Freiwilliges Ordensjahr: Wenn vier Generationen unter einem Dach leben
Ines Schaberger – Wien
Drei bis zwölf Monate in einer Ordensgemeinschaft mitarbeiten, das Klosterleben aus der Innenperspektive kennen lernen und Zeit für Gebet und Perspektivenwechsel finden – und das ohne die Verpflichtung, sich dauerhaft an die Ordensgemeinschaft binden zu müssen: Das ist das sogenannte „Freiwillige Ordensjahr“. Schwester Ruth Pucher hat dieses Angebot vor etwas mehr als drei Jahren in Österreich ins Leben gerufen.
„Ziel des Ordensjahres ist es, Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen und Weggefährtenschaft zu fördern zwischen Ordensleuten und Menschen aus anderen Lebenskontexten“, sagt Ruth Pucher, die im Kardinal König Haus in Wien für Ordensentwicklung zuständig ist.
„Junge Menschen kommen eher mit der Frage, ob das Ordensleben etwas für sie als dauerhafte Lebensform wäre, ältere Leute hingegen beim Übergang in die Pensionierung oder wenn die Kinder aus dem Haus sind. Frauen Mitte 40 fragen sich beispielsweise: ‚War es das jetzt schon? Was könnte meinem Leben mehr Tiefe geben?’“, erklärt die Missionarin Christi. Sie hat als Koordinatorin des Freiwilligen Ordensjahres rund 30 Personen dabei geholfen, die für sie passende Ordensgemeinschaft zu finden.
Ein Jahr bei Franziskanerinnen – mit Verlängerung
Eine von ihnen ist Jana Roschitz. Als ich bei ihr anrufe, hat sie die Hände voller Kekseteig. Gemeinsam mit den Franziskanerinnen bäckt sie in der hauseigenen Großküche, die zum Kindergarten gehört, den die Schwestern führen. Die Theologiestudentin lebt bereits das dritte Jahr bei den Schwestern von der schmerzhaften Mutter in Wien Simmering. Das „Freiwillige Ordensjahr“ gefiel ihr so gut, dass sie nach dessen Abschluss fragte, ob sie weiter bei den Schwestern leben könne.
„Im Vergleich zu einer klassischen WG ist das Gemeinschaftsleben intensiver, es wird anders mit Konflikten, aber auch mit schönen Dingen umgegangen, als ich das aus meiner Familie kenne. Alle Schwestern und die anderen, die mitleben, versuchen, an einem Strang zu ziehen und Gott zu suchen. Das gibt der Gemeinschaft eine ganz andere Dynamik, als wenn man in einer WG zusammen lebt“, sagt sie.
Neben den acht Schwestern, von denen drei noch berufstätig sind, leben drei weitere Frauen und Jana Roschitz mit. Die älteste Schwester ist 90 Jahre alt. „Ich sehe das als Bereicherung, weil sich die unterschiedlichen Generationen herausfordern und die eine Generation von der anderen profitiert", so Jana Roschitz.
Morgengebet um 6.30 Uhr
Wie sieht ein klassischer Tag bei den Franziskanerinnen aus?
„Wir beten die Laudes um 6.30 Uhr, anschließend frühstücken wir. Dann geht jede Schwester ihrer Tätigkeit nach. Manche Schwestern sind berufstätig, manche in Pension, manche üben ein Ehrenamt aus oder arbeiten im Haus. Ich gehe dann auf die Uni. An manchen Abenden sind wir in der Pfarre, an anderen beten wir die Vesper oder treffen uns zum Bibelgespräch“, erklärt Jana Roschitz.
Vom Ordensjahr zur Ordensfrau?
Das Freiwillige Ordensjahr – und die Zeit jetzt – nutze sie, um für sich zu klären, ob sie selbst Ordensfrau werden möchte. „Ich bin noch jung, schließe erst mein Studium ab und möchte nichts überstürzen“, erklärt die 24-Jährige: „Ich weiß, dass ich mir nie 100 Prozent sicher sein kann, aber man kann schauen, wo man am Glücklichsten ist“. Geistliche Begleitung, also regelmäßige Gespräche mit einer erfahrenen Ordensfrau helfen ihr dabei.
Ruth Pucher ist es wichtig, dass Ordensgemeinschaften keinen Druck auf die Teilnehmenden ausüben: „Indem ich als unabhängige Vermittlerin dabei bin, ist der Verdacht, dass wir hier Leute rekrutieren wollen, geringer. Dass aber Gemeinschaften natürlich im Hinterkopf haben: ‚Da kommt eine junge Frau Anfang 30, die lieb und auch noch gescheit ist, die wäre doch etwas für uns!’ – dieses Kino im Kopf oder manche Andeutung kann man nicht ganz abstellen.“
Sie überprüfe daher genau, aus welchen Gründen sich Gemeinschaften bewerben und ermutige sie, Menschen aus allen Altersgruppen aufzunehmen: „Gemeinschaften, die auch ältere Leute aufgenommen haben, machen die Erfahrung, dass es die Gemeinschaft verändert, wenn sie einen Gast für länger aufnimmt und ihn nicht nur als Gast behandelt, sondern als Teil der Gemeinschaft akzeptieret“.
Weitere Informationen zum „Freiwilligen Ordensjahr“ in Österreich finden Sie auf der Website www.ordensjahr.at.
Seit diesem Jahr gibt es das Angebot auch in Deutschland.
(vatican news)
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