Ordensfrau: Unser Leben muss so sein, dass es anspricht und anzieht
Radio Vatikan: Schwester Lioba, wie kamen Sie dazu, Ordensfrau zu werden?
Schwester Lioba Hill OP: Der Tag des geweihten Lebens - früher sagten wir Maria Lichtmess in Deutschland dazu - sagte mir früher so nicht viel. Den tieferen Sinn habe ich erfahren, als ich mir immer mehr die Frage stellte: Was wird aus meinem Leben? Gott hat mich dann zu diesem Ordensleben geführt, dass ich Ordensfrauen und Ordensmännern begegnet bin, die mir ein lebendiges, ein frohes Zeugnis von ihrem Leben gegeben haben. Das hat mir imponiert und da habe ich gesagt: ,Das ist es, was ich suche.` Ich habe mich dann auf die Spuren des Dominikanerordens begeben und bin hierher nach Prouilhe gefahren. Und dann wusste ich, genau das ist es. Das war natürlich dann erst einmal ein Schock: in einem anderen Land, eine andere Sprache sprechen, alles aufzugeben, was mir lieb geworden ist in meiner deutschen Heimat.
Dennoch wusste ich: Das ist es, Gott weiß es. Ich habe noch ein Jahr gezögert, bis ich dann den Schritt getan habe und hier um Aufnahme gebeten habe. Das ist vor 37 Jahren gewesen. Ich bin jetzt 73 Jahre alt, und fühle mich sehr wohl.
Missbrauchskrise: Die französischen Bischöfe haben öffentlich Buße getan
Radio Vatikan: Sie haben den Eintritt nie bereut. Gerade jetzt sind es ja wieder, sagen wir mal, stürmische Zeiten für die katholische Kirche. Wie schaffen Sie es da, sicher und fest in Ihrem Glauben zu bleiben?
Schwester Lioba: Ja, es sind wirklich sehr stürmische Zeiten. Vielleicht ist in diesem Sturm auch irgendwo der Sturm des Heiligen Geistes am Werk. Und gestern hatten wir eine tolle Predigt über dieses Evangelium, wo die Leute mit Jesus nicht mehr zufrieden waren und ihn dann so den Abhang runter stürzen wollen. Da sagte dieser junge Dominikaner: Wo sind unsere Abgründe? Wo stürzen wir die anderen herunter?
Wenn wir wirklich Kirche sind und sein wollen, und das wollen wir ja, dann sind wir in erster Linie Brüder und Schwestern, sitzen alle im selben Boot und es ist stürmisch jetzt. Und was wir tun können und sollen und müssten: Gott um Hilfe bitten, die Schrift wieder ernst nehmen und das tun.
Ich bin beschämt über das, was in Deutschland zurzeit läuft. Ich schäme mich in Grund und Boden. Hier in Frankreich ist auch ein Missbrauchsbericht, eine Studie veröffentlicht worden, letztes Jahr. Die gesamte Bischofskonferenz hat ihn angenommen und dann war erst mal große Stille und Schweigen. Betretene Stille, betroffene Stille. Die französischen Bischöfe versammeln sich immer in Lourdes und haben einen gemeinsamen Bußakt vor der Grotte in Lourdes vollzogen. Öffentlich. Das wünschte ich mir - ich möchte es jetzt einfach mal so sagen – das wünschte ich mir auch von unseren deutschen Bischöfen. Sie sind Brüder im Amt und sie sind zum Dienen da.
Tag des geweihten Lebens: Ein kleiner Festtag
Radio Vatikan: Kommen wir zurück zum Tag des geweihten Lebens. Wie begehen Sie den? Wie feiern Sie den? Und was bedeutet das für Sie?
Schwester Lioba: In unserer Gemeinschaft ist es ein kleiner Festtag. Nicht so hoch wie Ostern und Pfingsten und Weihnachten. Wir haben einen feierlichen Gottesdienst, der mit einer Kerzen-Prozession beginnt. Jede von uns hat eine Kerze. Die Kerze symbolisiert unser Leben und wir bringen diese Kerze zum Altar und sie brennt dann den ganzen Tag. Ich muss jedes Mal daran denken, dass ich in meiner Jugend in Köln im Dominikaner-Kloster zu Gast war, nur zur Messe. Und dann brachten die Brüder die Kerze vor. Der Prior hat dann alle Kerzen einzeln angenommen und hat sie in der Hand zusammengehalten zu einem Bündel. Das wurde dann eine große Kerze. Das hat mich unheimlich beeindruckt und das ist für mich auch der Sinn morgen, beim Tag des geweihten Lebens. Und das ist der Sinn unserer Taufe auch: Dass wir eingebunden sind in eine Gemeinschaft. Und für mich ist diese Gemeinschaft hier bei uns im Kloster eine tragende Gemeinschaft.
Radio Vatikan: Papst Franziskus feiert eine große Messe mit Ordensleuten im Vatikan zum Tag des geweihten Lebens. Was kommt von dem an, was Papst Franziskus hier macht zum Tag des geweihten Lebens?
Schwester Lioba: Das kommt bei mir ganz tief an und mein Herzenswunsch wäre, einmal dabei sein zu können. Wer weiß? Gott kennt viele Möglichkeiten. Papst Franziskus als Ordensmann schätze ich sehr und er ist sehr weise - ich kann ich mich gar nicht erwehren, das jetzt einzufügen: Er hat eine Gemeinschaft, eine französische dominikanische Gemeinschaft um Entschuldigung gebeten dafür, dass eine Institution innerhalb des Vatikans nicht gut gearbeitet hat. Das ist ganz großartig und das ist das, was unser Leben ausmacht: Einfach zu sein, menschlich zu sein. Zu sagen: ,Ich bin so, du bist anders. Wir sind miteinander auf dem Weg.` Ich finde das ganz großartig. Er kann das von innen her verstehen, was Ordensleben ausmacht. Ich erhoffe mir noch ganz, ganz viel, dass er ganz viel tun kann für unsere Ordensgemeinschaften, auch neuen Schwung wieder bringen - in der Einfachheit, die er vorlebt. Diese Einfachheit, Bescheidenheit, Demut, das ist also ganz großartig.
Radio Vatikan: Stichwort Schwung: Wenn man auf den Nachwuchs schaut, zumindest in Europa, sieht es bei den Orden rückläufig aus. Was glauben Sie, muss da passieren? Wie kann sich das ändern? Gibt es bei Ihnen noch Eintritte?
Schwester Lioba: Wir haben seit Jahren keine junge Frau, die Interesse gezeigt hat, an unserem Leben teilzunehmen. Das bedrückt uns sehr. Wir wissen, wir sind damit nicht allein. Gut, Gottes Geist muss wirken, aber das Umfeld ist auch nicht mehr so. Wir haben dennoch Kontakt zu jungen Leuten. Wir geben diese Hoffnung nicht auf. Und wir möchten lebendiges Zeugnis sein: Wir müssen ausstrahlen, unser Leben muss so sein, dass es anspricht und anzieht. Und all diese Möglichkeiten, die die Gesellschaft, die Wirtschaft und alles bietet - dem standzuhalten, ist nicht leicht für junge Leute. Es ist ein großer Schritt, den junge Leute tun. Die Freude am Herrn ist meine Kraft. Und das muss in unserem Leben, in unserer Kirche lebendig werden.
Die Fragen stellte Stefanie Stahlhofen
(vatican news - sst)
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