen kennen zu lernen, dann wird man immer voller Vorurteile sein. Das ist für unser behindertes Leben nicht gut.“

Vatican News: Sie haben einmal gesagt: Ich will behindert sein dürfen. Was meint das?

Marianne Hengl: „Es ist so, dass in Österreich in den letzten Wochen ständig diskutiert wird, ob der Paragraf 97b fällt, wonach ein behindertes Kind bis zu dem Tag vor der Geburt abgetrieben werden darf - und das ist eine Diskriminierung höchsten Grades! Ich will einfach behindert sein dürfen. Ich will mit niemandem tauschen. Ich liebe dieses Leben, auch wenn es eine große Herausforderung ist. Ich habe die beste Familie, die ich bekommen konnte. Ich bin schon bald 25 Jahre verheiratet. Mein Mann hat keine Behinderungen, er ist gesund. Er hat sich in meine Fröhlichkeit verliebt. Deshalb setze ich mich auch einfach so ein für unser Leben, weil es auch wichtig ist, dass es in Zukunft unsere Fröhlichkeit gibt und unsere Existenz. Auch wenn ich jetzt lache und strahle über beide Ohren, bin ich oft traurig und erschüttert, denn ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal die Kraft aufwenden muss, um für unser Leben einzustehen.“

Hier das Interview zum Hören:

Vatican News: Was können Leute, die keine Behinderung haben, lernen von Leuten, die eine Behinderung haben?

Marianne Hengl: „Der behinderte Mensch ist viel zufriedener. Der behinderte Mensch schätzt das Leben viel mehr. Er sieht das Leben mit einer anderen Facette. Eigentlich ist es oft so, dass Menschen, die es nicht so leicht haben im Leben, mit Schicksalsschlägen und mit Situationen oft viel besser umgehen können als so verwöhnte Menschen. Wir wollen einfach auch sagen, dass es nicht unbedingt das perfekte Glück braucht, um ein zufriedener Mensch zu sein. Wenn man sich jeden Tag das Essen eingeben lassen muss, dann lernt man auch einfach dieses Leben von einer anderen Facette kennen. Ich sage halt einfach: Das hat uns geprägt, das hat uns reifen lassen. und da haben wir ein Level erreicht, das viele nicht erreichen werden.“

Vatican News:  Warum empfinden Sie die katholische Kirche oder auch den Papst als Verbündeten in Ihrem Anliegen?

Marianne Hengl: „Ich bin sehr froh, dass wir einfach einen ganz tollen Papst haben, der sehr authentisch ist, der sehr menschlich ist, der seine Gefühle reden lässt. Ich habe das Gefühl: Da sind wir gut aufgehoben. Man muss aber schon dazu sagen, dass die Kirche nach wie vor viele Fehler macht in diesem Bereich. Das ist es, was ich schon noch erreichen möchte, dass ich in verschiedensten Botschaften der Kirche sagen möchte: Bitte, ihr habt eine Verantwortung.“

„Auf der einen Seite schreien sie uns an und sagen, das ist Mord, wenn man ein behindertes Kind nicht auf die Welt bringt. Und auf der anderen Seite lässt man die Familien im Regen stehen. Also, das geht überhaupt nicht!“

Vatican News: Also auch in kirchlichen Institutionen lässt die Kirche Familien mit behinderten Kindern alleine?

Marianne Hengl: „Zum Beispiel hat mich kürzlich eine Familie angerufen, dass der Pfarrer nicht einverstanden ist, dass das Kind am Erstkommunionunterricht teilnimmt, weil er ja eh nichts versteht. Da habe ich dann natürlich Vollgas gegeben und habe mit den Medien gedroht, aber das ist eine Beleidigung und Diskriminierung im kirchlichen Kreis, also so etwas darf überhaupt nicht geben. Oder ein Pfarrer, der sich nicht traut, einem behinderten Kind die Hostie zu geben. Auf der einen Seite schreien sie uns an und sagen, das ist Mord, wenn man ein behindertes Kind umbringt und es nicht auf die Welt bringt. Und auf der anderen Seite lässt man die Familien im Regen stehen. Also, das geht überhaupt nicht!“

Vatican News: Seit 30 Jahren gibt es den Verein RollOn. Das ist Ihre Jubiläumsveranstaltung hier in Rom. Was ist in diesen 30 Jahren geglückt, was die Integration von Menschen mit Behinderungen betrifft?

Marianne Hengl: „Was ist österreichweit gelungen? Dass der behinderte Mensch neugieriger betrachtet wird, dass man nicht mehr so wahnsinnige Berührungsängste hat, dass in dem Kopf der Menschen sich schon was abgespielt hat und auch die Barrieren beseitigt worden sind, die uns das Leben schwermachen.“

RollOn Austria

Die österreichische Behinderten-Organisation „RollOn Austria" begab sich mit einer Gruppe von rund 90 Personen nach Rom. Marianne Hengl, Initiatorin und Obfrau des in Tirol beheimateten Vereins, führte die Gruppe gemeinsam mit dem Innsbrucker Bischof Hermann Glettler an. Der Engel, den Papst Franziskus bei der Generalaudienz segnete, soll nun um die ganze Welt reisen und Wertschätzung für behindertes Leben stärken, so Hengl.

(vatican news – gs)

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05. Juni 2019, 12:01