Österreich: Zehn Jahre Klasnic-Kommission
Anlass für ihre Wortmeldung in der Wochenzeitung „Furche“ war das zehnjährige Bestehen der von Klasnic mit anerkannten Fachleuten besetzten Kommission, mit der die Kirche in Österreich „international führend geworden“ sei. Die Aufarbeitung und Betroffenenhilfe brauche freilich Ergänzung durch Bewusstseinsbildung und Präventionsarbeit. „Es kann und darf keinen Schlussstrich geben“, betonte Klasnic.
Die frühere steirische Landeshauptfrau berichtete, dass seit 2010 insgesamt 2.305 Betroffenen finanzielle Hilfen bzw. Kostenübernahmen von Therapiestunden in der Höhe von 30,7 Millionen Euro zugesprochen wurden. Von 2.496 an die Opferschutzkommission herangetragenen Fällen seien somit 92,3 Prozent anerkannt worden. Laut Klasnic handelte es sich oft um Mehrfachvergehen: in 78 Prozent der Fälle um körperliche Gewalt, in 77 um psychische und in 30 Prozent um sexuelle Gewalt. Der Großteil der Übergriffe sei im Zeitraum von den 1970er bis zum Beginn der 1990er Jahre geschehen.
Acht ehrenamtliche Fachleute
Vorausgegangen war diesen Fällen mit zum Teil stundenlangen Aufarbeitungsgesprächen - Klasnic selbst führte laut eigener Aussage mehr als 1.000 davon - ein Anruf des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Schönborn, am 26. März 2010 bei Waltraud Klasnic. Er fragte die ehemalige Spitzenpolitikerin, ob sie bereit sei, sich der Opfer von Gewalt und Missbrauch in der katholischen Kirche anzunehmen. Klasnic sagte zu – „unter den Bedingungen, weisungsungebunden und frei zu sein und den einzuschlagenden Weg selbst zu suchen“, wie sie betonte.
Klasnic stellte eine unabhängige Opferschutzkommission mit acht ehrenamtlich tätigen Fachleuten aus Justiz, Medizin, Psychologie und Medien zusammen. Betroffene, deren Fälle positiv beschieden werden, erhalten bis heute Zahlungen der kirchlichen „Stiftung Opferschutz“.
Diese Vorgangsweise machte Schule in Österreich und darüber hinaus: „Auch die Stadt Wien, in deren Heimen ebenfalls viel geschehen ist, hat unser Entschädigungsmodell übernommen“, wies Klasnic hin. Dass es nun ein Heimopferschutzgesetz gebe, „ist ein Ergebnis unserer Arbeit“. Auch Professor Hans Zollner von der Gregoriana in Rom habe als Leiter des päpstlichen Kinderschutzzentrums gemeint, man müsse die österreichische Expertengruppe „klonen“.
Klasnic betonte deren Unabhängigkeit auch gegen anderslautende Vorwürfe etwa der „Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt“. Es werde jedem Betroffenen angeboten, sich bei Juristen Rat zu holen, „und diese juristische Auskunft wurde von uns auch finanziert. Ebenso das bis zu zehnstündige Clearing, das die Psychologen vorgenommen haben, um jeden Fall genau aufzuarbeiten".
Keine Rücksicht auf das Image der Kirche
Die Kommission habe in den vergangenen zehn Jahren bewiesen, „dass uns jeder Mensch wichtig ist, und wir in keinem einzigen Fall gesagt haben: Das passt nicht oder das machen wir nicht, weil wir auf die Kirche Rücksicht nehmen müssen“. Sie hätte diese Aufgabe „nie angenommen, wenn ich jemanden in der Kirche schützen wollte“, sagte Klasnic.
Über Missbrauch begünstigende Rahmenbedingungen und Organisationsformen in der Kirche sagte die ehemalige Spitzenpolitikerin, in kirchlichen Internaten habe es abgeschlossene Strukturen gegeben, in denen Kinderrechte unterdrückt wurden. Eltern hätten früher ihren Kindern nicht geglaubt, was sie ihnen erzählten. „Aber das hat sich maßgeblich geändert“, so der Eindruck Klasnics. Es sei zu Verbesserungen bei der Priesterausbildung und durch die Einrichtung diözesaner Ombudsstellen gekommen.
(kap – sk)
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