Niederlande: Protestanten zeigen mehr Interesse an Päpsten
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Als einzige Zeitung der stark säkularisierten Niederlande hat „Nederlands Dagblad“ kürzlich einen Vatikan-Korrespondenten nach Rom entsandt. Die Zeitung wurde 1944 gegründet, war lange Zeit konservativ-protestantisch geprägt und hat sich in einer ausgesprochenen Diaspora-Situation seit einigen Jahren für alle christlichen Kirchen und Gemeinschaften geöffnet.
„Die Protestanten finden die katholische Kirche interessanter als sich selbst, weil sie entdecken, dass die Kirche ähnlich ist wie sie“, erklärt Dick Schinkelshoek, verantwortlicher Redakteur des Ressorts Kirche und Glaube und selbst reformierter Theologe und Pfarrer. „Es gab Jahrhunderte, in denen die Protestanten dachten, die katholische Kirche ist der Feind. Heute entdecken sie, und ich glaube, es hat mit der Säkularisation zu tun, dass Vatikan, Papst und Kirche ihnen etwas zu sagen haben.“
„Es gibt jetzt protestantische Christen in den Niederlanden, die über ,unseren Papst‘ reden“, ergänzt Vatikan-Korrespondent Hendro Munsterman, ein katholischer Theologe. „Sie werden nicht katholisch, aber trotzdem nennen sie ihn ,unseren Papst‘. Protestantische Pfarrer sagen, wir beten für ihn in der Kirche. Da verschiebt sich gerade etwas in den niederländischen Kirchen. Wir haben das Gefühl, dass wir zusammengehören.“
Ein Wendepunkt: Jesus-Bücher von Papst Benedikt
Angefangen habe diese Entwicklung in den Niederlanden bereits im Pontifikat von Benedikt XVI.
„Unsere protestantischen Leser haben verstanden, da gibt es einen Papst, der sich wirklich für die Bibel interessiert“, erklärt Munsterman. „Die Jesusbücher von Benedikt sind von vielen (protestantischen) Pfarrern in den Niederlanden gelesen und in ihren Predigten genutzt worden. 2013 kam Papst Franziskus mit seiner Authentizität, seiner Art und Weise, die Welt anzusprechen. Er hat vervollständigt, was Benedikt angefangen hat. Da ist ein neues Interesse am Reichtum der katholischen Kirche entstanden."
Unabhängigkeit von Kirchen und Investoren macht frei
„Nederlands Dagblad“ berichtet über alles, was die Welt bewegt und auch in anderen Medien zu finden ist, aber aus christlicher Perspektive, und natürlich nimmt die Kirchenberichterstattung einen gewissen Raum ein. Die Auflage liegt bei rund 25.000 gedruckten Exemplaren, das ist nicht viel im niederländischen Kontext, wo die reichweitenstärksten Tageszeitungen auf eine zehnmal so hohe Auflage kommen. Doch das Selbstverständnis ist das einer Qualitätszeitung, vergleichbar mit der katholischen „La Croix“ in Frankreich. Die Stärke des niederländischen Blattes liegt nicht zuletzt in seiner Unabhängigkeit von der Kirche einerseits und von Investoren andererseits. „Hofberichterstattung“ will man keine machen, erklärt Hendro Munsterman:
„Die Kirche braucht das, einen unabhängigen Journalismus, der versucht, ehrlich in dieser Kirche zu stehen. Manche haben mir gesagt, ich schreibe zu viel über Missbrauch. Aber weil wir das tun, können wir auch Sachen verteidigen, die wir sonst nicht verteidigen könnten. Wir sind alle Christen hier, wir machen auch Fehler, unter anderem journalistische - aber trotzdem versuchen wir, loyal und kritisch zugleich auf diese Kirche zu schauen. Diese beiden Dinge gehören zusammen. Unsere Leser schätzen das.“
(vatican news)
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