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Olaf Scholz: Der neue Kanzler und die Gottesformel

Olaf Scholz ist der neue deutsche Bundeskanzler: Am Mittwoch wurde er von einer absoluten Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag gewählt und leistete seinen Amtseid.

Der SPD-Politiker ist aus der evangelischen Kirche ausgetreten, er ist somit der erste konfessionslose Regierungschef der Bundesrepublik – und hat dementsprechend seinen Amtseid auch ohne die Formel „so wahr mir Gott helfe“ gesprochen, wie das einst auch sein Amtsvorgänger Gerhard Schröder tat.

Doch Wolfgang Thierse, ein Parteifreund von Scholz, früherer Präsident des Bundestags und engagierter Katholik, rechnet damit, dass der neue Kanzler trotzdem christliche Werte vertreten wird.

Dem Kölner Domradio sagte Thierse auf die Frage, ob er von Scholz „eine christliche Politik“ erwarte:

„Christliche Politik ist ein schwieriges Wort“

„Na sicher. Christliche Politik ist ein schwieriges Wort. Es würde bedeuten, politische Entscheidungen nach Maßstäben zu fällen, die nicht nur dem politischen Pragmatismus, sondern von Grundüberzeugungen der menschlichen Würde geprägt sind. So gesehen gibt es Politik aus humanistisch, christlichen Überzeugungen.“

Und diese Überzeugungen sehe er auch bei Olaf Scholz, so Thierse.

„Ein Bundeskanzler macht die Politik nicht allein“

„Er hat in einem Interview darauf hingewiesen, dass er natürlich durch die christliche Prägung des Landes geprägt worden ist, und dass ihm dies wichtig ist. Im Übrigen gilt für Olaf Scholz, was auch schon für Angela Merkel gegolten hat: Ein Bundeskanzler macht die Politik nicht allein. Das was für eine Gesellschaft wichtig ist, wird in dieser Gesellschaft miteinander debattiert und entschieden.“ Scholz hat unlängst in einem Interview auf seine christliche Sozialisierung hingewiesen und sich selbst ein „christliches Arbeitsethos“ bescheinigt.

Ein Amtseid ohne den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ – doch, das spiele für ihn schon eine Rolle, gab Thierse in dem Interview zu. „Auf eines sind aber alle verpflichtet: auf das Grundgesetz. Dort heißt es in der Präambel: ‚Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, [...] hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben‘. In der Verfassung steckt also schon die Anrufung Gottes.“

Zum Nachhören: SPD-Veteran Wolfgang Thierse über den neuen Bundeskanzler Scholz - Radio Vatikan

„Es ist eine persönliche Überzeugung, eine Lebens- und Glaubenseinstellung. Das kann man auch einfach mit Respekt zur Kenntnis nehmen“

Diese Anrufung deutet Wolfgang Thierse so: „ Dass nicht alles politisch willkürlichem Pragmatismus unterworfen werden kann. Dass wir uns an Maßstäben zu orientieren haben, die nicht selbst politischer Zweckmäßigkeit unterworfen sind. Nichts anderes steckt, wenn man ihn politisch interpretiert, in diesem Zusatz ‚so wahr mir Gott helfe‘. Die Aussage: ‚Ich selbst kann nicht alles leisten. Ich bin nicht Gott, sondern ich bin nur ein Mensch.‘ Das gilt auch für den Bundeskanzler Olaf Scholz.“

Frage an den SPD-Politiker: Warum wird denn dann die Frage um den Gottesbezug im Amtseid immer so ausführlich diskutiert?

„Na ja, das muss man ja nicht. Es ist eine persönliche Überzeugung, eine Lebens- und Glaubenseinstellung. Das kann man auch einfach mit Respekt zur Kenntnis nehmen, dass es da Unterschiede gibt. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, die auch religiös und weltanschaulich vielfältig ist. Daher haben wir damit so tolerant und friedfertig umzugehen wie nur irgend möglich.“

Deutsche Bischöfe gratulieren Scholz

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat Scholz zu seiner Wahl zum Regierungschef gratuliert. In einem Glückwunschbrief wünscht Bischof Bätzing Scholz und dessen Regierungsteam „alles Gute, viel Erfolg und Gottes reichen Segen“.

Bischof Bätzing schreibt weiter: „Mit Interesse habe ich die Wertschätzung im Koalitionsvertrag wahrgenommen, die Sie den Kirchen und Religionsgemeinschaften gegenüber ausdrücken. Dafür danke ich Ihnen. Sicherlich wird es viele gesellschaftlich relevante Themen geben, zu denen wir bald ins Gespräch kommen sollten.“

„Die Menschen im Blick haben“

Es werde das gemeinsame Ziel sein, „bei den anstehenden Herausforderungen die Menschen im Blick zu haben und die Lebensverhältnisse in unserem Land auf einem wertebasierten Fundament zukunftsweisend zu gestalten. Dazu fühlen wir uns als Kirche mit unseren kirchlichen Einrichtungen und unserem Engagement verpflichtet und dazu möchten wir gerne unseren Beitrag leisten“, so Bischof Bätzing.

(domradio/dbk/vatican news – sk)
 

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08. Dezember 2021, 10:57