Schweiz: Wallis stimmt über Recht auf Sterbehilfe ab
Schon seit 40 Jahren wird in der Schweiz Suizidbeihilfe angeboten. Menschen aus aller Welt reisen zum Sterben dorthin. Auch die Eidgenossen selbst entscheiden sich vermehrt für einen assistierten Suizid. Darunter sind nicht zuletzt Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen leben. Und darum geht es an diesem Sonntag bei einer Abstimmung im Kanton Wallis.
Bislang ist zwischen Matterhorn und Mont Blanc den Trägern freigestellt, ob Sterbehilfeorganisationen in ihren Räumen tätig werden dürfen. Das bedeutet konkret: Hat ein Heim etwa eine katholische Trägerschaft oder eine wertkonservative Führung, müssen Seniorinnen und Senioren an einem anderen Ort aus dem Leben scheiden. Doch das könnte sich bald ändern, wenn die Walliser die Regeln aus einigen anderen Kantonen übernehmen.
Die Schweiz ist ein föderales Land. Es herrscht der sogenannte „Kantönligeist“; was bedeutet, dass in jedem Kanton unterschiedliche Regeln gelten können. In den Kantonen Waadt, Neuenburg und Genf müssen Kliniken und Heime Sterbehilfe in ihren Räumen zulassen.
Im Jura sollen künftig Pflegeheime, die öffentliche Gelder erhalten, verpflichtet werden, Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten zu erlauben. Eine ähnliche Regelung hat der Kanton Zürich Ende Oktober beschlossen. Das Parlament verpflichtete Pflegeheime mit einem öffentlichen Leistungsauftrag, Sterbehilfeorganisationen den Zutritt zu gewähren. Private Heime hingegen haben weiter Wahlfreiheit.
Rechtliche Grundlage
Die rechtliche Grundlage der Suizidhilfe in der Schweiz beruht auf Artikel 115 des Strafgesetzbuchs von 1937. Der besagt wörtlich: „Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmord verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.“ Daraus leitete die Rechtsprechung im Laufe der Jahre ab, dass Beihilfe zum Suizid nicht strafbar sei, wenn keine „selbstsüchtigen Beweggründe“ vorliegen. Ein umfassendes Recht auf staatlich garantierte Sterbehilfe gibt es allerdings nicht.
Der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, fordert im Interview des Portals kath.ch, dass im Wallis die Wahlfreiheit der Heimbetreiber erhalten bleiben solle. Er warnt vor einer Zunahme von Sterbehilfe; und er sieht zusätzliche Belastungen für das Pflege- und Ärztepersonal, denn der assistierte Suizid stelle ihren Berufsethos infrage. Hilfe beim Sterben, so der Bischof, sei „keine pflegerische Handlung“. Stattdessen solle der Kanton Palliativmedizin ausbauen. „Der Wunsch nach Sterbehilfe verschwindet, wenn man mit einer freundlichen Präsenz und einer menschlichen Begleitung antwortet“, meint Lovey.
Tatsächlich stimmen die Walliser am Wochenende auch über den Ausbau von „Palliative Care“ ab. „Die Menschen wünschen sich, dass ihnen jemand zuhört“, sagt Caroline Walker Miano. Sie engagiert sich in einem Verein für Sterbe- und Trauerbegleitung im Oberwallis. Sie ist überzeugt: „Palliative Care“ sei die beste Antwort auf Sterbehilfe.
Wie die Abstimmung am Sonntag ausgeht, ist unklar. Zwar zählt das Wallis zu den traditionell katholischen Kantonen. Doch auch dort weicht das Stimmvolk vom Lehramt ab. Bei der Abstimmung über die „Ehe für alle“ hatte das Walliser Bergdorf Oberems sogar den höchsten Ja-Anteil landesweit.
(kna – mg)
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