D: Caritas sieht Potential beim Fachkräfte-Einwanderungsgesetz
DOMRADIO.DE: Geht das geplante Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in die richtige Richtung?
Prälat Peter Neher (Präsident des Deutschen Caritasverbandes): Ich denke, es geht in die richtige Richtung. Es wird natürlich wie angekündigt zentral sein, die Visa- und Anerkennungsverfahren zu beschleunigen. Es braucht Informationsangebote für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, vor allem niederschwellige, erreichbare Ansprechpartner.
Ich glaube, das ist für die Fachkräftegewinnung grundsätzlich wichtig. Ein spezielles Thema bleibt natürlich, wie es die sozialen Berufe, insbesondere Pflegekräfte, betrifft.
DOMRADIO.DE: Sie sagten, es brauche niederschwellige Ansprechpartner. Was genau meinen Sie damit?
Neher: Ich meine Ansprechpartner, die im Einzelfall beraten können. Wie läuft es, wenn jemand in unser Land kommt? Was ist mit den Sprachqualifikationen? Welche Möglichkeiten sind da, sich hier zu integrieren? Ich denke, es braucht eine Art "Willkommenskultur am Arbeitsplatz".
Es ist eben nicht damit getan, Menschen aus anderen Ländern anzuwerben, sondern man muss dann auch dafür Sorge tragen, dass jemand einen Fuß auf den Boden bekommt, sich hier wohlfühlt und arbeiten kann.
DOMRADIO.DE: Es geht also darum, tatsächlich jeden Arbeitnehmer einzeln in den Blick zu nehmen?
Neher: Ja, und ich glaube, je nach Beruf ist dies auch unterschiedlich zu bewerten. Wichtig erscheint mir, grundsätzlich darauf zu achten, die Interessen der Migrantinnen und Migranten und die eigenen Bedarfe in Einklang zu bringen. Wir können unseren Fachkräftemangel nicht zu Lasten anderer Länder lösen, wo möglicherweise ähnliche Probleme bestehen. Es muss ein gemeinsames Interesse geben, alle Beteiligten zu berücksichtigen.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet das neue Gesetz für die Beschäftigung von Pflegekräften aus Nicht-EU-Ländern? Macht es die Jobs für diese Pflegekräfte attraktiver und deren Einstellung gleichzeitig einfacher?
Neher: Da muss man deutlich sagen: Es ist nach wie vor zentrale Aufgabe der Politik, mehr junge Menschen hierzulande für diese Berufe zu begeistern und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern und Anreize zu schaffen, dass jene in den Beruf zurückkehren, die ihm vielleicht vor Jahren den Rücken gekehrt haben. Das ist das erste.
Das zweite ist, die pflegerischen Berufe so zu gestalten, dass sie für den Einzelnen eine Bereicherung und eine attraktive Arbeitsmöglichkeit sind. Es darf jedoch nicht zulasten der Herkunftsländer gehen. Und es darf die Politik nicht entlasten, für gute Arbeitsbedingungen bei uns zu sorgen.
Wir können unseren Mangel nicht dadurch ausgleichen, dass wir so viele Fachkräfte aus dem Ausland holen, wie wir brauchen. Die werden wir nicht finden, das funktioniert nicht. Und nochmal: Wir haben unsere Hausaufgaben zu leisten, damit die Berufe hier attraktiver werden.
DOMRADIO.DE: Welchen Anteil haben die Pflegekräfte aus Nicht-EU-Ländern? Haben Sie einen Überblick?
Neher: Ich habe da keinen genauen Überblick. Es gibt natürlich in den unterschiedlichen Regionen auch unterschiedliche Zahlen und Erfahrungen dazu. Man muss auch auf die Mentalität und die kulturelle Herkunft gucken. Wie passen die? Und wie fühlen sich Menschen mit den Arbeitsbedingungen bei uns wohl?
Ich habe keine genauen Zahlen, aber letztlich ist es so, dass Beschäftigte aus anderen Ländern eine Bereicherung sein können. Wir müssen nur darauf achten, dass es nicht zu einem Braindrain oder "Caredrain" kommt, dass also dann diese Arbeitskräfte in den Herkunftsländern fehlen. Darauf müssen wir achten.
Allein die Zahl, dass bei uns 80.000 bis 100.000 Pflegekräfte fehlen, macht schon deutlich, dass sich das in sehr geringem Rahmen halten wird, wenn Menschen aus Nicht-EU-Ländern bei uns Arbeit finden.
DOMRADIO.DE: "Am Ende wird es heißen, wir riefen Fachkräfte und Sozialhilfe-Empfänger kamen" - das ist ein Zitat von Alice Weidel. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Neher: Dieses populistische Geschwätz entlarvt sich ja selbst. Es ist natürlich klar, dass für Fachkräfte, die gesucht werden, auch die entsprechenden Arbeitsbedingungen da sein müssen. Sie zahlen ja auch in die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land ein. Und wenn Not ist, dann gelten diese selbstverständlich auch für sie.
Unabhängig davon müssen wir gucken, dass hier auch gute Rahmenbedingungen herrschen, damit jene, die jetzt in diesen Berufen arbeiten, gut bei uns arbeiten können. Aber dieses Thema darf nicht dazu verführen, in populistisches Gequatsche zu verfallen wie es der genannten Partei eigen ist.
(domradio - mg)
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