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Unser Buchtipp: Anfänge – eine neue Geschichte der Menschheit

Was wäre, wenn Archäologen und Historiker die bisherigen Erkenntnisse der Menschheitsgeschichte nicht richtig verstanden hätten? David Graeber und David Wengrow entfalten in ihrer Menschheitsgeschichte, wie sich die Anfänge unserer Zivilisation mit der Zukunft der Menschheit neu denken und verbinden lässt. Ihr Buch ist jetzt auf Deutsch mit dem Titel „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“ erschienen.

Über Jahrtausende hinweg, lange vor der Aufklärung, wurde schon jede erdenkliche Form sozialer Organisation erfunden und nach Freiheit, Wissen und Glück gestrebt. Graeber und Wengrow zeigen in ihrem Werk, wie stark die indigene Perspektive das westliche Denken beeinflusst hat und wie wichtig ihre Rückgewinnung ist. Lebendig und überzeugend ermuntern sie uns, mutiger und entschiedener für eine andere Zukunft der Menschheit einzutreten und sie durch unser Handeln zu verändern.

Die Buchrezension von Mario Galgano zum Nachhören

Eine der wichtigsten Thesen, die David Graeber und David Wengrow in ihrem Buch aufstellen, ist die, dass die Vorfahren unserer Vorgeschichte keine einfachen, gedankenlosen Trottel waren, sondern selbstbewusste, eigenwillige soziale Organisatoren, die eine „Karnevalsparade der politischen Formen“ durchlebten. Vielleicht würden wir eher Begriffe wie „anarchistisch“, „kommunistisch“, „autoritär“ oder „egalitär“ verwenden, um ihre Aktivitäten zu beschreiben, aber diese Sprache wird der schieren Skurrilität der tatsächlichen Fallstudien nicht gerecht: große Städte ohne zentrale Behörden oder Landwirtschaft (Göbekli Tepe), Stammesnationen, die sich über Kontinente erstrecken (Cahokia), soziale Wohnungsbauprojekte (Teotihuacan) und Bevölkerungen, die von Zeit zu Zeit zwischen Gleichberechtigung und Tyrannei wechseln (Nambikwara, Winnebago, Nuer). Seit 40.000 Jahren bewegen sich die Menschen zwischen verschiedenen Formen gleicher und ungleicher sozialer Strukturen, bauen Hierarchien auf und bauen sie wieder ab, schlagen der Archäologe Wengrow und der verstorbene Anthropologe und Anarcho-Aktivist Graeber vor. Die Autoren argumentieren, dass die Menschen in staatenlosen Gesellschaften nicht weniger politisch selbstbewusst waren als die Menschen von heute, sondern wesentlich mehr. Wie konnten wir nur so steckenbleiben und nicht vorwärts gehen? Das ist die Frage, die nach der Lektüre des Buches einem offen bleibt.

Alles andere als linear

Für Graeber und Wengrow bedeutet die Annahme einer „paläolithischen Politik“, dass die Menschen seit langem damit experimentiert haben, wie sie sich selbst organisieren können, und dass der Weg des sozialen Wandels alles andere als linear ist. Tatsächlich ist eines der kühnsten Argumente des Buches die Ablehnung einer teleologischen Sichtweise unserer gegenwärtigen Umstände: Es besteht darin, dass die ersten 300.000 Jahre der Menschheit eine Vergangenheit bieten, die sowohl vielfältiger, gewalttätiger, hoffnungsvoller - und insgesamt interessanter - ist als das, was wir daraus gemacht haben, und dass das Gleiche auch für unsere Zukunft gelten könnte. Die Prämisse ist aufregend, und ihre Implikationen werden gerade erst erwogen. Die weitreichenden Schlussfolgerungen, die Graeber und Wengrow aus ihren Quellen ziehen, sind von Wissenschaftlern wie Kwame Anthony Appiah kritisch hinterfragt worden, aber ehrlich gesagt, spielt das keine Rolle. Der Optimismus des Buches ist angesichts der drohenden klimatischen Katastrophe, der politischen Polarisierung und des sozialen Zusammenbruchs selbst eine Provokation.

Zum Mitschreiben:

David Graeber, David Wengrow: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit. Erschienen im Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2022.

Eine Rezension von Mario Galgano.

(vatican news)

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29. Januar 2022, 13:51