D: Im Reli-Unterricht klappt die orthodoxe Zusammenarbeit
Mit der Situation der Orthodoxen im deutschsprachigen Raum und speziell mit dem orthodoxen Religionsunterricht beschäftigt sich Yauheniya Danilovich. Die in Belarus geborene Theologin ist an der Universität Münster tätig:
„In Deutschland ist die Präsenz der orthodoxen Christinnen und Christen hauptsächlich durch Migration bedingt. Zum einen ist das die Gastarbeiter-Migration in den 60er Jahren. Die Zunahme der orthodoxen Christinnen und Christen wurde aber auch durch den Zerfall des Ostblocks in den 90er Jahren und dann später durch die Aufnahme einiger dieser Länder wie Rumänien und Bulgarien in die Europäische Union mit der daraus folgenden Freizügigkeit in Bezug auf Migration bedingt. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Zahl der rumänisch-orthodoxen Christinnen und Christen vergrößert, unter anderem durch Arbeitsmigration aus Rumänien.“
In fünf Bundesländern gibt's orthodoxen Reli-Unterricht
Yauheniya Danilovich war maßgeblich an der Erstellung des Bildungsplans für den gemeinsamen orthodoxen Religionsunterricht in Baden-Württemberg beteiligt. Überhaupt sei der Religionsunterricht für Orthodoxe an den öffentlichen Schulen ein großes Anliegen der insgesamt zehn orthodoxen Kirchen, die in der Bischofskonferenz zusammenarbeiten, meint sie. In fünf deutschen Bundesländern gibt es bereits orthodoxen Religionsunterricht.
„Es ist eine Aufgabe oder auch eine Chance des orthodoxen Religionsunterrichts, dass an diesem Format Schüler unterschiedlicher Konfessionen partizipieren und nicht nur russisch-orthodoxe oder serbisch-orthodoxe oder rumänisch-orthodoxe. Und diese Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht für die orthodoxen Kirchen in Deutschland eine Chance, aber auch eine Aufgabe, die sie noch bewältigen werden und wo sie auch lernen, zusammenzuarbeiten an solch einem gemeinsamen Projekt.“
Das Problem mit den Lehrkräften
Schwierig sei für die Orthodoxe Bischofskonferenz, dass es bislang keine für den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ausgebildeten Lehrkräfte gebe, sagte die russisch-orthodoxe Theologin von der Universität Münster.
„Im Moment ist es so, dass man oft auf die Ressourcen der Gemeinden zurückgreift, dass zum Beispiel Priester oder Katechetinnen und Katecheten aus der Gemeinde dann den orthodoxen Religionsunterricht erteilen. Aber das Ziel muss blieben, dass man eine stabile Lehrkräfteausbildung in Deutschland etabliert und auch Fortbildungsmöglichkeiten für die bereits tätigen orthodoxen Religionslehrkräfte schafft.“
Auch die beiden großen Kirchen in Deutschland verdichten in letzter Zeit ihre Zusammenarbeit im Religionsunterricht, im Sinne eines konfessionell-kooperativen oder sogar eines christlichen Religionsunterrichts. Danilovich begrüßt die Überlegungen für einen christlichen Religionsunterricht: Aber sie kritisiert auch, dass die orthodoxen Schülerinnen und Schüler hier nicht mitgedacht würden.
„Es wurde in diesem Jahr ein Positionspapier herausgeben zum christlichen Religionsunterricht. In dem Papier wird zwar thematisiert, dass orthodoxe Schülerinnen und Schüler an einem solchen Religionsunterricht teilnehmen können. Aber es wird nicht thematisiert, inwiefern orthodoxe Akteurinnen der religiösen Bildung überhaupt an der Gestaltung dieses Angebots partizipieren können. Es ist enttäuschend, dass man das nicht berücksichtigt. Christlicher Religionsunterricht impliziert nicht nur evangelisch und katholisch, sondern er impliziert auch orthodox oder zum Beispiel auch syrisch-orthodox.“
Spaltung der Weltorthodoxie
Die orthodoxen Kirchen sind in Folge des sogenannten Morgenländischen Schismas im Jahr 1054 entstanden, bei dem sowohl machtpolitische als auch theologische Fragen eine Rolle spielten. Mit einer neuen Spaltung kämpft die Orthodoxie mittlerweile seit knapp drei Jahren, als im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt die Russisch-orthodoxe Kirche die eucharistische Gemeinschaft mit der Weltorthodoxie aufkündigte.
„Nach der Krise in der Ukraine auf dieser kirchenpolitischen Ebene nehmen die Bischöfe der russischen Diözesen nicht mehr an den Sitzungen der Orthodoxen Bischofskonferenz teil. Das bedeutet auch die Frage: Wenn wir Entscheidungen treffen in Bezug auf den orthodoxen Religionsunterricht, wie können trotzdem diese Stimmen repräsentiert werden.“
Die Verbindung zu den Mutterkirchen nicht kappen
Die Situation sei nicht unproblematisch. Die Verbindungen zu den Mutterkirchen dürften nicht gekappt werden, meint Yauheniya Danilovich.
„So wie ich nun die Situation in Bezug auf den orthodoxen Religionsunterricht wahrnehme, ist die Zusammenarbeit gewährleistet. Auch bin ich selbst russisch-orthodox, aber ich arbeite im Moment in einer Kommission mit, die die OBKD beauftragt hat, gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland einen Text zu verfassen zum Thema christliche Initiation und christliche Erziehung. Insofern, glaube ich, stehen hier vor allem für die Diaspora die Probleme und Aktionsfelder im Vordergrund, die hier in Deutschland gemeinsam bewältigt werden müssen. Aber natürlich bliebt Diaspora immer an die Mutterkirchen gebunden. Insofern muss auch hier die Balance und Brücke aufrechterhalten werden.“
(vatican news - Michael Hermann)
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