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Rotunde über dem Heiligen Grab in der Grabes- und Auferstehungskirche Jerusalem Rotunde über dem Heiligen Grab in der Grabes- und Auferstehungskirche Jerusalem 

Gemeinsames Osterdatum: Die Debatte geht weiter

Der deutsche Benediktiner Nikodemus Schnabel OSB aus Jerusalem hat mit einem Vorschlag zu einem gemeinsamen Osterdatum aller Christen viel Aufmerksamkeit erregt.

In einem Interview mit Radio Vatikan/Vatican News von diesem Ostermontag hatte Schnabel, der das Jerusalemer Institut der Görres-Gesellschaft leitet, ein Zugehen auf das Judentum und ein gemeinsames Osterfest am Pessach-Sonntag angeregt. In diesem Fall „müssten sich alle Christen bewegen“, und man könne wieder klarmachen, dass das christliche Osterfest ganz eng mit dem jüdischen Pessach in Verbindung steht, so Schnabel.

Die deutsche Theologin Andrea Riedl (derzeit am Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte und Patrologie der Uni Regensburg) reagierte darauf am Mittwoch mit einer Stellungnahme auf Vatican News. Darin wies sie darauf hin, dass die Osterfeier am Sonntag nach dem Pessachfest historisch gesehen keineswegs eine Verneigung vor den jüdischen Wurzeln, sondern vielmehr eine bewusste Abgrenzung der frühen Christenheit von diesen Wurzeln bedeutet habe.

Pater Nikodemus Schnabel hat diesen Debattenbeitrag aufgegriffen. Er schickte uns an diesem Donnerstag eine Erwiderung, die wir hier dokumentieren.

Stellungnahme

Ich bin der von mir hoch geschätzten Andrea Riedl dankbar, dass sie durch ihre kritische Erwiderung auf meinen Vorschlag für einen gemeinsamen Ostertermin aller Christinnen und Christen weltweit dazu beiträgt, aufkommende Missverständnisse oder Irritationen, die offenbar durch diesen Vorschlag hervorgerufen werden können, aus dem Weg zu räumen. Um es ganz klar zu sagen: Nichts ist mir ferner als eine verträumte Romantisierung einer vermeintlich geeint-harmonischen Urkirche, welche es, wie es ja Andrea Riedl zu recht betont, so nie gegeben hat. Auf der anderen Seite ist mir als Mönch der Dormitio-Abtei im Herzen Jerusalems mehr als schmerzhaft bewusst, welchen bitteren Beigeschmack die Feier des österlichen Triduums, hier insbesondere des Karfreitags, für nicht wenige Jüdinnen und Juden bis heute hat. Gerade heute am Jom Haschoa, an dem in ganz Israel für 120 Sekunden das gesamte Leben stillsteht, gehört es zur Redlichkeit jedes christlich-theologischen Nachdenkens, sich immer wieder selbstkritisch zu fragen, wie weit anti-jüdische Affekte immer noch unheilvoll in unserem Glaubensleben präsent sind. In diese Richtung verstehe ich übrigens auch die Bedenken, welche Riedl anmeldet.

„Naturphänomene vs. Tradition“

In meinem Vorschlag konnte ich nicht ausführlicher auf die verschiedenen Osterfeststreitigkeiten in der frühen Kirche eingehen. Fakt ist aber, dass diese eine bis heute als verbindlich anerkanntes universalkirchliches Ende mit den Beschlüssen des Ersten Ökumenischen Konzils von Nikaia im Jahr 325 gefunden haben. Die Frage, die sich heute zwischen West- und Ostkirchen stellt, ist ja nicht die, ob die Konzilsbeschlüsse von Nikaia weiterhin gültig sind, sondern doch die, ob man hierfür auch denselben Kalender verwenden muss, den die damaligen Konzilsväter verwendet haben, also den vom römischen „Kaiser“ Julius Caesar in Auftrag gegebenen „Julianischen Kalender“, oder ob man die Regelung zwar grundsätzlich beibehält, diese aber an einen die Naturphänomene exakter abbildenden Kalender, den Papst Gregor XIII. 1582 eingeführt hat, den „Gregorianischen Kalender“, adaptieren darf.

Die Westkirchen haben sich hierbei im Laufe der Geschichte, eine nach der anderen, immer mehr für die zweite Option entschieden, welche ich mal als „Pro Naturphänomene“ bezeichnen möchte, während die überwältigende Mehrzahl der Orthodoxen und Orientalisch-Orthodoxen Kirchen an erster Option festhalten, welche ich mal „Pro Tradition“ nennen möchte. Meines Erachtens bringt ein Einschwenken aller Kirchen auf „Pro Naturphänomene“ oder eben auf „Pro Tradition“ Sieger und Verlierer hervor, was wieder nur neue Wunden in den Bemühungen um die Einheit aller Christen schlägt, daher habe ich ja einen völlig neuen Vorschlag ins Spiel gebracht. Warum sollten nicht alle christlichen Kirchen gemeinsam nochmal über Nikaia nachdenken?

In der Grabes- und Auferstehungskirche
In der Grabes- und Auferstehungskirche

„Die Berechnung des christlichen Jahresostern hatte auf dem Konzil von Nikaia eine anti-jüdische Stoßrichtung“

So hilfreich die Beschlüsse von Nikaia gewesen sind, um die Osterfeststreitigkeiten unter den Christinnen und Christen beizulegen, so klar muss man benennen, dass diese Beschlüsse eine hohe Mauer zum Judentum aufgerichtet haben. Die Beschlüsse vermeiden mit der astronomischen Formel des ersten Sonntags nach dem ersten Frühlingsvollmond eben ganz bewusst jeden Bezug zum jüdischen Pessach-Fest und betonen sogar zusätzlich, dass Ostern um einen Sonntag nach hinten verschoben werden muss, falls der errechnete Sonntag mit dem jüdischen Pessach zusammenfallen sollte - dies ist ja übrigens auch der Grund, warum das östliche Ostern recht häufig eine Woche nach dem westlichen liegt, da die Ostkirchen sich dieser Zusatzregelung bis heute verpflichtet fühlen, der Westen jedoch nicht mehr.

Um es schonungslos zu sagen: Die Berechnung des christlichen Jahresostern hatte auf dem Konzil von Nikaia eine anti-jüdische Stoßrichtung, die eben das jüdische „alte“ Pascha durch das christliche "neue" Pascha abgelöst und ersetzt hat. Auch wenn sich heute die katholische Kirche, wie auch viele andere Kirchen mit ihr, mit größter Klarheit gegen jede Form der Substitutionstheologie positioniert, schwingt doch eben leider genau diese Theologie subkutan im christlichen Osterdatum mit.

„Ein Osterfest mit und nicht gegen unsere jüdischen Geschwister“

Daher mein Vorschlag: Wenn wir Christen uns im 4. Jahrhundert gemeinsam auf ein Osterdatum einigen konnten, und zwar leider auf Kosten unserer jüdischen Geschwister, wäre es nicht jetzt 1.700 Jahre später an der Zeit, gemeinsam mit unseren jüdischen Geschwistern nach einem neuen christlichen Osterdatum zu suchen, das eben nicht durch Abgrenzung zum Judentum, sondern im gemeinsamen Dialog mit ihnen gefunden wird? Eben ganz konkret: Wie wäre es, wenn die Jüdinnen und Juden uns erlauben würden, wenn wir uns ihrer Pessach-Berechnung anschließen dürften und am jeweiligen Pessach-Sonntag Ostern feiern würden, das dann auch ein ganz bewusstes Osterfest mit und nicht gegen unsere jüdischen Geschwister wäre?

Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Papst Paul VI. 1974 eine visionäre Entscheidung getroffen hat, als er die „Päpstliche Kommission für die Religiösen Beziehungen zum Judentum“ beim heutigen „Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen“ angesiedelt hat. Meines Erachtens wird die innerchristliche Ökumene nur eine Zukunft haben, wenn sie im ständigen Austausch mit dem Judentum steht. In diesem Sinne möchte ich auch meinen Vorschlag verstanden wissen.

P. Dr. Nikodemus Claudius Schnabel OSB
Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft (JIGG)/
Delegierter von Sant'Anselmo und Studienpräfekt für das Theologische Studienjahr Jerusalem

(vatican news – sk)
 

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08. April 2021, 16:33