Berliner Demonstrantin, die am Wochenende für Frieden in der Ukraine auf die Straße ging Berliner Demonstrantin, die am Wochenende für Frieden in der Ukraine auf die Straße ging 

Gebete und Solidarität mit der Ukraine

Vertreter beider großer Kirchen in Deutschland haben am Wochenende in Gottesdiensten, Gebetsandachten und mit Glockengeläut ein Ende des Krieges in der Ukraine gefordert. In Berlin beteiligten sich laut Medienberichten rund 120.000 Menschen an einer zentralen Friedenskundgebung. Die EU entschied eine unbürokratische Aufnahme für Ukraine-Flüchtlinge in allen Mitgliedsstaaten. Auch Österreich und die Schweiz zeigen sich solidarisch.

Die Glocken des Limburger Doms läuteten am Sonntagabend vier Minuten länger als gewohnt: Für jeden Tag des Krieges in der Ukraine eine Minute. Bei dem Friedensgebet mit zahlreichen Gläubigen gedachte Bischof Georg Bätzing der Opfer des Krieges. Hunderte Menschen seien bereits gestorben. Hundertausende auf der Flucht. Ein ganzes Land sei in Bewegung. Es herrsche Unsicherheit und Trauer. „Es ist der vierte Tag eines Krieges, in dem ein Verbrecher sein Nachbarland schindet“, formulierte Bischof Bätzing.

Ganz Europa sei bestürzt; niemand hätte gedacht, dass ein Krieg in Europa noch einmal möglich sein würde, brachte Bätzing die herrschende Fassungslosigkeit auf den Punkt. „Aber wir müssen mit dieser Wirklichkeit umgehen“, so der Bischof, der allen Betenden dankte: Gott solle die Hände der Machthaber so binden, dass sie die Waffen niederlegen, er solle eingreifen, damit Menschen atmen und in Freiheit leben können.

Bewegende Zeugnisse

„Unsere Gedanken sind jetzt bei den Menschen, die unseren Beistand brauchen“, betonte auch Erzbischof Stefan Heße in Hamburg bei einem Gottesdienst der ukrainischen Gemeinde, bei dem bewegende Zeugnisse zu hören waren. Er gebe die Hoffnung nicht auf, dass man wieder an den Verhandlungstisch zurückkehre, zeigte sich Erzbischof Heße hoffnungsvoll. „Wir können nicht zuhause sitzen, während die Bomben fliegen“, so der gebürtige Ukrainer Ostap Kostyk, der mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Söhnen zu dem Gottesdienst gekommen war. Eltern und Schwiegereltern seien noch in der Ukraine, ein Bruder seiner Frau und weitere Verwandte kämpfren im Krieg. „Nur von manchen haben wir Informationen.“

In München appellierte Kardinal Reinhard Marx an Kyrill I., sich bei Wladimir Putin für den Frieden einzusetzen: „Ich bitte inständig den Patriarchen von Moskau, dass er Einfluss nimmt auf diesen Präsidenten, damit der Krieg beendet wird, damit die Waffen niedergelegt werden“. Bischöfe seien keine Politiker, sagte Marx bei einem Gottesdienst in der Münchner Gemeinde der griechisch-katholischen Ukrainer. „Aber wir haben den Auftrag und die Pflicht, das Evangelium vom Frieden zu verkünden gerade denen gegenüber, die meinen, mit Gewalt und Terror politische Ziele durchzusetzen“.

Große Friedenskundgebungen in Berlin und Köln

In Berlin beteiligten sich laut Medienberichten rund 120.000 Menschen an einer zentralen Friedenskundgebung, zu der Kirchen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen eingeladen hatten. Auch in Köln fanden am Montag Friedenskundgebungen mit zehntausenden von Teilnehmern statt. Das Karneval-Festkomitee hatte den eigentlich geplanten Rosenmontagszug kurzerhand unter das Zeichen von Solidarität mit der Ukraine gestellt. Vorneweg fuhr ein Persiflagewagen, der Putin zeigt, wie er die alte Sowjetunion mit Bauklötzen wieder zusammensetzen will.

„Das Blut, das in der Ukraine vergossen wird, schreit zum Himmel“, sagte bei der Berliner Demo die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. Sie rief dazu auf, nicht in eine „Spirale des Hasses“ zu geraten: „Wir werden der kriegslüsternen Herrscherclique in Russland nicht das Geschenk machen, ihr Volk zu hassen. Wir werden das Spiel der Verfeindung nicht mitspielen.“ Es gelte, Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und ihren Nachbarländern zu zeigen - und auch mit jenen Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellten.

Papst Franziskus bekräftigte am Wochenende seinen Appell für einen Gebets- und Fastentag für die Ukraine am Aschermittwoch. Über Twitter rief er in zahlreichen Sprachen, darunter auch auf Russisch und Ukrainisch, zum Gebet auf. Es solle ein Tag sein, „an dem wir dem Leiden des ukrainischen Volkes nahe sind und an dem wir Gott anflehen, den Krieg zu beenden“, schrieb der 85-Jährige.

Schweiz: Justitia et Pax  fordert Waffenstillstand

Justitia et Pax Schweiz verbreitete am Montagnachmittag eine Stellungnahme zum Krieg in der Ukraine. Darin verurteilt die Kommission „die russische Aggression und die kriegerische Invasion in der Ukraine" und fordert „einen sofortigen Waffenstillstand und Rückzug der russischen Armee". Die Schweizer Wirtschaft dürfe zudem nicht von diesem Krieg profitieren. Man sei bereit auch wirtschaftliche Konsequenzen zu tragen, wenn „Sanktionen gegenüber Russland unseren Lebensstil negativ beeinflussen" sollten. Die Kommission erkärte auch ihre Unterstützung des Friedensappells von Papst Franziskus. Justitia et Pax ist eine Laienkommission der Katholischen Kirche. Sie beschäftigt sich laut eigener Aussage schwerpunktmässig mit sozialen, gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen und macht dies aus einer sozialethischen Perspektive.

Tessin: Fackelzug für Frieden

Für den Aschermittwoch-Abend haben zudem Tessiner Christinnen und Christen zu einem Fackelumzug für den Frieden aufgerufen. Auch der Bischof von Lugano, Valerio Lazzeri nimmt laut kath.ch daran teil.  Die Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen im Tessin organisieren für den 2. März einen Schweigeumzug und Gebetsabend für den Frieden in Lugano.  Die Beteiligten treffen sich am Aschermittwoch um 20 Uhr auf dem Kirchplatz der Kathedrale. Von dort beginnt der Fackelumzug. Dieser führt über die Piazza Cioccaro zur Piazza Dante und endet mit einem Gebet in der katholischen Kirche Sant'Antonio.

Österreich: Ökumenische Friedensgebete

In mehreren österreichischen Domkirchen, so etwa in Linz, Innsbruck und Klagenfurt, finden auch in dieser Woche ökumenische Gebete für den Frieden in der Ukraine statt. Für Montagabend (19 Uhr) haben in Linz Dompfarrer Maximilian Strasser und der Pfarrer der evangelischen Martin-Luther-Kirche, Wolfgang Ernst, in den Mariendom eingeladen. Auch Vertreterinnen und Vertreter weiterer christlicher Kirchen werden erwartet. 
Die christlichen Kirchen in Tirol und die Gemeinschaft Sant'Egidio rufen für Dienstag (18 Uhr) zu einem ökumenischen Gebet um Frieden im Innsbrucker Jakobsdom auf. Nach Angaben der Diözese Innsbruck werden sich unter anderem Bischof Hermann Glettler, der evangelische Superintendent Olivier Dantine, der serbisch-orthodoxe Erzpriester Aleksander Stolic und der aus der Ukraine stammende katholische Pfarrer Volodymyr Voloshyn dem Gebet anschließen.

„Im Namen all jener, die unmittelbar betroffen, bedroht und involviert sind, ersehnen wir das Wunder des Friedens - für die Ukraine, Russland und ganz Europa“

Bombenangriffe, Traumata, Flucht 

Deutsche Regierungsvertreter und Hilfswerke kündigten umfassende Unterstützung für die Menschen in der Ukraine an. Unterdessen wird die Situation vor Ort nach Angaben der Caritas immer schwieriger. Der Bedarf an Hilfe wachse stetig, immer mehr Menschen begäben sich auf die Flucht sagte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva-Maria Welskop-Deffaa. Die Organisationen können psychosoziale Unterstützung aus Sicherheitsgründen mancherorts nur noch online oder telefonisch anbieten. An den Grenzen bildeten sich teils kilometerlange Schlangen, wie es hieß. In der umkämpften Hauptstadt Kiew wurden unterdessen Gottesdienste in Luftschutzkellern gefeiert.

Die Hilfsorganisation Save the Children berichtete von Bombenangriffen auf Bildungseinrichtungen in der gesamten Ukraine. Bislang seien bis zu zehn Kinder bei Kämpfen getötet worden. „Der Schutz der Zivilbevölkerung und wichtiger ziviler Infrastrukturen wie Schulen und Krankenhäuser muss für alle Parteien absolute Priorität haben“, mahnte die Osteuropa-Direktorin von Save the Children, Irina Saghoyan.

Brüssel aktiviert unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen

Papst Franziskus hatte am Sonntag beim Angelusgebet humanitäre Korridore für ukrainische Geflüchtete gefordert. Hinsichtlich der erwarteten Millionen von Flüchtlingen aus der Ukraine entschied die Europäische Union, in allen Mitgliedstaaten das gleiche, unbürokratische Verfahren zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen zu schaffen. Damit wurde erstmals eine entsprechende Rechtsgrundlage angewendet, die nach den Balkan-Kriegen geschaffen wurde. Konkret bedeutet das Verfahren, dass Geflüchtete aus der Ukraine kein Asylverfahren durchlaufen müssen und einen vorübergehenden Schutz in der EU für bis zu drei Jahre erhalten.

Alle EU-Staaten seien zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bereit, versicherte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Sonntagabend im Anschluss an ein Sondertreffens der EU-Innenministerinnen und Innenminister in Brüssel: „Europa ist angesichts der russischen Bedrohung heute enger zusammengerückt. Wir stehen gemeinsam solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine.“

(pm/diverse/kna/kath.ch/kathpress – pr/sst)
 

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28. Februar 2022, 12:54