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Frau mit Mund-Nasenschutz vor einer Uhrenwerbung Frau mit Mund-Nasenschutz vor einer Uhrenwerbung  

Kardinal Marx zu Corona-Pandemie: Kapitalismus beschleunigt

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat den Umgang von Politik und Gesellschaft mit der Corona-Pandemie bemängelt. Kapitalismus beschleunige sich durch die Pandemie eher noch, schrieb Marx in einem Gastbeitrag unter dem Titel: „Wo stehen wir? Wo gehen wir hin? – Corona als Krise und Chance“.

Der Beitrag für die Katholische Nachrichten-Agentur KNA und das Portal katholisch.de wurde diesen Dienstag veröffentlicht. Darin fragt Marx: „Hat sich durch Corona daran etwas verändert? Ich kann das nicht erkennen. Im Gegenteil. Der Kapitalismus beschleunigt sich eher noch einmal."

Es bleibe dabei, dass sich die Wirtschaft weltweit einzig an Kapitalinteressen orientiere, so der Erzbischof von München und Freising. Die Pandemie müsse eigentlich die Kräfte der Solidarität und der Orientierung am „Welt-Gemeinwohl" stärken, so Marx weiter. Stattdessen aber gebe es immer mehr Polarisierung, Nationalismus und Fundamentalismus.

Keine neuen Prioritäten erkennbar

Und statt gegenzusteuern, seien auch die Hilfen der Staaten für die Wirtschaft darauf ausgerichtet, „dass alles möglichst schnell wieder in Gang kommt, ohne dass dahinter eine Idee der Gestaltung oder das Setzen neuer Prioritäten wirklich sichtbar würde", so Marx. Alternativen zum Kapitalismus fehlten, moniert der Kardinal, der auch Koordinator des vatikanischen Wirtschaftsrates ist: 

„Es gibt keine Diskussion, die das Thema aufgreift, was mich seit Jahren bewegt: Wie können wir über den Kapitalismus hinaus denken? Oder um mit Papst Franziskus zu sprechen: Wie können wir an einer Wirtschaft arbeiten, die wirklich dem Menschen dient und nicht nur an materiellen Interessen orientiert ist?“

„[ Wie können wir an einer Wirtschaft arbeiten, die wirklich dem Menschen dient und nicht nur an materiellen Interessen orientiert ist? “

Staat als Rahmengeber 

Immerhin gebe es einen neuen Blick darauf, dass der Markt „nicht von sich aus soziale, politische und ökologische Probleme löst, sondern tendenziell sogar verschärft". Laut Kardinal Marx gibt es keine Alternative zu einem starken Staat, der „einen Rahmen vorgibt und gemeinsame Ziele organisiert und zum Tragen bringt". Marx fragt, ob es „wirklich den Willen, jetzt in dieser Krise neue Akzente zu setzen“ gebe. Die Europäische Union scheine stärker zusammenzurücken und sich „als globaler und politischer Akteur“ aufstellen zu wollen. Er fürchte jedoch, dies werde in einem Jahr wieder vergessen sein und stattdessen „eine Renationalisierung“ und ein „Wettbewerb der Eigeninteressen“ vorherrschen, so der Münchner Kardinal.

Kirche und Politik müssen sich für Schwache und Umweltschutz stark machen

Die Corona-Pandemie mache außerdem eine wachsende Ungleichheit „zwischen den Völkern und innerhalb der Völker" sichtbar. Es sei zu erwarten, dass „die, die viel haben, sowohl an Wissen wie Kapital" stärker aus der Krise hervorgehen. Und wer jetzt schon in prekären Verhältnissen lebe, werde noch weiter zurückgeworfen. Umso wichtiger sei es für Politik und Kirche, sich für schwache und kranke, arme und ausgegrenzte Menschen in Deutschland sowie weltweit einzusetzen, forderte der Kardinal: „Eine Politik und eine Wirtschaft, die im sogenannten 'freien Spiel der Kräfte' letztlich doch nur die begünstigt, die jetzt schon oben sind, die jetzt schon Besitzende sind, kann nicht akzeptiert werden und ist auch nicht nachhaltig."

Die Sorge um die Umwelt sei zwar „eher größer geworden“ heißt es in Marx‘ Gastbeitrag zur Corona-Pandemie. „Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kräfte zusammentun, um dieses eine Haus bewohnbar zu machen und zwar nachhaltig für alle, ist eher schwach entwickelt.

„Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kräfte zusammentun, um dieses eine Haus bewohnbar zu machen und zwar nachhaltig für alle, ist eher schwach entwickelt“

Zunehmender Nationalismus und Fundamentalismus

Marx warnt in dem Text vor Fundamentalismus, Nationalismus und Verschwörungsmythen als Corona-Folgen. Die Welt erlebe seit Jahren, „dass in vielen Ländern, auch etwa in den USA und Europa, Polarisierungen, Nationalismus, politischer und religiöser Fundamentalismus - in allen Religionen - zunehmen und das verbunden mit zum Teil kruden Verschwörungstheorien und plakativen Schuldzuweisungen." Dies sei kein Weg zu einer erneuerten weltweiten Solidarität.

(kna/katholisch.de – sst)

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08. September 2020, 13:51