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Köln: Der Dom und weitere Kirchen am Rhein Köln: Der Dom und weitere Kirchen am Rhein 

D: „Wir brauchen die Krise für etwas Neues“

Um das Klima in der katholischen Kirche in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Viele Menschen treten aus der Kirche aus, doch der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer bleibt weiter optimistisch.

Ein Klimawechsel sei dringend nötig, aber man brauche die Krise zu einer Rückbesinnung auf das Eigentliche, sagte er in einem Gespräch mit dem Kölner Domradio. „Es geht nicht ohne dass Gott im Mittelpunkt steht. Hört sich fromm an, soll auch fromm sein. Und das müssen wir jetzt praktisch durchdeklinieren.“

Meurer äußerte sich vor dem Hintergrund neuer Kirchenaustritts-Zahlen im Erzbistum Köln. Dort sind letztes Jahr so viele Christen wie nie zuvor aus der Kirche ausgetreten. Für 2021 verzeichnet das Amtsgericht Köln nach eigenen Angaben vom Montag 19.340 Austritte. Das waren beinahe doppelt so viele wie im bisherigen Spitzenjahr 2019, als 10.073 Menschen in Köln der Kirche den Rücken kehrten. Das Amtsgericht unterscheidet allerdings nicht zwischen evangelischer und katholischer Konfessionszugehörigkeit.

Der Kölner Kardinal Woelki
Der Kölner Kardinal Woelki

Interview

Der katholischen Kirche in Deutschland, ganz besonders hier im Erzbistum Köln, laufen die Gläubigen davon. Selbst treue Katholikinnen und Katholiken gehen. Warum treten die Menschen tatsächlich aus? Was ist Ihre Erfahrung?

„Wie wir auch im Buch (Waffeln, Brot und Gottes Glanz: Wie Kirche es gebacken kriegt, Herder September 2021; Anm. d. Red.) darstellen, erfahren sie keine Resonanz. Das heißt, sie haben den Eindruck, sie kommen nicht vor. Mir hat eine Schulkollegin unseres Erzbischofs einen Brief geschrieben und schreibt: ‚Kardinal Woelki ist doch einer von uns‘. Das heißt, sie würde ganz gerne die Erfahrung machen, dass er einer von uns ist. Der Kardinal hat das in seinen Exerzitien auch erwähnt. Man ist doch nicht, weil man Kardinal oder Papst ist, ein anderer Mensch. Sondern er ist einer von uns. Das ist das Geheimnis."

Dann muss auch dazukommen, dass man die Wünsche der Menschen ernst nimmt. Der Kardinal hat gerade gesagt: ‚Wir machen sonntags Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung‘. Hätte er das vor drei Jahren gesagt, dann wäre auch der pastorale Zukunftsweg nicht gestolpert. Ich bin übrigens Fan davon, aber das ist ein anderes Thema…“

„Wir müssen auch für moderne Formen offen sein“

Die Kirche schafft es aber offenbar immer noch nicht so wirklich im Dialog mit den Unzufriedenen zu sein. Der Chor-Streik hier am Palmsonntag ist auch ein Beispiel dafür. Ist das tatsächlich so, dass der Dialog noch immer nicht wirklich auf Augenhöhe geführt wird?

„Aber dieser Streik ist doch gerade ein Ausdruck von Dialog. Wir müssen auch die modernen Formen annehmen. Frau Dr. Köning, die die fünfte Arbeitsgruppe ‚Arbeitsfeld Effizienz und Nachhaltigkeit‘ gemacht hat beim Pastoralen Zukunftsweg, sagt, dass Veränderungen nur von innen möglich sind. Wir brauchen die Krise, um etwas Neues entwickeln zu können.

Das heißt, wir müssen auch für moderne Formen offen sein. Zum Beispiel hat unser Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand die Regenbogenfahne vor der Kirche hängen, schon die ganze Zeit. Ich habe in 30 Jahren dreimal etwas selbst entschieden als Pfarrer. Das heißt, Demokratie ist doch vor Ort in den Gemeinden entscheidend.“

„Ausgetretenen auf Augenhöhe begegnen“

Wer einen Klimawechsel in der Kirche will, der muss neu denken lernen, der muss neue Haltungen einnehmen, sagen Sie. Das sind ja riesige Herausforderungen. Wie kann das gelingen?

„Man muss immer unterscheiden. Zum Beispiel ist der Wert: Leben zu schützen. Dann die Haltung im Verkehr ist: Rücksichtnahme. Defensiv fahren. Das Werkzeug ist der Holländische Griff. Das heißt, die Fahrerin, der Fahrer macht die Tür mit der rechten Hand auf. Also habe ich als Radfahrer keine riesigen Probleme. Das muss man nur durchdeklinieren, was man machen muss, um vor Ort praktisch wirken zu können. Ohne Beteiligung geht es doch nicht.

Im Buch ist auch ein Wissenschaftler, ein junger Mann, der aus der Kirche ausgetreten ist, der aber durch die Begegnung mit Christen in Wien wieder in die Kirche und auch zu Gott zurückgefunden hat. Das heißt, die haben den ordentlich aufgenommen, die haben ihn nicht missachtet, weil er ausgetreten ist, sondern ihn als Mensch auf Augenhöhe akzeptiert.“

„Die Frage ist doch die Frage nach Gott“

Sie benennen ja Missstände in Ihrer Kirche ganz klar. Aber am Ende sind Sie Optimist und Sie glauben an Ihre katholische Kirche. Woher nehmen Sie den Optimismus?

„Ich nehme den Optimismus aus der Begegnung jeden Tag mit den Menschen, die dem Herrgott glauben. Die Frage ist doch die Frage nach Gott. Da haben sie natürlich alle recht, vom Papst bis zum Kardinal. Wenn ich Gott nie begegne in meinem normalen Alltag, dann funktioniert das nicht. Also beten wir jeden Tag um 12 Uhr jede und jeder da, wo er ist, für den Frieden auf der Welt, nicht nur in der Ukraine. Oder wir treffen uns jeden Dienstag extra oder die Taizé-Gruppe macht das gleiche in groß jeden Monat. Es geht nicht ohne dass Gott im Mittelpunkt steht. Hört sich fromm an, soll auch fromm sein. Und das müssen wir jetzt praktisch durchdeklinieren.“

(domradio – sk)
 

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21. April 2022, 09:47