Unser Sonntag: Gott bedrängen
Msgr. Joachim Schroedel
Lk 11,1-13 Lesejahr C
Haben Sie noch das Evangelium vom letzten Sonntag im Ohr? Maria, die sich ganz dem Herrn widmet und von ihm den „Dienst des Wortes“ empfängt, die wohl spürt, dass es dem Herrn um SEINEN Dienst geht, nicht darum, bedient zu werden, steht im Gegensatz zu ihrer so beschäftigten, mit weltlichen Dingen beschäftigten Schwester.
Und vor zwei Wochen hat uns die Liturgie das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter geschenkt. Gottes- und Nächstenliebe, so haben wir durch unsere Lehrerin, die Heilige Mutter Kirche, gelernt, müssen im Gleichklang liegen. Sonst gelingt es uns nicht, ins „Reich Gottes“ zu gelangen.
Verunsicherte Jünger
Ich erfahre die Jünger heute eher als das, was man heute mit „verunsichert“ bezeichnet. Wir wissen, so mögen sie denken, was Du, Herr, von uns willst. Wir sollen auf Dein Wort hören, sollen uns vertiefen in das, was Du uns sagen willst. Und eigentlich wissen wir auch, was Du uns sagen willst. Deine Botschaft ist, dass das Reich der Himmel sich von dieser Erde wesentlich unterscheidet, dass es die „Königsherrschaft Gottes“ ist. „Das Reich Gottes ist nahe“ – das ist die Botschaft der Jünger, die zu zweien als Zeugen der Wahrheit unterwegs sind.
Aber, so werden sich die Brüder und Schwestern Jesu in der Gemeinde des Evangelisten Lukas gefragt haben, müssen wir verstummen. Müssen wir taten- und wortlos warten auf das, was uns zu kommt?
Und: Du, Jesus, schickst uns auch immer wieder weg, um mit dem zu reden, der Dich gesandt hat. Mit Deinem Vater. Für uns scheint Gott so ferne zu sein, Jesus! Bitte sag uns, wie wir aus unserer Sprach- und Hilfslosigkeit heraus kommen.
Mit dem Evangelium vom heute also:„Herr, lehre uns beten!“. Und ER lehrt sie! Mit den Bibelforschern des Neuen Testaments können wir wohl sagen, dass das „Vater Unser“, das wir nun hören, vielleicht die ursprüngliche Fassung gewesen sei. Aber viel wichtiger, als die Frage, wie viele Bitten, ob fünf oder sieben, dieses Gebet enthält scheint mir die Tatsache, dass Jesus den Jüngern „erlaubt“, den großen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, mit dem Wort „VATER“ anzusprechen. Im Judentum ist es zwar nicht ungewöhnlich, Gott als den „Vater Israels“ anzusprechen, doch der einzelne Mensch wagt diese nahe Gottesbezeichnung eher selten.
Die besondere Beziehung zu Gott
Wichtiger als die Frage, wie das Judentum mit dem Begriff vertraut ist scheint mir die Frage, ob und wie heute andere monotheistische Religionen mit dem Vaterbegriff umgehen. Für das Judentum scheint klar: Wenn Jesus Gott „Vater“ nennt, hat er, wie viele Propheten, eine besondere Beziehung zu Gott. Natürlich wird umgekehrt Jesus nie als „Sohn Gottes“ bezeichnet werden. Dieser Begriff existiert im Judentum, wird aber immer auf das ganze Volk der Juden im metaphorischen Sinn verwendet.
Dem Islam freilich ist die Vorstellung, Gott „Vater“ zu nennen, völlig fremd. Gott ist der „absolut Andere“, dem jede menschliche Qualifikation inadäquat ist. Jesus überträgt also sein Sohnesverhältnis auf seine Jünger. Für ihn wie für sie soll Gott der Vater sein.
Hoffnung auf das Reich Gottes
Und dieses Vater-Sein qualifiziert sich in der Bitte um die ständige Unversehrtheit seines Namens („Geheiligt werde Dein Name“) und die Hoffnung auf die Vollendung, das Ende dieser Welt in seinem Reich.
Für die „Zwischenzeit“ bittet der Jünger Jesu um angemessene Nahrung, und Verzeihung von Verfehlungen. Im Gegenzug verspricht der Beter, dass auch er die Sünden Anderer verzeihe. Mit der Bitte darum, dass Versuchung (zum Bösen, zur Machtausübung über andere etc.) aktiv von Gott verhindert werde (Prof. Karl Heinrich Rengstorf: „Und führe uns nicht in eine Versuchung hinein“), endet dieses Gebet mit 5 Bitten.
Doch das kurze Vater Unser ist nur ein Vorspiel für die Ermahnung und Aufforderung, die nun folgt.
In Kürze: Bedrängt diesen Gott mit Euren Bitten! Lasst nicht nach! Wenn Ihr standhaft seid, wird er Euch erhören!
Liebe Mitchristen,
bei allen komplizierten Fragen, die das heutige Evangelium stellt, ist mir eines die Botschaft des Tages:
Trauen wir Gott zu, dass er ein Gott des Dialogs ist? Oder, wie man heute so oft hört: es ist ohnedies alles vorbestimmt, wir können daran nichts ändern, was geschehen soll, wird halt geschehen. Das sagen heute Menschen, die von sich behaupten würden, sie seien fromme und gute Katholiken. Ja, die gerade diese Behauptung („Ist ja eh alles vorherbestimmt“) zur Begründung ihres „guten Katholisch-Seins“ benutzen. Noch vor wenigen Jahren hätte man eine solche Haltung als Fatalismus gebrandmarkt, im Islam ist dies, aber systemisch korrekt, die Bestimmung des Kismet. Schicksal; sagen wir manchmal einfach.
Wir sollen Gott bedrängen...
Doch die heutige Perikope des Evangeliums ruft uns auf, Gott zu bedrängen, ihm „auf die Nerven zu gehen“. Dabei müssen wir unterscheiden: Es ist bei weitem nicht so, dass wir unser Schicksal selbst in der Hand haben. Das freilich scheint manchmal das Motto derjenigen zu sein, die krampfhaft und letztlich ohne jede Hoffnung auf das “Eingreifen Gottes“ Kirche und Welt verändern wollen. Ja: es auch heute, besonders in Europa, Bestrebungen, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen. Selbst besser als Gott zu wissen, wie man aus manchen Krisen kommt. Das ist fatal. Tödlich.
Kirche ist Leib Christi
Und es sind eben diese Christen, die, vom Eifer erfüllt, die Kirche zu retten, und Reformen durchzuführen, vergessen, dass eben diese Kirche nicht ein Verein, sondern der Leib Christi ist. Und dass, bei aller Einsatzfreude, die Bitte an den Herrn der Kirche nicht zu kurz kommen darf, ja: Grundlegend und erstinstanzlich ist.
Zu Beginn des Monats haben wir im Evangelium gehört: „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2 / 14. Sonntag im Jahreskreis, C)
Heute heißt es: „Bittet, dann wird euch gegeben, sucht, dann werdet ihr finden, klopft an, dann wird euch geöffnet“ (Lk 11,9).
Haben wir noch den geistlichen Eifer, Gott in unseren Anliegen zu bitten? Wie gerne denke ich auch und besonders im Nahen Osten an die Verhandlung, die Abraham mit Gott über Sodom geführt hat. Wie auf einem orientalischen Basar geht es da zu! (Gen 18,16-33)
Wir können unseren Vater noch bitten; bieten wir ihm einen „deal“ an?
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
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