D: Bischof Genn ist gelassen, was die Vatikan-Instruktion betrifft
Für die einen Frust, für die anderen eine Bestätigung für die bisherige Bistumsführung: Bischof Genn erläutert, wie das jüngste Schreiben aus dem Vatikan bei ihm aufgenommen wurde:
„Ich sehe keinen Anlass, im Bistum Münster etwas zu verändern. Ich muss mich angesichts der Instruktion auch nicht für die Entwicklungen von neuen Leitungsmodellen in unserem Bistum rechtfertigen, weil wir alles dem Kirchenrecht entsprechend gemacht haben. Von daher bin ich ganz gelassen. Ich ändere nichts.“
Im Interview in der aktuellen Print-Ausgabe von „Kirche + Leben“ äußert sich Bischof Genn zur Instruktion der römischen Kleruskongregation mit dem Titel „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Diese war Ende Juli erschienen und hatte zu vielen, vor allem kritischen, Reaktionen geführt. In der Instruktion geht es insbesondere um die Rollen von Priestern und Laien und um die Frage, wer eine Pfarrei leiten kann.
Ziemlich überrascht
Bischof Genn fügt an, dass er von der Instruktion „ziemlich überrascht“ worden sei. „Da ist kommunikativ vieles nicht gut gelaufen“, betont er. Vor der Veröffentlichung wäre eine Beratung mit den betroffenen Bistümern und Bischofskonferenzen angebracht gewesen. Er könne verstehen, dass ein solcher römischer Text viele Emotionen auslöse. „Ich persönlich gehe ganz gelassen damit um. Und ich ermutige eindringlich dazu, sich nicht über Formulierungen in solchen Texten aufzuregen“, empfiehlt der Bischof. Er werde seinen Impuls zu Kreativität in der Gestaltung der Leitung von Pfarreien und Gemeinden im Bistum Münster nicht zurücknehmen – „im Gegenteil“, betont Bischof Genn und sagt: „Wir werden weiter kreativ verschiedene Wege gehen und mit den pastoralen Herausforderungen, vor denen wir stehen, in einem guten gemeinschaftlichen, dialogischen Stil umgehen.“ Er denke in diesem Zusammenhang insbesondere auch an die Frauen, die sich mit vielen Kompetenzen sehr engagiert in die Kirche einbringen würden.
Wichtig sei es vor dem Hintergrund der römischen Instruktion, zwischen der Leitung einer Pfarrei und der einer Gemeinde zu unterscheiden. Die Leitung der Pfarrei liege immer beim Pfarrer. Zugleich gelte aber: „Dass auch die Leitung einer Pfarrei im Team geschehen muss, ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine unbedingte Selbstverständlichkeit. Das ermöglicht einen anderen Stil. Da geht es nicht um Macht und Herrschaft, sondern um ein gutes Miteinander.“ Bei den pastoralen Teams in einer Pfarrei gehe es nicht zuerst um die Frage, wer den Hut aufhabe. Bischof Genn: „Es geht darum, Verantwortung zu teilen. Letztlich muss dann einer entscheiden, das muss aber nicht bei allen Fragen der Pfarrer oder Priester sein. Das gilt auch für ein Bistum und das geht mir als Bischof nicht anders als dem Pfarrer in der Pfarrei.“
Anpassung des Kirchenrechts
Der Bischof wirbt in dem Interview mit „Kirche + Leben“ für eine Anpassung des Kirchenrechtes, für eine theologische Diskussion über das Amt von Pfarrer und Priester, für eine bessere Absprache zwischen dem Vatikan und den Bistümern und für ein „gemeinsames Auf-den-Weg-gehen“ im Sinne des synodalen Prinzips.
Das Kirchenrecht, so betont der Bischof, habe sich immer weiter entwickelt und verändert. Viele der im Kirchenrecht beschriebenen Aufgaben beträfen weltliches Recht, das angepasst werden solle, weil sich seit dem Erscheinen des Kirchlichen Gesetzbuches im Jahr 1983 manches verändert habe. „Gerade weil es darum geht, die sakramentale Dimension des priesterlichen Amtes zu festigen, müssen wir die Priester von anderen Aufgaben entlasten“, betont Bischof Genn und fährt fort: „Mir ist es wichtig, das Priesterbild zu reinigen, damit es nicht überlastet wird von Verwaltungsaufgaben. Auch Priester, die daran sogar richtig Spaß haben, sagen mir, dass sie dafür nicht Priester geworden sind. Ohne Delegation und Übertragung von Leitungsaufgaben wird es nicht gehen.“
Im Miteinander zwischen der römischen Kurie und den Bischöfen, aber auch in der Kirche in Deutschland und im Bistum Münster sei noch „viel Luft nach oben“ auf dem Weg, eine synodale Kirche zu werden. „Ich bin überzeugt, dass man auch im Vatikan lernen wird“, sagt der Bischof. „Synodalität“ meine, dass jeder sich mit seinen Rollen und Fähigkeiten einbringe, aber auch seine Rolle wahrnehme. „Und der Entscheider kann nur entscheiden, wenn er wirklich mit auf dem Weg ist und nicht nur stumm dabeisitzt und hört und am Ende sagt: Ich habe euch alle gehört, aber ich mache trotzdem das, was ich will. Ich glaube, ich habe im Bistum noch keine wichtige Angelegenheit entschieden, ohne mich zuvor beraten zu haben“, unterstreicht der Bischof in dem Interview mit „Kirche + Leben“.
Vertrauen von Rom erwünscht
Als weltkirchliche Organisation komme die katholische Kirche massiv an ihre Grenzen, wenn sie wie nun in der Instruktion versuche, Einzelsituationen in unterschiedlichen Ländern und Bistümern zu berücksichtigen. „Ich wünsche mir als Bischof das Vertrauen von Rom: Ihr Bischöfe macht das schon richtig. Und ich wünsche mir, dass unsere Erfahrungen erfragt und einbezogen werden“, macht Bischof Genn deutlich. Von daher sollte es nach seiner Auffassung „auch in der Kurie die Bereitschaft geben, synodal zu handeln und zu denken, auch indem sie auf uns hört.“ Die Bereitschaft dazu sei da.
Zwar, so räumt Bischof Genn ein, mache es manchmal müde, immer wieder in solchen Auseinandersetzungen zu stehen. Die aktuelle Zeit, sei aber nun einmal eine Zeit der massiven Umbrüche, nicht nur in der Kirche, sondern überall auf der Welt. Kritik übt der Bischof in diesem Zusammenhang an der europäischen Flüchtlingspolitik. Armut, Krieg und Gewalt als Fluchtursachen von Millionen Menschen in den Ländern des globalen Südens nennend, sagt er: „Europa fällt bislang als Antwort vor allem ein, ‚seine Außengrenzen zu sichern‘ und die Menschen in Lager zu sperren. Das ist doch ein Skandal!“ „Aber wenn nicht wir als Christinnen und Christen die Hoffnung verkünden sollten: ‚Wir schaffen das – mit Gottes Hilfe!‘, wer sollte das sonst tun?“, betont der Bischof Genn am Ende des Interviews mit „Kirche + Leben“, denn: „Wir sind nicht Kirche gegenüber der Welt, wir sind Kirche in der Welt.“
(pm/vatican news - mg)
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