Zur Debatte: Gemeinsames Osterdatum der Christen
Schnabel hatte im Gespräch mit Radio Vatikan unlängst dazu geraten, bei der Suche nach einem gemeinsamen Osterdatum für die gesamte Christenheit vom „Sieger-Verlierer-Denken“ wegzukommen. Statt einer Übernahme des Osterdatums nach Gregorianischem Kalender durch die Ostkirchen oder umgekehrt des Osterfests nach Julianischem Kalender durch die Kirchen im Westen, schlägt der frühere Prior-Administrator der Jerusalemer Dormitio-Abtei ein Zugehen auf das Judentum und ein gemeinsames Osterfest am Pessach-Sonntag vor.
In diesem Fall „müssten sich alle Christen bewegen“, und man könne wieder klarmachen, dass das christliche Osterfest ganz eng mit dem jüdischen Pessach in Verbindung steht
Dazu schickte uns Riedl (derzeit am Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte und Patrologie der Uni Regensburg) folgende Stellungnahme, die mit einem Zitat aus unserem Interview mit Pater Nikodemus Schnabel beginnt.
Stellungnahme
„…ein Verneigen der gesamten Christenheit vor unserem gemeinsamen Fundament, dem Judentum“?
Historisch betrachtet war die Feier von Ostern am Sonntag nach dem Paschafest genau das Gegenteil: Keine Verneigung vor und kein in-Ehren-Halten von jüdischen Wurzeln, sondern eine bewusste und dezidierte Abgrenzung der Christusanhänger/innen (die man ja erst allmählich als „Christen“, d.h. als eine vom Judentum getrennte religiöse Gemeinschaft wahrnahm). Man grenzte sich zunehmend und gewollt von dem ab, was das Gegenüber und den Kern seiner Identität ausmachte – und dies durchaus wechselseitig. Deutlich tritt eine solche liturgische Profilierung vonseiten des Christentums in einem Text auf, der um das Jahr 100 verfasst wurde und die erste uns erhaltene Gemeindeordnung darstellt: die sog. Lehre (griech. Didache) der 12 Apostel. Darin wird erkennbar, dass Christusanhänger/innen an der Wende zum 2. Jahrhundert in der Liturgie, die ja in vielem in der Tradition des jüdischen Gottesdienstes stand, konkrete Signale setzten, durch die sie sich von den (anderen) Juden bewusst abgrenzten. Ein solches Signal war unter anderem das Ersetzen des jüdischen Paschafestes durch das christliche Osterfest, wie auch generell die Christianisierung des liturgischen Wochen- und Jahreszyklus.
Zwar folgte man im christlichen Milieu noch lange weiterhin jüdischen Bräuchen, doch die Gemeindeleitungen ergriffen mehr und mehr Maßnahmen, um die Abgrenzung vom Judentum voranzutreiben. Vor diesem Hintergrund – das heißt einer gewollten zunehmenden Entfremdung – gingen viele christliche Gemeinden dazu über, Ostern nicht mehr direkt am jüdischen Paschafest in der Nacht des Frühjahrvollmondes zu feiern, sondern jeweils am Sonntag danach. Da andere Gemeinden aber die Paschafest-orientierte Praxis beibehielten, kam es im 2. Jahrhundert und auch später immer wieder zu Konflikten um den Ostertermin. Das Konzil von Nizäa (325) stellt den ersten gesamtkirchlichen Versuch dar, eine einheitliche Entscheidung für den Sonntagstermin zu treffen bzw. diesen verbindlich vorzuschreiben – eine Praxis, die sich letztlich und auf lange Sicht in der Alten Kirche durchgesetzt hat.
Den Vorschlag, das gemeinsame christliche Osterfest zur Überwindung der Kalenderfrage wieder am Sonntag nach dem Paschafest zu feiern, als „Zugehen auf das Judentum“ oder gar als Beitrag zum christlich-jüdischen Dialog zu bezeichnen, muss daher mindestens von jüdischer Seite als unsensibel empfunden werden. Und auch die Rede von einer „ganz urkirchlichen Haltung“, an die angeknüpft werden solle auf der Suche nach einem gemeinsamen Osterdatum, übersieht klar, dass es die Urkirche – das heißt den Mythos eines am Beginn harmonischen und in sich geschlossenen Systems, das sich erst später ausdifferenzierte – so nicht gegeben hat. Was wir heute von den frühchristlichen Prozessen und Entwicklungen in jedem Fall lernen können ist, wie man gutes – oder bisweilen weniger gutes, aber lehrreiches – Konfliktmanagement betreibt.
(vatican news – sk)
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