...es geht um die Auferstehung von den Toten ...es geht um die Auferstehung von den Toten 

Unser Sonntag: Der Gott der Lebenden

In dieser ersten Betrachtung erzählt Pater Sebastian Ortner, was ihn alles an Auferstehung denken lässt. Er bringt seine persönlichen Erfahrungen aus der Hospizarbeit, dem Einsatz für Obdachlose und aus einem afrikanischen Flüchtlingscamp mit ein.

Pater Sebastian Ortner SJ

Lukas 20, 27-38

Die Auferstehung von den Toten: Gibt es sie wirklich? Und wenn es sie gibt, wie sollen wir sie uns vorstellen, wie soll sie funktionieren?

Hier zum Nachhören

Solche und ähnliche Fragen stellen die Sadduzäer, oder einige von den Sadduzäern, heute im Evangelium Jesus und treiben ihn damit in die Enge. Sie wollen ihm zeigen, dass es die Auferstehung gar nicht geben kann; denn: Wie soll das gehen, wenn eine Frau mehrere Männer heiratet: Wem wird sie dann im Himmelreich „gehören“? Wessen Frau wird sie dann sein?

Als Auferstandene Kinder Gottes

Jesus antwortet auf zwei Weisen auf diese kritischen, skeptischen Anfragen. Zum einen sagt er, dass wir, als Auferstandene, Kinder Gottes sein werden. Wir werden als Auferstandene ganz bei ihm sein und uns nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen müssen, wen wir heiraten, ob wir heiraten und was geschieht, wenn unser Ehepartner, unsere Ehepartnerin stirbt.
Diese Probleme sind für Auferstandene irrelevant.
Und Jesus legt noch eins drauf, indem er sagt: Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten; er ist ein lebendiger Gott, vor dem und für den alle leben; also auch die Verstorbenen. Wenn dem so ist, so folgert Jesus, dann muss es doch eine Auferstehung der Toten geben, sodass alle vor Gott lebendig sein können.
So weit, so gut. Aber: Sind wir jetzt schon überzeugt? Ist es nicht doch schwer, uns diese Auferstehung vorzustellen, uns nahe zu bringen? Wohnt nicht so ein skeptischer Sadduzäer auch in unseren Herzen?

„Wenn ich so richtig aufatme, dann ist das eine Erfahrung, die ich mit Auferstehung in Verbindung bringen würde.“

Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte Sie einladen, in dieser Betrachtung zum Evangelium sich aus dem Leben heraus dem Glaubensgeheimnis der Auferstehung anzunähern.
Wenn Gott ein Gott der Lebenden ist, ein lebendiger Gott, dann könnte unser Leben doch etwas mit der Auferstehung zu tun haben.
Wenn ich an Auferstehung denke, fällt mir ein Aufatmen ein, ein reflexhaftes, spontanes Aufatmen. Vielleicht kennen Sie das von Babys, wenn sie einschlafen und noch einmal so ein tiefes Aufatmen von sich hören lassen, bevor sie wegschlummern; oder, vielleicht kennen Sie es auch von sich selbst.
So ein Aufatmen, das ich habe, wenn ich einen schweren Rucksack ablege; wenn ich anderen etwas Mühseliges anvertrauen kann; mich mit meinen vertrackten Problemen jemand gegenüber öffnen kann; wenn ich so richtig aufatme, dann ist das eine Erfahrung, die ich mit Auferstehung in Verbindung bringen würde.

Tod als Übergang zu einem neuen Leben

Aber nicht nur dieses Aufatmen, sondern auch Erfahrungen, Begegnungen mit Menschen in schwierigen, in extremen Situationen lassen mich an Auferstehung denken. So war ich z. B. drei Monate lang als Novize im Johannes-Hospiz [der Barmherzigen Brüder] in München tätig, habe dort sterbende Menschen und ihre Angehörigen begleiten dürfen. Oft war es wichtiger, für die Angehörigen da zu sein; die Pflegerinnen und Pfleger kümmerten sich rührend und liebevoll um die Sterbenden. Es ging darum, einen guten Übergang zu ermöglichen. Der Tod war kein Endpunkt, sondern ein Übergang zu einem neuen Leben, zu etwas Neuem. Das war deutlich spürbar in diesem Haus.

Dankbarkeit für das eigene Leben

Noch etwas bringe ich aus dieser Erfahrung heraus mit der Auferstehung in Verbindung; nämlich die Freude, die ich hatte, als ich jeden Abend mit dem Fahrrad zurück in die Jesuitenkommunität fuhr. Ich fühlte mich jung, gesund und so dankbar für dieses Leben, das Gott mir geschenkt hat - wie kostbar dieses Leben ist. Auch dieses Gefühl des prallen Lebens lässt mich an so etwas wie Auferstehung denken, die uns in diesem Leben manchmal auch schon nahekommt.

Ebenso in dieser Zeit habe ich in einem Obdachlosenheim bzw. in einem Heim für ehemalige Obdachlose mit Walter Lorenz, der diesen Verein Benedikt Labre und dieses Haus gegründet hat, arbeiten dürfen. Ich habe meine Tage mit den ehemals obdachlosen Männern verbracht. Wir haben Lebensmittel abgeholt, die kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum standen und sonst vernichtet worden wären; [wir] haben sie an die Münchner Tafel gebracht oder etwas daraus gekocht, um es dann am Abend den Menschen auf der Straße auszuteilen; zum Teil feines Gebäck aus Bäckereien oder belegte Brötchen und natürlich auch Decken im [für den] Winter.

Der Blick des Friedens

Auch diese Erfahrung war für mich so eine Erfahrung, als ob Jesus unter diesen Menschen wäre; als ob dieser Blick des Friedens, den Jesus auf seine Jüngerinnen und Jünger geworfen hat, als Auferstandener, irgendwo auch in diesen Augen präsent wäre, die mich anschauten, wenn wir Lebensmittel ausgeteilt haben oder auch in den Helferinnen und Helfern spürbar war, weil sie sich gefreut haben, da sein zu dürfen.
Wir haben die Menschen alle mit der Hand begrüßt. Das war Walter Lorenz wichtig - und ich denke auch für die ganze Atmosphäre, die sich ausgebreitet hat, wenn wir mit der Möwe Jonathan, so hieß dieser Bus, in München herumgefahren sind und Lebensmittel verteilt haben.

Auferstehungsfreude im Flüchtlingscamp

Und noch eine dritte Begegnung oder eine Erfahrung möchte ich mit Ihnen teilen, die mich an Auferstehung denken lässt, nämlich ebenso drei Monate in einem Flüchtlingslager in Afrika in Malawi, in Dzaleka. Dort lebten damals 25.000 Menschen, heute sind es ungefähr 60.000 also mehr als doppelt so viele Geflohene, v. a. aus Ruanda, Burundi und dem Kongo, die dort in diesem Lager zwar einigermaßen in Sicherheit leben können, aber in großer Armut.
Ich habe mich gefragt, wie diese Menschen so fröhlich sein konnten, [etwa] in den Liturgien, die wir dort gefeiert haben in der Holzkirche aus Holzbrettern und einer Plastikfolie; wie diese Menschen angesichts dieser prekären Lebensumstände so freien Herzens feiern konnten.
Es gab dort manchmal nicht genug Essen bzw. nur harte Bohne, die man lange kochen musste, wobei das Feuerholz sehr knapp war; und [es gab] viele andere Probleme, die die Menschen dort hatten.
Trotzdem waren sie so etwas von fröhlich und voller spürbarer Auferstehungsfreude; auch beim Ostergottesdienst den wir miteinander feiern durften. Auch das ist für mich eine Erfahrung, die ich mit Auferstehung in Verbindung bringe.

Gott alles hinhalten

Zu guter Letzt, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich Ihnen eine Frage stellen, und zwar:
Haben Sie schon einmal auf das Kreuz oder eine Ikone geschaut, vielleicht auf den Auferstandenen, einen tiefen Blick ihm entgegengeworfen und ihm vielleicht auch all das hingehalten, was Sie momentan belastet, die schweren Rucksäcke, die Sie mit sich herumtragen, und die Sie hindern, erfüllt und befreit zu leben?
Ich mache das von Zeit zu Zeit, bzw. relativ regelmäßig, weil es mir nicht nur gut tut, sondern weil es mich aus diesem Glauben an die Auferstehung heraus leben lässt, der mich so wie diese Atemluft […] aufatmen lässt, neu leben lässt, mit neuer Kraft und Freude erfüllt.

„Diese Gegenwart in Stille, die erfüllt ist von der Nähe des Auferstandenen“

Dieser Blick auf den Auferstandenen, diese Gegenwart in Stille, die erfüllt ist von der Nähe des Auferstandenen – das ist es, was mein Herz erfüllt und was für mich die Auferstehung Jesu von den Toten Tag für Tag nicht nur relevant macht, sondern mein Leben als Jesuit und Priester erfüllt.
Vielleicht können Sie das in den nächsten Tagen, wenn Sie möchten, einmal ausprobieren: Diesen Blick auf ein Kreuz oder eine Ikone zu werfen und da den Auferstandenen zu sich sprechen zu lassen.
Gott ist ein Gott der Lebenden! Amen.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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05. November 2022, 11:00