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Suizidprävention: Globale Ausnahmesituation aktiviert neue Ängste

Die aktuelle „globale Ausnahmesituation“ kann neue Ängste aktivieren und vergangene Traumata wiederaufleben lassen. Seelsorgliche Beratungsgespräche durch die Telefonseelsorge seien seit Ende November „massiv angestiegen“, berichtet Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorgeOÖ bei der Pressekonferenz zum Weltsuizidpräventionstag am 10. September in Linz.

Die gegenwärtige Lage mache die eigene, aber auch die gesamtgesellschaftliche Vulnerabilität besonders spürbar und bewirke bei vielen eine Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit. Besonders Menschen in prekären Lebenssituationen, einsame oder psychisch erkrankte Personen, sowie Jugendliche und junge Erwachsene stünden am Rande ihrer Belastbarkeit. „Sehr oft ging es dabei um Überforderung, existenzielle Nöte, Hoffnungslosigkeit und Zukunftsängste. Viele Anruferinnen und Anrufer befanden sich in einer extremen Krisensituation und äußerten Suizidgedanken", so Breitwieser.

„Suizidgefährdete Menschen brauchen ein offenes Ohr“

Breitwieser erklärt, dass Menschen in einer ausweglosen Situation das Bedürfnis haben, nicht allein zu sein mit den ihren Belastungen und deshalb den Kontakt suchen.

Ein Teil der Suizide werde direkt oder indirekt angekündigt, erklärte Klemens Hafner-Hanner von der Familienberatung der Diözese Linz „beziehungleben.at". Sätze wie „Ich wäre froh, wenn alles vorbei wäre" oder „Am liebsten würde ich einschlafen und nicht mehr aufwachen" seien ein deutliches Zeichen. „Manchmal fallen solche Sätze zwischendurch. Es hilft hier, die Suizidgedanken anzusprechen, auf die Person einzugehen, und Beziehung und Vertrauen zu schaffen", so Hafner-Hanner.

Aktiv werden und Hoffnung schaffen


In die gleiche Kerbe schlug auch Thomas Niederkrotenthaler, stv. Leiter der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin an der Medizinischen Universität Wien: „Das Motto des heurigen Welttags ist 'Aktiv werden und Hoffnung schaffen'. Das bedeutet, dass jeder und jede von uns eine wichtige Rolle dabei hat, aktiv Stigmatisierung von Suizidgedanken abzubauen." Der Experte betonte zudem die Rolle der Medien: „Hier ist es von größter Relevanz, das Thema Suizid adäquat und in seiner Komplexität aufzuzeigen, auf spekulative oder einfache Erklärungen für Suizid zu verzichten und über Präventionsangebote zu berichten."

Barbara Lanzerstorfer-Holzner, Referentin der TelefonSeelsorge OÖ, betonte die Wichtigkeit der Telefonseelsorge als „erste Ansprechpartnerin in Krisensituationen". Am Telefon und im Chat gelte es erst einmal, ruhig zu bleiben, den Schmerz und das Leid mit auszuhalten und nicht zu beschönigen oder wegzureden. „Die Beratenden helfen in der Rolle eines mitfühlenden Zeugen dabei, über belastende Erfahrungen und widrige Lebensumstände zu sprechen.

Suizidgedanken können offen und direkt thematisiert werden - ohne Bewertung bzw. Stigmatisierung", so Lanzerstorfer-Holzner. „Ziel ist es, in eine hoch angespannte Situation etwas Abstand, Ruhe und Klarheit zu bringen - den Schmerz teilen. Es gehe um eine Krisenintervention „mit warmem Herz, klarer Sprache und ruhiger Sachlichkeit".

„Nachzufragen, ob jemand an Suizid denkt, bringt niemanden auf die Idee, sich das Leben zu nehmen - im Gegenteil“

„Ein behutsames Ansprechen kann Menschen sogar entlasten", betonte Daniela Bauer, Leiterin der Telefonseelsorge Graz. Jährlich sterben in Österreich mehr als 1.000 Menschen durch Suizid, „das sind drei Mal mehr Tote als im Straßenverkehr", so Bauer.

Oftmals junge Menschen von Suizidgedanken betroffen


Bei 14- bis 20-Jährigen ist Suizid die zweithäufigste Todesursache, während Suizid in der Altersgruppe 25 bis 29 sogar die häufigste ist. Doch auch die Zahl der Alterssuizide steige, da sich Menschen im Alter immer einsamer und weniger gebraucht fühlen, betonte die Grazer Telefonseelsorge-Leiterin. Allein in der Steiermark konnten die rund 90 Mitarbeitenden in über 16.000 Gesprächen Menschen beistehen, berichtete Bauer. „Dennoch braucht es die Achtsamkeit von uns Mitmenschen, dass wir auf jene zugehen, denen es nicht gut geht."

Es gibt Hilfe

Für Menschen in der Krise gibt es Hilfsangebote. Beratung und Hilfsangebote bei Depressionen und Suzidgedanken sind vielfältig, teilweise auch anonym. Telefonische, via Email, über Chat aber auch persönliche Angebote existieren.

Österreich: Die österreichische Telefonseelsorge bietet telefonisch unter der Nummer 142, mittels Chat und Email ihre Hilfe an. Nähere Informationen unter telefonseelsorge.at. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums unter www.suizid-praevention.gv.at. Ebenso kann die Caritas Österreich Anlaufstelle für Betroffene Angehörige und Menschen in der Krise sein.

Deutschland: Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention verweist auf eine Reihe von Angeboten auf ihrer Website.  Speziell für junge Menschen mit Suizidgedanken gibt es das Angebot von www.u25-deutschland.de. Auch die Caritas Deutschland bietet ihre Hilfe an. Die Nummergegenkummer.de verfügt über eine eigene Anlaufstelle für Eltern und für Kinder und Jugendliche.

Schweiz: 143 ist die Notrufnummer für jene in der Krise. Auch per Email und Chat sind Experten zu erreichen. Projuventute bietet genau wie die Caritas Schweiz ihre Hilfe an.

(kap - sm)

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09. September 2022, 15:18