Die gesellschaftliche Bedeutung von Care-Berufen wird chronisch unterschätzt - kann die Corona-Krise hier was ändern? Die gesellschaftliche Bedeutung von Care-Berufen wird chronisch unterschätzt - kann die Corona-Krise hier was ändern?  

Würde der Arbeit: Für eine „Tätigkeitsgesellschaft“

Ein Plädoyer für menschenwürdige Arbeit hat Papst Franziskus am Mittwoch bei seiner Generalaudienz gehalten. Was das heißen kann, gerade auch in der Corona-Pandemie, darüber hat Radio Vatikan mit Beate Schwittay von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) gesprochen.

In Deutschland habe die Pandemie zu einem „enormen Verlust von Arbeitsplätzen im Bereich Kleinunternehmen, Gastronomie und Kultur“ geführt, sagt die deutsche KAB-Bundesvorsitzende Beate Schwittay im Interview: „Das ist eine ganz kritische Situation.“ Zugleich hätten sich auch die Arbeitsbedingungen unter Corona-Bedingungen stark verändert, so Schwittay. Während viele Bürokräfte im Homeoffice arbeiten könnten, seien Beschäftigte in Produktion, Supermarkt und Pflege im direkten Kontakt mit anderen Menschen stark Risiken ausgesetzt.

Mindestlohnregeln unterwandert

Papst Franziskus hatte am Mittwoch unter anderem auf das Problem der Arbeitslosigkeit, der Ausbeutung und der prekären Arbeit verwiesen. Missstände in diesem Bereich ortet Schwittay etwa bei Angestellten in Lieferdiensten, „wo Mindestlohnregeln unterwandert werden und Beschäftigte weitaus längere Arbeitszeiten erbringen müssen als ursprünglich vertraglich vereinbart wurde“. Doch auch im Gesundheitsbereich sei eine Belastungsgrenze erreicht: „Der Pflegenotstand, wie wir ihn allseits kennen, ist nochmal stärker eskaliert, und wir nehmen ein Ausbrennen und absolute Erschöpfung von Arbeitenden wahr.“

Dass sich mit der Corona-Pandemie die öffentliche Aufmerksamkeit auf systemrelevante Berufe wie die im Gesundheitswesen richtet, sieht Schwittay als Chance: „Gerade der Pflegenotstand in den Krankenhäusern und Altenheimen ist durch die Pandemie sehr bekannt geworden - es kann tatsächlich niemand mehr daran vorbeischauen, und auch vielen Menschen ist bewusst, wie problematisch die Arbeitssituation dort ist.“ Die „dringende Notwendigkeit“, hier bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen und für mehr Wertschätzung solcher Berufe zu sorgen, erkenne auch die Politik mehr und mehr, zeigt sie sich zuversichtlich.

Leitbild der „Tätigkeitsgesellschaft“ 

Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) setzt auf das Leitbild einer „Tätigkeitsgesellschaft“ – eine Perspektive, die sich an viele Impulse des Papstes in diesem Bereich anschließen lässt. Ziel dabei soll „eine solidarische und gerechte Gesellschaft sein, in der die Beseitigung der Armut, die strikte Neuordnung des Finanzsystems, die Ökologisierung der Wirtschaft und die soziale Erneuerung der Arbeitsgesellschaft Hand in Hand gehen“.

Schwittay plädiert im Gespräch mit Radio Vatikan dafür, Arbeit viel breiter zu denken als die reine Erwerbsarbeit – denn im Grunde gehe es um die Gestaltung von Gesellschaft und Gemeinwohl: „Dazu gehören neben der Erwerbsarbeit auch Erziehungsarbeit, Pflegearbeit, Familienarbeit, ehrenamtliches Engagement, politisches Engagement und ja, alle Arten der Gestaltung von Gemeinwohl.“

Weitere Themen, die im Interview angesprochen wurden: Lieferkettengesetz, Kinderarbeit, Mehrbelastung von Frauen in der Corona-Pandemie, Sonntagsschutz, gerechte Arbeit durch Dialog der Sozialpartner und Partizipation. Das ganze Interview mit Beate Schwittay können Sie hier nachhören:

Beate Schwittay (KAB) im Interview mit Radio Vatikan (Fragen: A. Preckel)

(vatican news - pr)
 

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13. Januar 2022, 13:16