Unser Sonntag: „Sollen wir auf einen anderen warten?“
3. Advent Mt 11,2-11
Wann haben sie zuletzt auf jemanden oder auf etwas gewartet? Warten kann manchmal ziemlich lästig sein, zum Beispiel wenn wir im Wartezimmer des Arztes sind, und all die niesenden und hustenden Erkältungsopfer um uns herum ertragen müssen bis wir an der Reihe sind ins Sprechzimmer zu gehen. Warten kann nervtötend sein, wenn wir es gerade eilig haben und die Ampel partout nicht grün werden will, wenn unser Zug schon wieder 15 Minuten Verspätung hat oder wenn es in der Schlange an der Kasse im Supermarkt nicht vorwärts geht.
Familien kennen die quengelnde Frage der Kleinen auf dem Autorücksitz bei langen Urlaubsreisen nur zu gut: „Mami, Papi, wie lange dauert es noch?“ Und nicht nur Kindern kommen die 24 Tage bis zum Heiligen Abend unendlich lange vor. Zum Glück gibt es Mittel wie den Adventskalender, um das Warten zu verkürzen. Wenn wir im Alltag nicht länger warten wollen, greifen wir schnell auf unseren ständigen Wegbegleiter, das allzeit bereite Handy zurück und fragen die verspätete Person am Telefon, wann er oder sie endlich am vereinbarten Treffpunkt erscheinen wird. Wir tun vieles, um das Warten tunlichst zu vermeiden.
Warten kann bereichernd sein
Warten kann aber auch bereichernd sein. Die Natur, die ganze Schöpfung erinnert uns immer wieder daran, dass vieles nicht künstlich beschleunigt werden kann. Ein Grashalm, ein Baum, eine Ameise, ein Elefant oder ein Menschenkind – sie alle brauchen ihre Zeit, wenn sie gesund heranwachsen und für das Leben gewappnet sein sollen. Wer diese Prozesse durch einen Eingriff von außen verkürzen will, der löscht einen wesentlichen Aspekt unserer menschlichen Erfahrung aus: die Spannung, die Vorfreude, das Wachsen, das Warten. Auch mit enttäuschten Erwartungen umzugehen, gehört zum Leben. Ja, das Warten will gelernt sein. Die schönste Seite des Wartens ist sicher die Zeit, wenn man jemanden erwartet, den man sehr gerne hat, auf den oder die man sich unheimlich freut, den man vielleicht ganz lange nicht mehr gesehen und im Arm gehalten hat. Wenn wir eines Tages nichts oder niemanden mehr erwarten, dann steht es nicht gut um uns.
Bist Du der, der kommen soll?
Momentan befinden wir uns auch in einer Wartezeit. Im Advent warten wir auf die Ankunft des Herrn, auf seine Menschwerdung mitten in unserer Welt. Wir warten auf das Kommen von Jesus Christus. Im Evangelium des 3. Adventssonntags spielt das Warten eine wichtige Rolle.
„Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“, möchte Johannes der Täufer von Jesus wissen (vgl. Mt 11,3). Johannes, der Wüstenprediger, Wegbereiter, der Vorläufer Jesu, der ihn im Jordan getauft hat, hat plötzlich Zweifel? Wir müssen uns in seine Situation hineinversetzen, um seine Frage besser zu verstehen. Johannes sitzt im Gefängnis und lässt diese Frage über seine Gefolgsleute an Jesus herantragen, von dessen Taten er gehört hat (vgl. Mt 11,2). Lange Jahre kündigte Johannes der Täufer das Kommen des Messias wortgewaltig an und mahnte zur Umkehr, wie wir am 2.
Adventssonntag gehört haben. Doch sein klares Wort führte ihn ins Gefängnis. Denn er hatte es gewagt, Herodes, den König des jüdischen Volkes, wegen seines ehebrecherischen Verhältnisses zu seiner Schwägerin Herodias zu kritisieren. Herodes ließ Johannes deshalb verhaften, um ihn mundtot zu machen. Kaltgestellt im Gefängnis hängt Johannes nun seinen Gedanken nach. Er kann jetzt nichts mehr weiter tun, als sich wieder und wieder zu fragen, ob seine Predigt und sein Handeln richtig waren, ob es sich gelohnt hat.
Es gibt Fragen, die nicht so einfach mit Ja oder Nein zu beantworten sind. Dazu gehört die Frage, ob sich mein Engagement für eine Sache gelohnt hat. Ob die kleinen Dinge, die ich beigetragen habe, etwas bewirkt haben. Ob ich auf das richtige Pferd gesetzt habe oder falschen Träumen nachgehangen bin. Darauf würde ich schon gerne eine Antwort wissen, irgendwann. Genauso geht es Johannes dem Täufer, als er im Gefängnis sitzt und über seine Jünger von den Taten Jesu hört. Johannes selbst hatte ja auf ihn gezeigt. Ist Jesus Christus wirklich der Richtige, auf den sich das Warten gelohnt hat? Hat sich nun endlich erfüllt, was Gott uns schon Jahrhunderte lang versprochen hat?
Ganz ehrlich: Es darf uns ein Trost sein, dass selbst der wortgewaltige Prediger Johannes in diesen dunklen Stunden an seiner eigenen Botschaft zweifelt. Das ist menschlich. Der einzige, der uns diese Zweifel nehmen kann, ist Jesus Christus. Er richtet uns im Dunkel auf, so wie er Johannes eine – wenn auch verschlüsselte – Antwort zukommen ließ. Zugegeben, man hätte es auch einfach und direkt sagen können. Jesus hätte Johannes übermitteln lassen können, „Ja, ich bin es.“ oder „Nein, ich bin es nicht“, und die Sache wäre klar und abgeschlossen gewesen. Doch die Antwort Jesu an Johannes den Täufer im Gefängnis ist viel mehr als ein bloßes Ja. Bei genauem Hinsehen ist die Nachricht überwältigend, denn durch sie erweisen sich die größten Hoffnungen und Sehnsüchte an den erwarteten Messias als erfüllt: „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“ (vgl. Mt 11,5).
Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt
Die Taten Jesu sprechen für sich. Die Antwort, die Jesus gibt, ist der Grund, warum diese Stelle des Evangeliums eine Frohe Botschaft ist, eine Botschaft der Freude, obwohl das Wort „Freude“ selbst gar nicht vorkommt. Jesus sagt Johannes und uns: Macht eure Augen und Ohren auf, seht und hört genau hin, dann werdet ihr erkennen: Was unmöglich erscheint, wird möglich; was krank ist, wird geheilt; was gebrochen ist, wird vollendet. Dass Blinde wieder sehen, Lahme wieder gehen, Aussätzige geheilt werden, Taube hören, Tote aufstehen und den Armen das Evangelium verkündet wird – sind das nicht die besten Nachrichten, die wir je gehört haben? Sind das nicht Beweise genug dafür, dass sich in Jesus Christus erfüllt hat, was Gott uns so lange versprochen hat?
Als Johannes der Täufer die Worte Jesu durch seine Jünger übermittelt bekam, wusste er sicher sofort, was Jesus damit meinte. Schon der Prophet Jesaja, von dem die heutige alttestamentliche erste Lesung stammt (vgl. Jes 35,1-6a.10), kündigte an, dass sich das Kommen des Messias durch genau diese Taten zeigen wird. Gott selbst wird kommen und sein Volk retten. Gott wird Mensch sein unter uns und für uns.
Gaudete: Was krank ist, wird geheilt....
Diese Frohe Botschaft, diese gute Nachricht gibt dem 3. Adventssonntag den besonderen Namen „Gaudete“ (lateinisch: Freuet euch!). In der adventlichen Zeit der Buße, der Vorbereitung und des Wartens auf das Kommen des Messias leuchtet uns durch dieses Evangelium ein Licht auf im Dunkel: Freut euch, etwas Großartiges wird passieren, denn bald ist es so weit: Gott sendet seinen Sohn mitten unter uns, und alles wird neu und heil werden. Halleluja! Glücklich ist der Mensch, der sieht und hört und die Zeichen Gottes begreift.
Als sich die Jünger des Johannes auf den Weg machen, um dem Gefangenen diese Frohe Botschaft im Gefängnis zu überbringen, holt Jesus vor seinen Zuhörern zu einem verbalen Befreiungsschlag aus für seinen Vorläufer, der ihn auch getauft hat. Diese Verteidigungsrede richtet sich an all jene, die Johannes den Täufer aufgrund seiner Predigt und seines asketischen Auftretens verspotteten und an alle, die seinen Worten keinen oder nur halbherzigen Glauben schenkten.
Jesus betont ausdrücklich: „Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird“ (Mt 11,10; vgl. u.a. Mal 3,1). Johannes der Täufer ist mehr als ein nur ein Postbote, der den verschlossenen Umschlag überbringt, ohne die wichtige Nachricht darin zu kennen. Jesus Christus bezeugt, dass Johannes in seinem Sinn den Weg für ihn bereitet hat. Johannes ist der wahre Rufer in der Wüste – der unbeirrbar vom Reich Gottes kündet, der den Weg bahnt für all die Notleidenden und der deshalb die Paläste der Reichen links liegen lässt.
Johannes ist also eindeutig der Vorläufer des Messias; der letzte in der Reihe der Propheten. Nach ihm wird keiner mehr kommen. Das war die höchste Wertschätzung, die man damals über einen Menschen sagen konnte, und genau das tat Jesus mit seinen Lobesworten für Johannes den Täufer.
„Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ Das heutige Evangelium mit der Frage von Johannes dem Täufer und der bestärkenden Antwort Jesu an ihn soll auch uns bestärken, damit wir sagen und leben können: „Ich will auf keinen andern warten. Amen.“
(vatican news - claudia kaminski)
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