Jesuit Hagenkord: „Rasse“ aus dem Hochgebet streichen
DOMRADIO.DE: Sie haben, als Sie sich mit der Thematik beschäftigt haben, das Wort Rasse auch in einem eucharistischen Hochgebet in der katholischen Kirche entdeckt. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen, vor dem Hintergrund der aktuellen Rassismus-Debatte?
Jesuitenpater Bernd Hagenkord (Priester, Journalist, Blogger): Ich habe die Heilige Messe gefeiert, und es war gerade eine Thematik dran, von der ich dachte, es passt irgendwie, das eucharistische Hochgebet mit dem Thema Versöhnung hervorzuziehen, was ich normalerweise nicht tue.
Ich bin beim Beten dann geradezu über das Wort Rasse gestolpert und habe es automatisch geändert. Ich bin eigentlich kein Freund davon, Messtexte einfach individuell anzupassen, aber da konnte ich gar nicht anders, als einfach „Herkunft“ zu sagen und das Wort Rasse zu vermeiden. Da habe ich mich gefragt: Warum verwenden wir den Begriff hier eigentlich?
DOMRADIO.DE: Sie haben dann darüber nachgedacht und haben sich auch diesem Begriff gewidmet. Wo genau findet sich der Begriff „Rassismus“ denn in diesem besagten Hochgebet?
Hagenkord: Gott sammelt seine ganze Schöpfung zu sich, und da heißt es dann eben: Sammele die Menschen aller Rassen und Sprachen, Schichten und Gruppen zum Gastmahl der ewigen Versöhnung. Allein Versöhnung und Rasse zusammen, das klingt schon sehr merkwürdig. Das ist wahrscheinlich auch der Punkt, an dem ich dann wirklich eingehakt habe und mich gefragt habe: Warum steht das da? Was soll das da? Was sagt das wirklich? Ich denke, wir können gut ohne auskommen.
DOMRADIO.DE: Widmen wir uns nochmal kurz diesem umstrittenen Begriff. Rasse ist deshalb ein Problem, weil es ja in unserem Sprachgebrauch mit biologischen Merkmalen, mit Unterschieden verknüpft ist, die es so in der Form nicht gibt.
Hagenkord: Genau. Ich habe mich mal in die Thematik eingelesen, und ich habe keinen einzigen DNA-Biologen gefunden, der sagt, dass sich aufgrund von menschlicher DNA der Begriff Rasse rechtfertigen lässt. Es gibt keinen, der das sagt. Aber es gibt sehr viele, die sagen, es ist Unsinn und verunklart eigentlich die Situation. Wir können Menschen anhand von biologischen Merkmalen, DNA, nicht in Rassen einteilen, die gibt es nicht.
DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es ja Menschen, die finden, das sei ja gar nicht so außerordentlich wichtig. Der Begriff werde ja schon immer verwendet und wenn, dann sollte man doch wirklich was gegen Rassismus unternehmen. Was entgegnen Sie denn denen?
Hagenkord: Ganz biblisch: Das eine tun und das andere nicht lassen. Natürlich muss ich was gegen Rassismus tun, aber ich finde, ein verantwortungsvoller Umgang mit Sprache, zumal mit Gebetssprache, wo es um Identität geht, wo es um zentrale Orte des Christseins geht, nämlich um das gemeinsame Beten und das gemeinsame Messe feiern, da sollten wir reif und klug mit der Sprache umgehen. Und zum Umgang gegen den Rassismus gehört auch, so finde ich, dass man sich überlegt, ob das Wort Rasse hier an dieser Stelle Sinn hat – und ich meine nein.
DOMRADIO.DE: Es drückt natürlich auch eigentlich etwas aus, wofür Christen nicht stehen.
Hagenkord: Eben, es gibt Sprachen, wo das Wort Rasse etwas anderes bedeutet. Im Deutschen hat es nun mal, geschichtlich gesehen, eine ganz klare Bedeutung. Das ist vermintes Gebiet. Und ich finde, dem kann man sich widmen und überlegen: Wie kann man eigentlich 2020 vernünftig und verantwortet ein Hochgebet sprechen? Ich finde, ohne das Wort Rasse.
DOMRADIO.DE: Wäre es denn machbar, den Begriff Rasse so einfach aus der katholischen Liturgie zu streichen?
Hagenkord: Weil es kein theologischer Begriff ist, würde ich das bejahen. Ich vermute mal, dass die Leute, die es übersetzt haben, nicht bösartig waren, genauso wie die Leute, die das Grundgesetz geschrieben haben, nicht bösartig waren und nochmal einen bösen Gedanken damit reinschmuggeln wollten.
Ich glaube, das ist einfach dem Zeitgeist geschuldet. Da kann man ganz einfach, glaube ich, drangehen. Das ist kein theologischer Begriff, das ist kein biblischer Begriff. Da wird keine Formulierung aufgegriffen, etwa aus der Tradition. Da kann man relativ einfach darangehen, zumal wir ja sowieso dran sind, das Messbuch neu zu übersetzen. Da kann man das gleich mitmachen, ganz pragmatisch.
Hintergrund
Der Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt in den USA hat auch in Deutschland eine Debatte über Rassismus ausgelöst.
Politiker überlegen, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen, wo es in Artikel 3 heißt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
„Rassismus erfordert Gegenposition, Gegenrede, Handeln, Kritik und - vielleicht am schwierigsten - Selbstkritik, Selbstüberprüfung. Antirassismus muss gelernt, geübt, vor allem aber gelebt werden“, sagte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag bei einer Diskussionsrunde im Schloss Bellevue anlässlich der brutalen Polizeigewalt im US-amerikanischen Minnesota.
Im kirchlichen Bereich wird u.a. die Frage gestellt, ob eine Verwendung des Rassebegriffes in Gebeten und Kirchenliedern angemessen sei.
(domradio/vatican news - pr)
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