Unser Sonntag: Demut ist keine Taktik
Prof. Marianne Schlosser, Wien
Lk 13,22-30
Jesus lehrt, heilt Kranke, spricht vom Reich Gottes. Kurz vor der heutigen Perikope vergleicht er das Reich Gottes mit einem Senfkorn. Und in den vergangenen Sonntagen war von der nötigen Wachsamkeit die Rede, von der Ankündigung möglicher Spaltungen, die bis in die Familien geht.
Und da ist es kein Wunder, dass heut jemand auf ihn zukommt und fragt: Sind es wenige, die gerettet werden?
Und je nach Tonfall kann man denken, die Frage kommt aus einer gewissen Ängstlichkeit - ob man noch eine Chance hat? Oder vielleicht aus einer gemischten Selbstsicherheit, dass man doch ganz bestimmt zu den wenigen gehören werde? Und wir heute würden vielleicht andersherum fragen. Etwa so: Also, Jesus, so kann es doch nicht gemeint sein, es werden doch bestimmt alle gerettet. Worauf stützt sich denn unsere Sicherheit? Wird sie tragfähig sein? Sind wir wirklich so überzeugt, dass Gott an uns nichts auszusetzen haben kann? Dann schauen wir auf die anderen und finden, dass die auch nicht viel besser sind und eher vielleicht sogar schlechter als wir. Jedenfalls, wir finden an uns nicht so Gravierendes, dass es nicht reichen müsste.
Unser Urteil über andere
Und doch ein bisschen Unsicherheit ist da und man spürt es manchmal in der Art, wie wir über andere urteilen. Je weniger wir Gott zutrauen, dass er wirklich die Dinge gerade richtet, dass es ihm wichtig ist, ob etwas wahr oder Lüge ist, dass er also in seiner Heiligkeit Recht sprechen wird. Je weniger wir daran denken, desto gnadenloser ist unser Urteil über andere Menschen. Nun, Jesus gibt auf diese Fragen keine Auskunft.
Er zeigt vielmehr in seiner Antwort, dass die Frage den Punkt verfehlt. Die entscheidend wichtige Sache ist:
Du selbst. Kümmert euch darum, bemüht euch mit allen Kräften durch die enge Tür zu gehen.
Das ist zunächst eine Warnung, und daran anschließend kommt auch eine Verheißung, nämlich die, dass von Osten, Westen, Norden und Süden aus allen Himmelsrichtungen Menschen kommen werden, um mit Abraham und den anderen Patriarchen und Propheten zu Tisch zu sitzen im Reich Gottes. Müht euch mit allen Kräften durch die enge Tür.
Was heißt denn Mühen? Das heißt, dass man erkennt, dass etwas der Mühe wert ist, dass es etwas Großes ist, etwas, das nicht wie es ein altes deutsches Wort ausdrückt „wohlfeil“ ist. Nicht gewöhnlich, selbstverständlich, billig. Das Gegenteil davon ist: Großartig. Steil oder eben auch schwierig. In der klassischen Theologie, zum Beispiel bei Thomas von Aquin, findet man die Definition dessen, was wir erhoffen, sei etwas Gutes, etwas Zukünftiges, etwas Erreichbares, aber zugleich auch etwas Steiles.
Es ist der Mühe wert!
Und das, was uns zugesagt ist, ist größer, als wir erdenken können. Es ist der Mühe wert, und es ist uns verheißen. Wir können es erreichen. Das Gegenteil wäre, wenn man etwas nicht der Mühe wert findet, also wenn man träge ist. Oder wenn man so verzagt und kleinmütig ist, dass man sich nicht auf den Weg machen möchte. Müht euch mit allen Kräften, mit allen Kräften, so wie es im Hauptgebot des Alten Testaments heißt: Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit allen deinen Kräften.
Und wir wissen weder die Gottesliebe noch die Nächstenliebe ist leicht, oder einfach. Wie schön wäre es, wenn einem das Gute leicht fiele. Dann hätten wir das Ziel erreicht. Wir hätten ein Höchstmaß an Freiheit gewonnen. Aber wir sind noch nicht so weit.
Bemühung ist notwendig, weil wir nicht so vollkommen sind, dass wir fliegen, sondern eher so, dass wir uns aufraffen müssen, wenigstens einigermaßen anständig zu gehen. Der Mensch ist das Wesen, das zu seinem Ziel unterwegs ist, und das Wesen, das sein Ziel wollen muss. Und zwar nicht nur so vage seufzend wünschen, sondern auch mitarbeiten soll. Darin besteht sogar eine Würde des Menschen und dieses Mitarbeiten geschieht auch, indem er begreift, dass er darum bitten muss. Die eigene Mühe genügt nicht. Man muss bitten, um die Kraft mitwirken zu können mit Gottes Gnade. Da denken Sie vielleicht an ein sprechendes Bild, das oft ausgelegt worden ist, an das Nadelöhr, durch das ein Kamel eher hindurchgeht als ein Reicher in das Himmelreich gelangt. Und selbst wenn man nicht so viel besitzt wie die Jünger, kann man erschrecken. Sie haben gefragt: Wer kann da noch gerettet werden?
Für Gott ist kein Ding unmöglich
Und Jesus antwortet: Für Menschen sei das unmöglich, aber für Gott sei kein Ding unmöglich. Gott kann das Herz des Menschen so berühren, so stärken und wandeln, dass er das, woran er hängt, loslässt und loslassen kann, dass sich seine Maßstäbe ändern. Mit anderen Worten: Die Tür ist für jeden zu eng, denn wir sind zu dick. Wenn alles von mir abhinge, hätte ich keine Chance.
Vielleicht waren Sie einmal im Heiligen Land, in der Geburtskirche in Bethlehem. Da ist der Eingang sehr niedrig. Wenn man sich nicht beugt, kommt man nicht hinein. Und das ist auch eine Lehre, die weiterführt. Demütig zu sein bedeutet nicht, eine Taktik anzuwenden, wie manche Leute das sich vorstellen, sondern es bedeutet die Wahrheit über mich selbst anzuerkennen. Jesus ist der Erlöser und ich brauche Erlösung und Vergebung.
Die enge Tür: Ich werde mich bemühen, so gut ich kann. Aber nur mit der Gnade Gottes wird es mir gelingen.
Und nur wer das weiß, kennt Jesus überhaupt. Dort verbinden sich Vertrauen und Demut. Die Befreiung von dieser misstrauischen Ängstlichkeit, die im Grunde ein Misstrauen gegen Gott ist. Hat er es vielleicht sowieso nur für wenige vorgesehen?
Und von dieser törichten Selbstsicherheit, von diesen beiden Dingen sagt Theresa von Avila, dass sie die letzten Versuchungen seien, auch von Leuten, die schon sehr weit gekommen sind. Misstrauen gegenüber Gott, weil man seine eigene Schwäche sehr gut kennt. Oder eine Selbstsicherheit, weil einem schon so viel gelungen ist. Beides ist verkehrt. Viele werden kommen von Osten, Westen, Norden und Süden.
Das ist zunächst einmal eine Voraussage der weltweiten Kirche. Damals ist die Jüngerschaft eine kleine, begrenzte Gruppe, aber es werden unterschiedliche Menschen kommen, unterschiedlich nach Herkunft, Mentalität, Bildung, Lebensgeschichte. Gott kennt die Seinen, die ihn suchen. Und es werden viele sein. Scharen!
Die Heiligen im August
Wenn wir im August die heiligen Feste anschauen, sehen wir einen kleinen Ausschnitt dieser Vielfalt.
Monika. Und Augustinus. Maximilian Kolbe, Klara von Assisi, Dominikus, Rosa von Lima.
Aus allen Richtungen und aus allen Schichten kommen sie in das Reich Gottes. Jesus warnt also die Leute, die damals ihn kannten, dass sie nicht sich darauf verlassen sollten, äußerlich dazu zu gehören. Sie meinen, ihn zu kennen. „Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken.“ Ja, wir haben doch in deinem Namen prophezeit. Sie berufen sich auf Verwandtschaft und Bekanntschaft mit ihm. Und doch wird er zu manchen sagen müssen: Ich kenne euch nicht.
Derjenige, der ihn kennt, ist derjenige, der weiß, dass er sein Erlöser ist.
Dass ohne ihn wir nichts tun können, das wir, wie es im Johannesevangelium heißt, die Reben getrennt vom Weinstock, keine Frucht bringen werden. Das sind die Menschen, die ihn kennen. Und darum ist Demut keine Taktik, um irgendwie weiterzukommen. Sondern es ist die Erkenntnis dessen, wer man selbst vor Gott ist und dass man großartig beschenkt wird.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski, transkribiert anhand des mündlichen Vortrages der Theologin)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.