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Europa: Straßburg fällt Urteil zu Leihmutter-Kindern

Die Elternschaft zweier Väter, die durch ein ausländisches Gericht besiegelt wurde, muss zur Wahrung des Kindeswohls auch in der Schweiz anerkannt werden. Dieses Urteil fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Die Rechte von Kindern, die von einer Leihmutter geboren wurden und deren Eltern in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, wurden nun durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gestärkt. Beide Elternteile müssten im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit haben, als rechtliche Väter des Kindes anerkannt zu werden, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung des Straßburger Gerichts.

Im konkreten Fall ging es um zwei Schweizer. Die beiden Männer hatten in den USA einen Vertrag für eine Leihmutterschwangerschaft abgeschlossen. Das Verfahren ist in der Schweiz verboten. Dabei trug eine Leihmutter das Kind aus, das in einer In-Vitro-Befruchtung mit den Samenzellen eines der beiden Männer gezeugt worden war.

Adoption wurde verboten

Die US-Behörden bezeichneten in der Geburtsurkunde 2011 beide Männer als rechtliche Väter. Die Schweiz erkannte aber nur den biologischen Vater an. Die Klagen der beiden Männer vor dem Bundesgericht verliefen letztlich erfolglos. Auch eine Adoption war dem zweiten Mann zu dieser Zeit verboten. Erst nach einer Gesetzesänderung konnte der zweite Mann 2018 das Kind adoptieren.

Der EGMR sah in der verweigerten Anerkennung des Vaterrechts nun einen Verstoß gegen das Kindeswohl. Die Rechte des Kindes dürften nicht von der sexuellen Orientierung der Eltern abhängen.

Es sei unverhältnismäßig gewesen, dem Kind eine verlässliche rechtliche Bindung an den zweiten Mann zu verweigern, so die Straßburger Richter. Dass die beiden Männer zuvor wissentlich gegen das Schweizer Verbot einer Leihmutterschaft verstoßen hatten, spiele dabei keine Rolle.

Urteil zum Wohl des Kindes

Es war das erste Mal, dass der EGMR ein Urteil zu gleichgeschlechtlicher Elternschaft bei Leihmutterschaftskindern fällte. „Wir sind überaus erfreut über den Entscheid aus Straßburg“, sagt Maria von Känel, Geschäftsführerin des Dachverbandes Regenbogenfamilien Schweiz. „Das Gericht hat das Wohl des Kindes ins Zentrum gestellt“, so von Känel.

Durch die Verweigerung der Anerkennung der Elternschaft des nicht-genetischen Elternteils hätte die stabile faktische Elternschaft keine Entsprechung im Rechtlichen und das Kind beispielsweise keine Erb-, Unterhalts- und Fürsorgerechte gegenüber diesem Elternteil. Der Gerichtshof habe also gute Gründe für sein Urteil gehabt, so von Känel.

Kritik an langer Wartezeit

Im Urteil wurde insbesondere die lange Wartezeit zur rechtlichen Herstellung der Familie kritisiert. Die Adoption des Kindes durch den nicht genetischen Vater konnte erst 2018 nach Inkrafttreten des revidierten Adoptionsrechts, welches gleichgeschlechtlichen Paaren die Stiefkindadoption erlaubte, beantragt werden.

Da es acht Jahre lang dauerte, bis der zweite Vater als rechtlicher Elternteil anerkannt wurde, hat die Schweiz den ihr zustehenden Ermessenspielraum überschritten und durch die Verweigerungshaltung das Kind in seinem Recht auf ein Familienleben verletzt. In der Schweiz wachsen rund 30.000 Kinder in sogenannten Regenbogenfamilien auf.

(kna/kath.ch – mg)

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23. November 2022, 13:10