Quo vadis, Synodaler Weg?
Nachdem die zweite Synodalversammlung aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden musste, fanden im September 2020 Regionenkonferenzen des Synodalen Weges an fünf Orten mit allen Synodalen statt. Eine Online-Konferenz im Februar 2021 diente als Zwischenschritt, um die Ergebnisse der Weiterarbeit der Synodalforen zu diskutieren.
Die Frankfurter Synodalen werden sich zunächst mit dem Orientierungstext des Präsidiums „Heute auf Gottes Wort hören – Theologische Orientierung“ sowie dem Präambeltext „Auf dem Weg der Menschen – Kirche in unserer Zeit“ beschäftigen. Danach werden die Vorlagen aus den vier Synodalforen in erster Lesung diskutiert, die sich in Grund- und Handlungstexte differenzieren. Berichte wird es zu den Themenfeldern „Aufarbeitung und Aufklärung des sexuellen Missbrauchs“ sowie „Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit“ geben.
„Der Weg ist das Ziel“
Unsere Kollegin Anne Preckel ist Autorin eines Buches über den Synodalen Weg. Wir fragten sie an diesem Mittwoch, wie sie den Stand des katholischen Reformdialogs einschätzt.
Sailer (Radio Vatikan): Von Donnerstag bis Samstag findet in Frankfurt die Zweite Synodalversammlung des Synodalen Weges statt. Ist der Reformprozess auf gutem Weg oder trudelt er?
Preckel (Radio Vatikan): Ja, man könnte den Eindruck bekommen, dass er trudelt, denn es gab zuletzt wieder Kritik etwa an der Zusammensetzung der Synodalforen und der Diskussionskultur bei der Debatte. Es gibt Befürchtungen, dass das Bischofsamt ausgehöhlt wird, dass die Kirche umgekrempelt wird nach rein demokratischen, weltlichen Prinzipien. Dem gegenüber stehen dann doch aber viele Synodale, die mehr Demokratie und Teilhabe in kirchlichen Strukturen wollen, mehr Frauen in Leitung, eine Reform des priesterlichen Lebens. Und hier gibt es auch Vorschläge, die sich durchaus mit geltendem Kirchenrecht vereinbaren ließen, hier gibt es Reformmöglichkeiten, und es ist sicher gut, dass auch einfach mal durchzudenken und durchzuspielen.
Sailer: Es heißt ja, dass bei der Synodalversammlung in Frankfurt jetzt erstmals an Beschlüssen gearbeitet werden soll. Was können wir da konkret erwarten?
Preckel: Gemeinsamen Positionen werden bei diesem zweiten Treffen der Synodalversammlung, das ist ja das Beschlussgremium des Synodalen Wegs, noch nicht verabschiedet. Es werden die Texte der Arbeitsgruppen – der sog. Foren – vorgetragen im Plenum, man diskutiert sie und nimmt Anmerkungen, Kritik dazu auf, das soll alles einfließen in eine Beschlussfassung fürs kommende Jahr, über die man sich dann nochmals verständigen will. Es ist in dieser Phase noch Revision und der Versuch eines inhaltlichen Zusammenkommens, damit sozusagen zu den Reformfragen am Ende des Synodalen Weges gemeinsame Statements rauskommen können. Wie sich die Debatte jetzt gestaltet, zeichnet es sich ab, dass man Vorstöße, die nur der Vatikan entscheiden kann, auch tatsächlich dort auf den Tisch legen will.
Sailer: Hört sich doch ein bisschen nach Parteiveranstaltung an…
Preckel: Ja, es ist aber wesentlich als geistlicher Prozess deklariert, als gemeinsamer Weg, auf dem man unter Führung des Heiligen Geistes zu Lösungen kommen soll. Vom Ablauf her sind bei der Synodalversammlung jetzt in Frankfurt neben dem Austausch über die Themen auch immer wieder geistliche Elemente vorgesehen, es gibt Gottesdienste, theologische Referate, geistliche Impulse. Die Beschlüsse, die nachher rauskommen, sind kirchenrechtlich nicht bindend, der Vatikan beziehungsweise auf lokal der Bischof haben das letzte Wort, wenn’s darum geht, den Konsens über Reformen tatsächlich umzusetzen.
Sailer: Was für Vorschläge für mehr Gestaltungsspielraum der Frauen gibt’s denn aktuell beim Synodalen Weg?
Preckel: Das Frauen-Forum greift unter anderem Impulse des Papstschreibens „Querida Amazonia“ auf, in dem Franziskus Anliegen der Amazonas-Synode im Vatikan verarbeitet hat, und inspiriert sich an Beispielen aus Ortskirchen in Lateinamerika oder auch Asien, wo Frauen bereits viele Aufgaben übernehmen. Konkrete Vorschläge macht die Frauen-Reformgruppe einerseits in Bezug auf alle Ämter, die laut Kirchenrecht für Frauen de facto schon möglich wären. Konkret wird etwa gefordert, dass Leitung in Pfarreien, Dekanaten und Gemeinden gemeinsam durch Männer und Frauen geschehen soll und dass die Diözesen dazu innerhalb von drei Jahren Konzepte vorlegen sollen. Woran sich die Geister nach wie vor scheiden beim Synodalen Weg ist die Frage der Weihe für Frauen, da wird auch noch an Vorlagen gearbeitet. Auch die Bischöfe sind dazu uneins.
Sailer: Jetzt hat der Papst ja vor ein paar Tagen den Hamburger Erzbischof Stefan Heße im Amt belassen und den Kölner Kardinal ebenso, gleichwohl hat er Woelki eine „Auszeit“ verordnet. Das haben viele Gläubige nicht verstanden. Wie wirkt sich das auf den Synodalen Weg aus?
Preckel: Am Dienstag noch hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) seine Erschütterung über diese Papst-Entscheidungen kundgetan. „Schuld und Verantwortung haben in unserer Kirche auch vor allem eine moralische Dimension“, heißt es in einer Erklärung. Sie sehen das Vertrauen in die Bischäfe nachhaltig beschädigt. Was die Papst-Entscheidung zu Woelki betrifft, die hat auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing eher verhalten kommentiert. Er hat auch betont, Woelki müsse jetzt aktiv in einen Dialog- und Versöhnungsprozess eintreten. Auf diese letzten Entscheidungen des Papstes haben viele Synodale enttäuscht reagiert und das wird sich auch jetzt in Frankfurt niederschlagen.
Sailer: Papst Franziskus hat sich zuletzt noch zum Synodalen Weg kritisch geäußert…
Preckel: Ja, Papst Franziskus hat mit Blick auf den Synodalen Weg in Deutschland ein bisschen Bauchschmerzen, er weiß zwar, dass die deutsche Kirche „nicht böswillig“, sondern aus „pastoralem Antrieb“ – Stichwort Missbrauchs- und Vertrauenskrise – diesen Weg eingeschlagen hat. Das hat er vor ein paar Tagen noch in einem Interview mit dem spanischsprachigen Radionetzwerk COPE gesagt. Da hat er nochmal auf seinen Grundsatz-Hirtenbrief verwiesen, den er zum Start des Synodalen Weges an die deutsche Kirche gerichtet hat, und hat drum gebeten, sich da dran zu halten.
Franziskus ist daran gelegen, dass das Ganze tatsächlich nicht zur Parteiveranstaltung mit Mehrheitsvoten wird, sondern dass ein Umdenken, eine neue Qualität im kirchlichen Miteinander entsteht, wo man zueinander findet und nicht einzelne Mehrheitspositionen durchboxt. So was wäre nicht der Weg, den er sich vorstellt für die Kirche. Das hat er in der letzten Woche vor seinem Kardinalsrat auch nochmal klargemacht: Worauf es ihm im synodalen Prozess ankommt sind nicht so sehr bestimmte Themen, sondern das Einüben eines synodalen Stils von Kirche-Sein. Naja, immerhin: In Deutschland konfrontiert man sich, man ringt, vielleicht übt sich da auch was ein, dafür muss man dann aber auch tatsächlich im Gespräch, im Kontakt bleiben, offen sein. Der Weg als Ziel sozusagen.
Sailer: Und dieses „Einüben von Synodalität“ soll jetzt die gesamte Kirche weltweit machen, die ab Oktober auf Wunsch des Papstes in einen synodalen Prozess eintritt?
Preckel: In der Tat, ich denke, so hat sich das der Papst vorgestellt, für den die Zukunft der Kirche entscheidend von der Synodalität abhängt. Er hat sie zum Thema einer Bischofssynode für 2023 gamacht, „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ so der Titel. Und bereits in den nächsten Tagen startet weltweit eine Vorbereitungsphase dazu, in der Zuhören, Aufnehmen ein wesentlicher Teil ist. Nach dem offiziellen Auftakt übernächstes Wochenende im Vatikan startet man in den einzelnen Ortskirchen, dann auf Kontinentalebene. Worum geht es da? Im Großen darum, dass sich alle Glieder der katholischen Kirche gemeinsam Gedanken machen über ihr Miteinander, dass zugehört wird. Es geht auch darum, dass sich die Kirche darüber klar wird, was eigentlich die wesentlichen Zukunftsthemen für sie sind, die sie gemeinsam angehen sollte. Die deutsche Kirche ist mit dem Synodalen Weg zwar zeitlich voraus, wird aus dem weltweiten Prozess aber sicher auch was Neues rausziehen können für sich, denn da sitzt ja nun wirklich die ganze Weltkirche mit im Boot. Und daran müssen sich die Themen, die in Deutschland unter den Nägeln brennen, auch messen lassen.
(vatican news- sk/pr)
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