Kardinal Jean-Claude Hollerich Kardinal Jean-Claude Hollerich 

Corona: Kardinal Hollerich gegen „nationalen Egoismus“

Kardinal Jean-Claude Hollerich fordert Solidarität unter den Staaten Europas ein. Wenn jedes Land wie am Anfang der Coronakrise zuerst einmal an sich denke, lande man bei einem „lokal-nationalen Egoismus“ – „und das kann sicher nicht christlich sein“.

Das sagte der Luxemburger Erzbischof am Sonntag in der tiroler Pfarrkirche Alpbach. Wie in anderen Fragen dürfe auch die Antwort auf das Virus „eben nicht national beschränkt sein“. Ziel müsse vielmehr sein, über Grenzen und Sprachregionen hinaus als europäische Staaten für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten. „Wir sind das gewohnt. Und wenn man das Gute gewohnt ist, fällt es nicht mehr auf“, so der Kardinal und Präsident der katholischen EU-Bischofskommission (Comece).

Die Europäische Union baue auf Versöhnung auf und auf dem Hinausgehen über das eigene „nationale Ich“, erinnerte der Kardinal. Dieser Weg müsse konsequent weitergegangen werden. „Das Wie obliegt den Politikern. Aber dass mehr Zusammenarbeit für das Wohl aller christlich ist, das darf man auch nicht verschweigen“, so Hollerich. Europa besteht aus multiplen Identitäten, „und das ist gut so“, meinte der Kardinal: „Diese Identitäten sollen offen sein im Dialog miteinander. Das Christentum steht für diesen Dialog, steht für Öffnung zu Gott und zu den Menschen.“

„Dass mehr Zusammenarbeit für das Wohl aller christlich ist, das darf man auch nicht verschweigen“

Die eigentliche Krankheit der Kirche in Europa

In seiner Predigt nannte Hollerich einen Mangel an Glauben als „eigentliche Krankheit der Kirche in Europa“. Gleichzeitig betonte er die Bedeutung eines gesellschaftlichen und auch politischen Engagements aus dem christlichen Glauben heraus. Wie der Apostel Petrus, könne jeder Christ zu einem Fels für die Kirche und für andere werden: in der tätigen Nächstenliebe, in Familie und Berufsleben, aber auch in Gesellschaft und Politik.

„Das heißt nicht, dass die Kirche Politik machen soll“, fügte der Kardinal hinzu. Politik werde von Christen gemacht, nicht von Bischöfen, Priestern und Diakonen. Die Kirche gebe aber mit ihrer Soziallehre die Richtung vor.

„Man muss alle Leute menschlich behandeln, und wenn das nicht geschieht, dann muss die Kirche reden“

Auch wie man etwa mit dem Flüchtlingsproblem umgehe, sei daher prinzipiell Sache der Politik. „Aber man muss alle Leute menschlich behandeln, und wenn das nicht geschieht, dann muss die Kirche reden“, betonte der Kardinal unter Verweis auf die Lage der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer. Es könne nicht sein, dass große Töne von europäischen Werten gesprochen werden, „die aber sofort enden, wenn es unserem nationalen Interesse widerspricht“, mahnte der Comece-Präsident.

(kap – sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

24. August 2020, 10:28