Wie grün ist der Vatikan?
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Nicht erst seit Laudato si', dem vor genau fünf Jahren veröffentlichten Lehrschreiben von Papst Franziskus, will der Vatikan sich ökologisch ausrichten. Vielmehr begann die grüne Wende im kleinsten Staat der Welt schon unter Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI., den Medien seinerzeit als „grünen Papst“ apostrophierten. Den Anfang machten die Solarzellen auf dem Dach der päpstlichen Audienzhalle, erklärt Bischof Vérgez, sie waren das erste sichtbare Zeichen. Die Anlage nahm im November 2008 den Betrieb auf, ein Geschenk der deutschen Firma Solarworld, damals einer der Big Player der Photovoltaik-Industrie.
Mensa mit Solar-Klimaanlage
„Die Solarzellen stellen Energie her, ohne verschmutzende Substanzen abzugeben“, so der Bischof. „Das entsprach den Zielen, die wir uns gesteckt hatten, um den Ressourcenverbrauch herunterzufahren. Deshalb waren die Solarzellen auf der Audienzhalle nur die ersten einer ganzen Reihe.“ So produzieren längst auch auf der vatikanischen Sternwarte in Tucson, Arizona, einer Außenstelle der Sternwarte der päpstlichen Sommerresidenz Castelgandolfo, Solarzellen den Strom. Das habe die Energiekosten wie auch die Kohlenstoffemissionen beachtlich reduziert, erklärt der Bischof. Im Vatikan selbst sei 2009 eine solarbetriebene Klimaanlage für die Betriebsmensa an den Start gegangen.
Beleuchtung
Ein großer Fixpunkt beim Energieverbrauch im Vatikan ist auch das Licht. „Da gibt es eine laufende Erneuerung der Stromsysteme durch LED-Leuchtkörper, Dämmerlicht und Sensoren der neuesten Generation, die die Lichtintensität den Schwankungen des natürlichen Lichts anpassen“, so der Generalsekretär des Governatorats. Er nennt als Beispiel die Decke der Sixtinischen Kapelle: minus 60 Prozent Stromkosten und Treibhausgasemissionen. Auf sogar minus 80 Prozent habe es die neue Beleuchtung des Petersplatzes und des Petersdoms gebracht. Auch hier war übrigens eine deutsche Firma am Werk, das traditionsreiche Münchner Unternehmen Osram lieh Expertise und schickte regelmäßig Beleuchtungsspezialisten in den Vatikan.
Außerdem, so Vérgez, schaltet jetzt am Ende des Arbeitstages ein Automat das Licht aus. Ausgemustert wurden elektrische Trafos, die außer Strom viel Wärme produzieren, und zwar insbesondere auch im vatikanischen Datenverarbeitungszentrum, wo die größten Rechner des Staates stehen.
Wiederaufforstung in den Vatikanischen Gärten
Und die Vatikanischen Gärten? Auch dort, im grünen Schmuckstück des Papst-Staates, nahm man sich das Ziel der Verteidigung des gemeinsamen Hauses zu Herzen. „Mit dem Projekt Biogärten zum Beispiel ist es uns in nur drei Jahren geglückt, auf chemische Unkrautvernichtungsmittel zu verzichten“, referiert der Bischof. „So haben wir der Artenvielfalt Raum gegeben und nutzen jetzt Produkte natürlicher Herkunft, um Unkraut zu beseitigen, sowie organischen Dünger.“
Außerdem habe die Gärtnerei eine Zählung des Pflanzenbestandes vorgenommen – mit Folgen. „Das führte zu einer Wiederaufforstung des Staates mit der Pflanzung von 250 neuen hohen Bäumen, wo sie im Laufe der Zeit entfernt worden waren, und der Erneuerung von etwa 2.300 Heckenpflanzen, die für die Vatikanischen Gärten charakteristisch sind.“
Der Vatikan und das Wasser
Auch beim Thema Wasser, das dem Papst in Laudato si' lieb und teuer ist, hat sich der Vatikanstaat selbst eine Reform verpasst. Die Devise lautet: Wassersparen. Derzeit entstünden geschlossene Kreisläufe für die Wasseraufbereitung der exakt 100 Brunnen in den Vatikanischen Gärten, dasselbe Wasser übrigens, das auch das Feuerlöschnetz innerhalb der Leoninischen Mauern speist. Zur Zeit arbeiten Ingenieure überdies an der Erneuerung des Bewässerungssystems der Gärten, das auf die Jahre nach 1929 zurückgeht. Auch hier komme die neueste Technik zum Einsatz, mit Formen von Automatisierung und rationaler Wassernutzung, die auch die jeweilige Witterung berücksichtigt - „ein Projekt, das eine Einsparung von etwa 60 Prozent der Wasserressourcen ermöglicht“.
Grüne Landwirtschaft in Castelgandolfo
Ein Seitenblick auf die Landwirtschaft: Ja, auch die gibt es unter päpstlicher Verantwortung – außerhalb Roms, aber zum Vatikan gehörend, in der (früheren) päpstlichen Sommerresidenz Castelgandolfo in den Albaner Bergen. In einer Ecke des weitläufigen Parks rund um die päpstlichen Villen hatte Papst Pius XI. damals in den 30er Jahren einen Bauernhof anlegen lassen, damit im Notfall die Versorgung des päpstlichen Hofes mit Lebensmitteln sichergestellt sei. „Sowohl beim Anbau als auch bei der Viehzucht, die auf dem Bauernhof durchgeführt werden, kommen Systeme und Techniken zum Einsatz, die den Boden respektieren und gleichzeitig Produkte von ausgezeichneter Qualität garantieren“, erklärt der Bischof.
Vatikan-Autos: Hybridantriebe und E-Modelle
Doch zurück in den Staat der Vatikanstadt mitten in Rom. Wie steht es dort eigentlich mit dem Transportwesen, mit den Dienstautos und diesen Dingen? „Seit 2014 ist der Verkehr der Fahrzeuge der Angestellten des Gouvernorats innerhalb des Staates begrenzt“, erklärt Vérgez. „Parken dürfen jetzt im Vatikan nur noch jene, die weiter als zwei Kilometer entfernt wohnen.“
Wie andere fortschrittliche Staaten setzt auch der Vatikan zunehmend auf E-Autos und Hybridfahrzeuge. 2018 habe man damit begonnen, Batterie-Ladestationen zu schaffen, heute halte man bei zehn Geräten mit 20 Ladepunkten. „Der Fuhrpark des Staates wird ebenfalls schrittweise mit Elektro- und Hybridfahrzeugen erneuert, die kostenlos ausgeliehen oder für staatliche Dienste gemietet werden können, wie dies bei der Vatikanischen Post der Fall ist“, so der Bischof.
Heizen und Kühlen
Viel Aufmerksamkeit schenke man auch dem Heizen und Kühlen von Gebäuden im Papststaat. Man habe das Wärmekraftwerk modernisiert und alte, umweltschädliche Klimaanlagen entsorgt, die Treibhausgase in die Atmosphäre pusteten. Die heute eingesetzten Klimaanlagen genügten „den anspruchsvollsten internationalen Normen, an die sich der Staat der Vatikanstadt sowie der Heilige Stuhl halten“, versichert der Bischof. Und auch wenn es nicht einfach sei, so etwas in teils jahrhundertealten Gemäuern höchsten architektonischen Wertes zu veranstalten: Alle Gebäude im Vatikanstaat sollen nach und nach moderne Fenster und Isolierungen erhalten, damit die Wärme – oder Kühle – innen bleibt.
Der Vatikan und die Mülltrennung
Besonders knifflig war die Sache mit der Mülltrennung im Vatikan, deutet der Bischof an - „eines der Hauptthemen der Arbeit des Governatorates“. Im Juli 2019 sei eine neue Verordnung dazu erschienen, die „eine korrekte und ökologische Verwertung der Abfälle“ im Vatikan anstrebte. Leitmotiv: Abfälle sind nicht länger als Müll zu betrachten, sondern als Wertstoff. Dazu habe der Vatikan seinen Müllplatz saniert und neu organisiert.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Sogar Sondermüll, gefährlicher und ungefährlicher, kann dort jetzt zu 99 Prozent sortiert werden, sagt der Bischof. Auf für organischen Abfall hat man sich etwas einfallen lassen. Zwar hat die Corona-Pandemie die Installierung eines hochmodernen Komposters bisher verhindert, aber der Plan ist: Biomüll, der im Vatikan anfällt, soll dortselbst in absehbarer Zeit zu Qualitätskompost aufgewertet werden. „Die dabei anfallenden 600 Tonnen organischen Materials werden in Form von Boden wieder der Natur zugeführt“, sagt der Bischof.
Vérgez verweist noch auf den heute hohen Grad der Mülltrennung: 98 Prozent der Abfälle werden im Vatikan korrekt getrennt – Papier, Glas, Kunststoff, Biomüll, Restmüll. Im umliegenden Rom, aber das sagt der Vatikan-Bischof nicht, liegt die Rate bei etwa 45 Prozent.
(vatican news)
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