Suche

Die Umarmung in Bahrain Die Umarmung in Bahrain 

Islam-Experte: al-Tayyebs Umarmung mit dem Papst ist Ermutigung

Die Papstreise nach Bahrain war aus muslimischer Sicht in vielerlei Hinsicht ein „historisches Ereignis“. Der katholische Theologe und Islam-Experte Timo Güzelmansur sieht in dem zweiten Besuch von Franziskus auf der arabischen Halbinsel mehrere Aspekte, die den weiteren Verlauf des christlich-islamischen Dialogs prägen werden. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer von CIBEDO, der Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz, die den interreligiösen Dialog zwischen Christentum und Islam fördert.

Radio Vatikan: Wie wichtig war die Reise des Papstes nach Bahrain aus Sicht des christlich-islamischen Dialogs?

Güzelmansur: Die Reise war sehr wichtig - und sie war wegen verschiedenen Aspekten ein weiterer Meilenstein für den christlich-islamischen Dialog. In einer zunehmend polarisierten Welt zeigte die Anwesenheit des Papstes in Bahrain, dass Christen und Muslime nicht als Gegner auftreten müssen, sondern Partnerinnen und Partner für eine gerechtere Welt sein können. Bei verschiedenen Anlässen verwies der Papst auf das Dokument von Abu Dhabi und damit auf Menschenrechte, Religionsfreiheit und meines Erachtens auch auf den wichtigsten Aspekt des Dokuments, nämlich auf das Konzept des Bürgerrechts: damit alle Menschen, die in einem Land leben, die gleichen Rechte und Pflichten genießen können, und damit eine echte gesellschaftliche Anerkennung und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich ist.

Hier das Interview mit Timo Güzelmansur zum Nachhören

„Zum ersten Mal eine Lesung aus Koran und Bibel“

Radio Vatikan: Gab es etwas, was Ihnen an der Reise besonders aufgefallen ist?

Güzelmansur: Ja, und davon möchte ich drei Momente hervorheben. Der Papst hat sowohl den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios als auch den Scheich der al-Azhar, Ahmed al-Tayyeb, mit der gleichen schlichten Anrede „Lieber Bruder“ angesprochen. Das ist bemerkenswert. Zum anderen hat al-Tayyeb in einer sehr offenen Art und Weise über die Differenzen zwischen Sunniten und Schiiten gesprochen und für eine innerislamische Ökumene plädiert. Das ist ebenfalls bemerkenswert, nämlich angesichts des Ortes. In Bahrein ist die Mehrheit der Bevölkerung schiitisch und das Herrscherhaus sunnitisch. 2011 wurden die Proteste in Bahrain im Zuge des sogenannten „Arabischen Frühlings“ mithilfe von Saudi-Arabien brutal niedergeschlagen. Viele Menschen schiitischen Glaubens wurden verhaftet und viele schiitische Moscheen zerstört. Und zuletzt ist es mir positiv aufgefallen, dass zum ersten Mal bei einer von den Muslimen organisierte Begegnung mit dem Papst neben dem Koran eine Lesung aus der Bibel vorgetragen wurde. Das ist meines Erachtens ein Novum, das zum ersten Mal stattgefunden hat.

Franziskus in Bahrain
Franziskus in Bahrain

„Wahrscheinlich hören einige der Herrscherhäuser diese Stellungnahmen des Papstes nicht gerne“

Radio Vatikan: Papst Franziskus hat bei seinem Besuch auch für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung von Frauen geworben. Wie kommt eine solche Forderung in der islamischen Welt an?

Güzelmansur: Ich denke, dass solche Aussagen ganz aufmerksam aufgenommen werden und tatsächlich über die Grenzen von Bahrein hinaus wirken. Seit einigen Monaten sind nicht nur Frauen, sondern viele Menschen im Iran auf der Straße und demonstrieren mit den Worten „Frau, Leben, Freiheit“. Also, das Thema ist hochaktuell und hochpolitisch. Wahrscheinlich hören einige der Herrscherhäuser diese Stellungnahmen des Papstes nicht gerne. Aber für viele Menschen sind diese Worte Ermutigung und Solidarität. Sie werden gerne gehört und nicht nur in der islamischen Welt.

„Die Kraft der Bilder nicht unterschätzen“

Radio Vatikan: Was bringt Ihrer Meinung nach ein interreligiöses Treffen, wie wir es in Bahrain erlebt haben?

Güzelmansur: Die Botschaft, die von solchen Treffen ausgeht, ist meines Erachtens „Lasst uns als religiöse Menschen uns dafür einsetzen, die vielen Konflikte und globale Herausforderungen gemeinsam als Partnerinnen und Partner anzugehen. Lasst uns für Frieden und echte Solidarität einzutreten. Lasst uns mit allen Menschen des guten Willens uns vernetzen, um auch gerechte Gesellschaften aufzubauen.“

Dabei darf man die Kraft der Bilder nicht unterschätzen. Wenn also eine Konferenz in einem muslimischen Land stattfindet und Bilder davon in den Medien verbreitet werden, wie die Anhängerinnen und Anhänger unterschiedlicher Religionen und Kulturen miteinander friedlich sprechen, wenn der muslimische Scheich der al-Azhar den katholischen Papst umarmt und beide sich als Brüder anreden und davon berichtet wird, so kann das ermutigen, dass nicht nur eine friedliche Koexistenz, sondern auch eine friedliche Konvergenz möglich ist. Und dafür können alle etwas tun, damit dies möglichst an vielen Orten Realität wird.

Das Interview führte Mario Galgano.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

07. November 2022, 08:37