D: Menschen bis zum letzten Atemzug begleiten
Stefanie Stahlhofen - Singen/Vatikanstadt
Für ihre Arbeit mit Sterbenskranken sind Iris Eggensberger und ihr Team jüngst auch mit einem Preis augezeichnet worden. Sie nehmen den Wunsch sehr ernst, der von rund 80 Prozent der Befragten geäußert wurde - diese möchten daheim sterben, im Kreis ihrer Angehörigen:
„Deswegen ist es auch gut, dass es solche SAPV-Teams gibt - das sind Palliativ-Pflegefachkräfte gemeinsam mit Palliativmedizinern - die dann wirklich ganz konkret 365 Tage, 24 Stunden, für die Menschen da sind. Es gibt auch eine Notfallnummer, bei der die Angehörigen zu jedem Zeitpunkt anrufen können, wenn eine Krise auftritt oder wenn Unklarheiten bestehen und sie Unterstützung brauchen.“
Das sagt Iris Eggensberger. Sie leitet das ökumenische Hospiz „Horizont“ am Bodensee, das Caritas und Diakonie gemeinsam betreiben. Außerdem koordiniert sie die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) im Landkreis Konstanz von „Palliativ daheim“.
Ambulante Palliativstation
Die SAPV beschreibt sie als „ambulante Palliativstation“: Ein Team aus Pflegekräften, Palliativmedizinern und Seelsorgern, die Menschen daheim, aber auch in Pflegeeinrichtungen und Behinderteneinrichtungen betreuen. Das Angebot richtet sich an Schwerstkranke, die etwa Luftnot, Übelkeit oder Ängste plagen. Aber auch für pflegende Angehörige, die sich oftmals rund um die Uhr um die Schwerstkranken und Sterbenden kümmern, ist die spezialisierte ambulante Palliativversorgung da:
„Dann fahren wir direkt vor Ort und helfen und unterstützen in Form von Beratung, schauen auch, wie wir die Beschwerden lindern können, durch medikamentöse oder auch nichtmedikamentöse Maßnahmen. Wen braucht es zu Hause noch als Unterstützung, welche Form des ambulanten Hospizdienstes zur Begleitung und Entlastung von den Angehörigen? Oder: müssen wir jetzt noch einen Pflegeversicherungsantrag stellen, müssen wir noch Hilfsmittel bestellen, braucht es einen ambulanten Pflegedienst, der die Angehörigen zu Hause unterstützt?“ Auf solche Bedürfnisse werde eingegangen.
Alles tun, damit Schwerstkranke daheim sterben können
Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung koordiniert und organisiert auch alle notwendigen Dinge für die Angehörigen, damit schwerstkranke und sterbende Menschen zu Hause bleiben können und nicht in die Klinik zurück verlegt werden müssen - auch in Sterbephasen.
Betreuung von 250 Menschen jährlich
Das Angebot wird gut angenommen, berichtet Eggensberger: Etwa 250 Menschen jährlich betreut das Team daheim oder in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen. Das in einem Landkreis, der etwa 185.00 Einwohner zählt. Es gelte jedoch auch zu bedenken, dass nicht jeder Mensch, der im Sterbeprozess ist, eine solch spezialisierte ambulante palliative Versorgung (SAPV) benötige:
„Hausärzte können ganz viel, sind aber natürlich auch dankbar für die Expertise, wenn etwa ein Schmerztherapeut mit vor Ort kommt oder wir eine Schmerzpumpenüberwachung machen und schauen, wie kann das gehen zu Hause. Ich glaube, es ist auch wichtig, dass Angehörige einfach spüren: wenn sie die Ressourcen nicht mehr in vollem Maße haben, dann können sie sich zu jedem Zeitpunkt an uns wenden! Dann kommt auch eine Seelsorge zur Entlastung nach Hause oder wir versuchen, das Netzwerk zu Hause verstärkt auch auszuweiten.“
Ganz wichtig: ethische Beratung
Während der Corona-Pandemie sei die Arbeit zum Glück nicht allzu stark eingeschränkt worden, berichtet Iris Eggensberger. Als Hausbesuche nicht möglich waren, sei per Telefon und Video versucht worden, die Angehörigen zu unterstützen. Als sehr wichtig betrachtet die Hospizleiterin, besonders in der ambulanten Betreuung, den ethischen Aspekt. Für die ethische Beratung in der ambulanten Palliativversorgung gibt es daher auch ein Modell-Projekt des SAPV-Dienstes und des Palliativ Care Forums der Erzdiözese Freiburg:
„Gemeinsam haben wir ein Modellprojekt geschaffen zur ethischen Beratung vor allem im ambulanten Bereich. In der Klinik weiß jeder, dass es ethische Fallbesprechungen geben kann, einen klinikethischen Rat gibt, Arbeitskreise zur Ethik in stationären Einrichtungen. Aber im ambulanten Bereich ist das wirklich noch eine Seltenheit. Es war für uns auch wichtig, gerade im ambulanten Bereich, wo wir auch immer wieder ethische Fragestellungen hatten. Da haben wir gesagt: Da brauchen wir jemanden, der das gut mit uns reflektiert aufarbeitet, so dass wir einen sicheren und guten Behandlungsrahmen für unsere Patientinnen und Patienten, die wir betreuen, aber auch für die Angehörigen anbieten können.“
Ausgezeichnetes Modellprojekt
Das Modellprojekt zur ethischen Beratung wurde jüngst auch von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin mit einem ersten Preis geehrt. Im Gespräch mit Radio Vatikan verweist Iris Eggensberger auf die Vision, die dahinter steht: die sorgende Kultur für Sterbende und Kranke vertiefen.
„Wir wollen eine sorgende Kultur für sterbende Menschen mehr vertiefen und mehr dafür sensibilisieren. Dass auch diese Palliativ Care Kultur mehr in den Blick genommen werden kann, um wirklich Menschen bis zum letzten Atemzug – ethisch aber auch mit Fürsorge – begleiten zu können. Im Endeffekt ist das auch die ureigenste Aufgabe der Menschen: In einer sorgenden Kultur und Gemeinschaft für den anderen wirklich hinschauen und sagen: Menschen brauchen nicht eine Beihilfe zur Selbsttötung. Sie brauchen Beistand und ein offenes Herz und eine aufrichtige, ehrliche, ethische Haltung auch dem Leben gegenüber bis zum letzten Moment.“
Bei Anfragen zu Sterbehilfe: Klares Nein
Das ökumenisch getragene Hospiz „Horizont“, in dem Eggensberger arbeitet, liegt in Singen am Bodensee. Die Grenze zur Schweiz, wo mit dem Thema Sterbehilfe ganz anders umgegangen wird, ist nah. Das macht sich auch bei ihrer Arbeit immer wieder bemerkbar, berichtet die Hospizleiterin:
„Ja, wir bekommen immer wieder Anfragen auch von Patientinnen und Patienten: Hilfe zur Selbsttötung, Beihilfe zur Selbsttötung. Da sagen wir dann immer wieder ganz klar: Nein, wir haben eine andere Antwort auf dieses Dilemma, das diese Menschen natürlich oftmals auch erleben. Aber wir werden diesbezüglich auch immer konkreter angefragt. Ich glaube, da geht es umso mehr darum, ein klares Profil zu zeigen – auch als ökumenischer Träger – welche Werte wir leben und auch nach Außen tragen.“
(vatican news - sst)
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